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Veröffentlicht am 17.07.2021

Unter dem Brennglas der Pandemie

Die Wütenden und die Schuldigen
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Deutschland im Frühjahr 2020: Während die Corona-Pandemie den Alltag beherrscht, treten die Probleme unter dem Brennglas der Ausnahmesituation besonders zutage. Richard, ein Pfarrer im Ruhestand, ist schwer ...

Deutschland im Frühjahr 2020: Während die Corona-Pandemie den Alltag beherrscht, treten die Probleme unter dem Brennglas der Ausnahmesituation besonders zutage. Richard, ein Pfarrer im Ruhestand, ist schwer an Krebs erkrankt und hat nur noch kurze Zeit zu leben, die er in seinem Haus in der Uckermark verbringt. Seine Enkelin Selma macht sich zusammen mit einer Palliativmedizinerin auf den Weg dorthin. Selmas Mutter Maria Thomann, Anästhesistin in Berlin, muss sofort in Quarantäne, die sie mit einem Rabbi verbringt. Das Verhältnis zu ihrem Sohn Jakob, der Bruder von Selma, ist darüber hinaus derzeit schwierig. Der Kunststudent würde gerne bei ihr Unterschlupf finden und kämpft mit seinen eigenen Problemen...

„Die Wütenden und die Schuldigen“ ist ein Roman von John von Düffel.

Meine Meinung:
Der Roman besteht aus drei Teilen, die wiederum mehrere Kapitel umfassen. Erzählt wird aus verschiedenen Perspektiven: der von Selma, Richard, Jakob und Maria. Manchmal sind die Kapitel recht kurz und die Perspektivwechsel zu schnell für meinen Geschmack. Meistens passt der Aufbau jedoch gut.

Der Schreibstil hat mir sehr gefallen. Er ist atmosphärisch stark, einfühlsam und voller gelungener Sprachbilder und Beschreibungen. Dem Buch ist immer wieder anzumerken, dass der Autor vortrefflich mit Worten umgehen kann.

Die Idee, gleich vier Protagonisten in den Fokus zu rücken, sagt mir sehr zu. Besonders reizvoll ist es, dass mehrere Generationen einer Familie beleuchtet werden. Zwar ist es zu Beginn nicht einfach, die Personenkonstellation zu entwirren. In die einzelnen Figuren, die lebensnah und mit ausreichend psychologischer Tiefe dargestellt werden, konnte ich mich aber von Anfang an gut einfühlen. Zudem mag ich das interessante Spektrum unterschiedlicher Charaktere.

Inhaltlich ist der Roman keine leichte Kost. Einerseits wird das aktuelle Thema der Corona-Pandemie aufgegriffen und in gelungener Weise verarbeitet. Andererseits geht es um viele große Fragen des Lebens. Wie der Titel erahnen lässt, spielen Wut und Schuld eine zentrale Rolle in der Geschichte. Aber auch physische und psychische Krankheiten, das Sterben und verschiedene zwischenmenschliche Konflikte stehen im Vordergrund. Außerdem dreht sich die Geschichte um Leerstellen und Lücken im Leben der Familienmitglieder. Der Roman hat mich immer wieder zum Innehalten und Nachdenken gebracht.

Den ersten Teil habe ich als am stärksten empfunden. Später zerfasert der Roman ein wenig und fällt etwas ab. Nicht alle losen Fäden werden am Ende noch einmal aufgegriffen. Das hat mich in diesem Fall allerdings nicht gestört, weil es gut zur Geschichte und den dargestellten Situationen passt. Auf den rund 300 Seiten ist nur wenig Raum für langatmige Passagen, sodass ich mich im Großen und Ganzen gut unterhalten gefühlt habe.

Die moderne, reduzierte Aufmachung des Hardcovers hat mich auf Anhieb angesprochen, wenngleich sie nicht besonders aussagekräftig ist. Der Titel ist äußerst treffend.

Mein Fazit:
Trotz kleinerer Schwächen hat mich „Die Wütenden und die Schuldigen“ von John von Düffel nicht enttäuscht. Ein durchaus lesenswerter Corona-Roman mit Anspruch.

Veröffentlicht am 15.07.2021

Kunst und Liebe

Peggy Guggenheim und der Traum vom Glück
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Europa in den 1930er- und 1940er-Jahren: Als reiche Erbin kann sich Peggy Guggenheim nicht über mangelnde Gesellschaft beklagen. Doch sie erwartet mehr. Sie will sich den Traum von einer eigenen Kunstgalerie ...

Europa in den 1930er- und 1940er-Jahren: Als reiche Erbin kann sich Peggy Guggenheim nicht über mangelnde Gesellschaft beklagen. Doch sie erwartet mehr. Sie will sich den Traum von einer eigenen Kunstgalerie erfüllen. Dieser Plan lässt sich allerdings nur schwer mit ihrem Liebesglück vereinbaren. Und es ergeben sich weitere Schwierigkeiten...

„Peggy Guggenheim und der Traum vom Glück“ ist ein Roman von Sophie Villard.

Meine Meinung:
Der Roman besteht aus drei Teilen, die wiederum in kurze Kapitel untergliedert sind. Erzählt wird in chronologischer Reihenfolge aus der Sicht von Peggy. Die Handlung umfasst die Jahre 1937 bis 1942. Sie spielt an wechselnden Schauplätzen, zum Beispiel Paris und London. Orts- und Zeitangaben zu Beginn einzelner Kapitel helfen bei der Orientierung. Dieser Aufbau ist sinnvoll und funktioniert gut.

Der Schreibstil ist unauffällig, aber anschaulich und bildhaft. Gelungene Beschreibungen und ausreichend wörtliche Rede lassen die Szenen lebendig vor dem geistigen Auge erscheinen.

Im Fokus der Geschichte steht erwartungsgemäß die historische Persönlichkeit Peggy Guggenheim, mit der ich mich vorher noch nicht befasst hatte, die aber eine reizvolle Protagonistin abgibt. Ob die Darstellung der tatsächlichen Person gelungen ist, kann ich schlecht beurteilen. Allerdings konnte ich mich gut in die lebensnah wirkende Protagonistin einfühlen. Darüber hinaus tauchen weitere große Namen wie Samuel Beckett und Max Ernst auf. Insgesamt gibt es eine Vielzahl an Personen.

Gut gefallen hat mir, etwas über die Kunstsammlerin zu erfahren, die ein ebenso tragisches wie interessantes Leben führte. Der Roman hat mir ihre Person auf unterhaltsame Art näher gebracht. Da für Peggy Guggenheim Männergeschichten charakteristisch waren, nehmen Beziehungen, Sex und Affären im Buch viel Raum ein. Das macht den mehr als 400 Seiten umfassenden Roman kurzweilig. An manchen Stellen jedoch ist mir die Handlung zu sprunghaft und zu wenig detailliert, was andere Themen wie die Kunst an sich und die Umstände der damaligen Zeit, zum Beispiel die Anfänge des Zweiten Weltkriegs, angeht.

Dass sich die Autorin intensiv mit Peggy Guggenheim beschäftigt und eine gründliche Recherche betrieben hat, ist nicht nur aus dem informativen Nachwort ersichtlich, sondern an vielen Stellen im Buch.

Das Cover ist recht austauschbar, aber hübsch gestaltet. Der Titel ist für meinen Geschmack etwas zu kitschig, gleichwohl jedoch nicht falsch.

Mein Fazit:
„Peggy Guggenheim und der Traum vom Glück“ von Sophie Villard kann zwar keine ausführliche Biografie ersetzen. Dennoch ist der Roman ein unterhaltsames und lesenswertes Porträt einer faszinierenden Kunstsammlerin.

Veröffentlicht am 18.06.2021

Blut gegen Blut

Der Abstinent
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Manchester im Jahr 1867: Nach dem Tod von Frau und Kind landet Constable James O‘Connor in England. Der 34-jährige Witwer ist in Dublin dem Alkohol verfallen. Doch in der Ferne erhält er eine zweite Chance. ...

Manchester im Jahr 1867: Nach dem Tod von Frau und Kind landet Constable James O‘Connor in England. Der 34-jährige Witwer ist in Dublin dem Alkohol verfallen. Doch in der Ferne erhält er eine zweite Chance. Im englischen Norden soll er seine Landsleute in Schach halten und insbesondere die irischen Unabhängigkeitskämpfer, die „Fenians“, ausspionieren. Die Rebellen der Bruderschaft sind gerade äußerst rachsüchtig. Und ein gerissener Kriegsveteran namens Stephen Doyle ist eigens nach Manchester gereist, um ihnen beizustehen. Ein Strudel aus Gewalt beginnt...

„Der Abstinent“ ist ein Roman von Ian McGuire.

Meine Meinung:
Der Roman besteht aus 33 Kapiteln mit einer angenehmen Länge, wobei das letzte eine Art Epilog darstellt. Erzählt wird im Präsens aus der Sicht verschiedener Personen. Die Handlung spielt überwiegend im Jahr 1867. Eine Ausnahme bildet lediglich das letzte Kapitel. Der Aufbau ist unauffällig, aber funktioniert gut.

Der Schreibstil ist geprägt von zwei Merkmalen: Da sind einerseits die vielen Dialoge. Andererseits gibt es immer wieder atmosphärisch starke Beschreibungen, die düstere, aber intensive Bilder vor dem geistigen Auge erscheinen lassen.

Die Protagonisten, allen voran O‘Connor und Doyle, sind als vielschichtige Charaktere mit psychologischer Tiefe angelegt. Sympathieträger gibt es kaum.

Auf mehr als 300 Seiten ist die Handlung kurzweilig und spannend, manchmal aber ein wenig überdramatisch und nicht ganz realitätsnah. Bluttaten, Gewalt und andere kriminelle Machenschaften kommen zuhauf vor - nichts für allzu Zartbesaitete. Dennoch wirkt der Roman auf mich nicht unnötig brutal. Die letzten Kapitel sind überraschend, aber recht abwegig und haben mich etwas befremdet.

Der Roman basiert auf einer wahren Begebenheit, wie der Autor am Ende des Buches mitteilt. Tatsächlich wurden drei Mitglieder der Bruderschaft als „Manchester Märtyrer“ erhängt. Zudem beruhen einige Figuren auf realen Personen. Alle weiteren Dinge seien jedoch rein fiktiv, betont McGuire. Ein ausführlicheres Nachwort hätte den Roman weiter aufgewertet, denn die Themen (irische Migration nach England und die Bruderschaft) sind gleichermaßen interessant und - zumindest in Deutschland - weitgehend unbekannt. Auch aus der Geschichte selbst sind die genauen Hintergründe und Entwicklungen des englisch-irischen Konflikts leider nicht ersichtlich.

Das dunkle, reduzierte Cover passt gut zur Geschichte. Erfreulich finde ich, dass der treffende Originaltitel („The Abstainer“) für die deutsche Ausgabe wörtlich übersetzt wurde.

Mein Fazit:
„Der Abstinent“ von Ian McGuire ist ein Roman mit kleineren Schwächen, der für spannende Lesestunden sorgt und mich gut unterhalten hat.

Veröffentlicht am 08.06.2021

Die Abkehr vom Jet-Set-Leben

Herzensbrecher am Horizont
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Nach neun Berufsjahren als Stewardess hat Wanda Jahnsen genug vom Jetlag und der Fliegerei. Die 32-Jährige ist zudem seit sieben Monaten Single. Da kommt ihr ein Neubeginn gerade recht - auch wenn sie ...

Nach neun Berufsjahren als Stewardess hat Wanda Jahnsen genug vom Jetlag und der Fliegerei. Die 32-Jährige ist zudem seit sieben Monaten Single. Da kommt ihr ein Neubeginn gerade recht - auch wenn sie dafür auf die Insel Borkum ziehen und als Sprechstundenhilfe in einer Tierarztpraxis arbeiten muss.

„Herzensbrecher am Horizont“ ist der Auftakt der „Verliebt auf Borkum“-Reihe von Cornelia Engel.

Meine Meinung:
Der Roman besteht aus 19 Kapiteln mit einer angenehmen Länge. Erzählt wird einerseits aus der Sicht von Wanda und andererseits aus der Sicht des Ingenieurs Morten Vermeer. Dieser Aufbau funktioniert prima.

Der Schreibstil ist anschaulich und warmherzig. Viel wörtliche Rede und gelungene Beschreibungen lassen das Geschilderte lebhaft erscheinen.

Wanda ist eine sympathische Protagonistin, die ich schon nach wenigen Seiten ins Herz geschlossen habe. Mo ist ebenfalls ein Charakter, der einige Sympathiepunkte bei mir gewinnen konnte. Die Gedanken und Gefühle der beiden lassen sich sehr gut nachvollziehen. Auch die übrigen Figuren sind interessant und liebenswert ausgestaltet.

Auf knapp 300 Seiten bleibt die Geschichte kurzweilig und unterhaltsam. Auch humorvolle Momente kommen nicht zu kurz.

Bei mir hat der Roman immer wieder Fernweh erzeugt und meine Neugier auf die Insel geweckt. Gut gefallen hat mir auch die Liebesgeschichte, deren Entwicklung überzeugend ist und die gefühlvoll, aber nicht zu kitschig ausfällt.

Dem Roman merkt man die fundierte Recherche an unterschiedlichen Stellen an. Die Schilderungen wirken schlüssig und authentisch. Allerdings hat mir inhaltlich noch das gewisse Etwas, ein wenig Raffinesse, gefehlt, um mich restlos zu begeistern.

Das hübsche Cover passt hervorragend zu der Geschichte. Auch der Titel ist treffend formuliert.

Mein Fazit:
„Herzensbrecher am Horizont“ von Cornelia Engel ist ein Roman mit Fernweh-Garantie, der mir schöne Lesestunden bereitet hat.

Veröffentlicht am 22.05.2021

Das aufregende Leben der Emmy Seidlitz

Sturmvögel
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Emmy Seidlitz ist 86 Jahre alt, als die Ärzte bei ihr Herzprobleme feststellen. Die Seniorin, die ansonsten noch ziemlich rüstig ist, kann auf ein aufregendes Leben zurückblicken. Und ihre Kinder müssen ...

Emmy Seidlitz ist 86 Jahre alt, als die Ärzte bei ihr Herzprobleme feststellen. Die Seniorin, die ansonsten noch ziemlich rüstig ist, kann auf ein aufregendes Leben zurückblicken. Und ihre Kinder müssen erkennen, dass die Mutter so ihre Geheimnisse hat...

„Sturmvögel“ ist ein Roman von Manuela Golz.

Meine Meinung:
Der Roman besteht aus 27 Kapiteln mit einer angenehmen Länge. Erzählt wird vorwiegend aus der Sicht von Emmy, aber auch aus der weiterer Personen. Dabei gibt es zwei Stränge: Einerseits spielt die Handlung in der jüngeren Vergangenheit (1994 und 1995) und andererseits in ferneren Zeiten (ab 1911). Zeitangaben zu Beginn der Kapitel machen die Orientierung leicht.

Der Schreibstil ist anschaulich und dank vieler Dialoge lebhaft, aber recht unspektakulär.

Protagonistin Emmy ist eine selbstbewusste und resolute Persönlichkeit, die mit ihrer direkten Art schnell meine Sympathie gewonnen hat. Ihre Gedanken und Gefühle werden sehr gut deutlich. Leider sind nicht alle Charaktere vielschichtig angelegt.

Der Roman basiert auf dem Leben der Großmutter der Autorin. Inhaltlich ist er abwechslungsreich. Die Schicksalsschläge und Erlebnisse, die Emmy widerfahren, machen die mehr als 300 Seiten umfassende Geschichte kurzweilig, facettenreich und unterhaltsam. Allerdings hatte ich mir eine etwas tiefgründigere und originellere Lektüre erhofft.

Ein schöner Pluspunkt ist das angefügte Glossar, das sich am Ende des Buches versteckt. Auch das Interview zum Roman gehört zum interessanten Zusatzmaterial.

Das moderne Cover gefällt mir gut. Der Titel ist passend.

Mein Fazit:
„Sturmvögel“ von Manuela Golz ist ein unterhaltsamer Roman, der mir schöne Lesestunden bereitet hat, aber das gewisse Extra vermissen lässt, um noch lange nachzuhallen.