So ist das in der Zeit der Industrialisierung und auch den Nachfolgejahren: die tapfere Nelly kommt aus prekären Verhältnissen, Mutter und Bruder sind Trinker, der Vater hat sich schon zu Tode getrunken. Sie und ihre Schwägerin Marie müssen das Geld für die gesamte Familie verdienen und zwar unter schwersten Bedingungen: in einer Weberei, die bereits Akkordarbeit in Fabrikmanier fordert - an zwei Webstühlen gleichzeitig. Die übermüdete Marie, die gleichzeitig mehrere Kinder versorgen muss, erleidet einen schweren Unfall und stirbt ein paar Tage später. Nelly setzt sich ein für sie und kämpft ohne Ende, dabei muss sie erkennen, dass Groß immer Klein schlägt!
Aber ein bisschen Zuversicht hat sie noch, denn genau in dieser Zeit lernt sie Johannes kennen, der was taugt und mitkämpfen will. Und er mag sie und sie ihn auch! Doch es bleibt ihnen nicht viel Zeit.
Wird Johannes' Schwester Anna, die neu vom Lande in die Stadt gekommen ist, für die beiden Gerechtigkeit erlangen können?
Ein spannendes Thema, es geht sowohl um den Beginn des Arbeitskampfes, der Solidarisierung der Arbeiterschaft als auch um die Emanzipation der Frau, beides Themen, die mir sehr nahe stehen. Ich habe mich sehr auf den Roman gefreut, fand auch viel Spannendes darin, dennoch blieb ich etwas enttäuscht zurück: zunächst, weil der Erzählstrang von Nelly auf Anna übergeht - irgendwie, so mein Eindruck, wird die dänische Autorin Gertrud Tinning keiner von beiden gerecht. Aus meiner Sicht gibt es immer wieder Stränge, die recht kurzatmig erzählt werden, einiges an Erklärungen fehlt und das ist gerade bei dieser sehr eindringlichen Thematik doch sehr schade.
Ich kann mir vorstellen, dass der Roman deutlich tiefer hätte dringen können, wenn die Autorin ihr Personal etwas eingeschränkt hätte - aus meiner Sicht gibt es so einige Szenen, in denen man den Wald vor lauter Bäumen nicht sieht. Immer wieder habe ich mich gefragt, wer das denn nun schon wieder ist und musste zurückblättern, um mich auf den Stand zu bringen. Schade - es ist kein schlechter Roman, doch es wäre soviel mehr drin gewesen!