Studentin und Herzog - ein ungleiches Paar?
Im Jahre 1879 sah die Welt für Frauen noch vollkommen anders aus. Während heutzutage Frauen und Männer selbstverständlich an derselben Universität studieren und wählen dürfen, war das im England vor ca. ...
Im Jahre 1879 sah die Welt für Frauen noch vollkommen anders aus. Während heutzutage Frauen und Männer selbstverständlich an derselben Universität studieren und wählen dürfen, war das im England vor ca. 150 Jahren nicht der Fall gewesen. Evie Dunmore erzählt in „Die Rebellinnen von Oxford“ die Geschichte der Annabelle Archer, die neben dem Studium an der Oxford Universität sich für die Frauenrechte einsetzt. Durch diese Tätigkeit kommt sie in Berührung mit dem Herzog Sebastian Devereux und genau hier fängt die Geschichte erst richtig an. Wenn man zunächst eine emanzipierte Geschichte der damaligen Studentinnen zu lesen, muss ich hier ganz schnell die Hoffnungen auflösen. Definitiv spielen Feminismus und geschichtliche Eindrücke der Situation der Frauen eine Rolle, und zwar keine kleine, aber man muss betonen, dass in erster Linie die Beziehung der ungleichen Personen – Annabelle und Sebastian – thematisiert wird. Doch diese hat es in sich!
Die Figuren sind vielgestaltig dargestellt worden. Annabelle hat ihre Stärken, aber auch ihre Schwächen und ist nicht die perfekte Protagonistin, der man sonst oftmals in ähnlichen Geschichten begegnet. Sie kommt oftmals sehr willensstark rüber, aber gleichzeitig wird diese durch mehrere Einschübe durchbrochen, sodass sie lebensechter wirkt. Sebastian als männlicher Protagonist fand ich sogar noch komplexer. Seine Geschichte könnte eine ganze Reihe allein wohl füllen. Evie Dunmore schafft es, verschiedene Gefühle für Sebastian Devereux hervorzurufen. Einerseits ärgert man sich zutiefst über seine herablassende Art, und andererseits kann man genau verstehen, wie er sich derart entwickelt hat. Es ist eine Zerreißprobe der Nerven zwischen Sympathie und Antipathie.
Die Handlung verläuft nach einem roten Faden und ist in sich schlüssig. Nur geht nach und nach der Bezug zu Oxford verloren und man wünschte sich an der ein oder anderen Stelle doch gerne wieder einen Rückgriff zum universitären Alltag. Zum Ende der Geschichte gibt es ihn schon wieder, aber deutlich weniger als zu Beginn des Romans. Der Hauptfokus ist nun einmal das Zwischenmenschliche. Das fand ich spannend dargestellt, auch wenn ich mir manche Szenen subtiler gewünscht hätte. Manchmal ist doch die Andeutung Reiz genug, aber Evie Dunmore wählte eher die „direkte“ Version. Das ist wohl Geschmackssache. Ich mochte das Erzähltempo sehr und war daher etwas überrascht, als es zum Schluss dann doch etwas zügig voranging. Da hätte ich doch lieber einen zweiten Teil daraus gemacht, um der Geschichte den Raum und die Zeit zugeben, die sie noch benötigt hätte. Das Ende kommt abrupt und lässt den Lesenden mit vielen Fragen zurück. Doch vielleicht werden diese in den weiteren Teilen noch nebenbei aufgelöst. Ich bin definitiv gespannt.