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Veröffentlicht am 23.05.2021

Vorsicht giftig!

Blütenschatten
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Inhalt:

Eine Frau spaziert in der Nacht allein durch London und rekapituliert ihr Leben. Es ist Eve Laing, 60 Jahre alt, Malerin von hyperrealistischen Blumenbildern. Sie hat vor wenigen Monaten ihren ...

Inhalt:

Eine Frau spaziert in der Nacht allein durch London und rekapituliert ihr Leben. Es ist Eve Laing, 60 Jahre alt, Malerin von hyperrealistischen Blumenbildern. Sie hat vor wenigen Monaten ihren Ehemann, einen Stararchitekten, für einen Mann verlassen, der nur halb so alt ist wie sie.

Eve hat ihr Leben lang um Aufmerksamkeit für sich und ihre Kunst gekämpft. In dem jungen Luka glaubt sie gefunden zu haben, wonach sie so lange gesucht hat, und rechnet nun schonungslos zynisch mit denjenigen ab, die ihr im Leben Unrecht getan haben. Sie flieht vor ihnen und bewegt sich gleichzeitig auf etwas zu, das sie nicht hat kommen sehen.

Meine Meinung:

„Blütenschatten“ von Annalena McAfee ist eines der anspruchsvollsten Bücher, die ich je gelesen habe.

Das liegt zum einen an der Sprache, die ziemlich gehoben ist und teilweise vor kunst- und kulturwissenschaftlichen Verweisen nur so strotzt. Da bin ich teilweise an meine Grenzen gestoßen. Zum anderen liegt es auch am Inhalt, mit dem ich mir nicht immer leicht getan habe.

Ich versuche im Moment beim Lesen vermehrt über meinen Tellerrand zu schauen und ich wollte unbedingt mehr Bücher kennenlernen, die moralisch fragwürdige Personen - insbesondere Frauen - in den Fokus rücken.

Eve ist tatsächlich eine sehr fragwürdige Protagonistin. Mir persönlich war sie durchgängig unsympathisch und ich habe mich auf ihre Weltanschauung bzw. Ihre Handlungen nur schwer einlassen können. Das lag nicht daran, dass sie dem gängigen Rollenbild einer Frau widerspricht, sondern an der Art und Weise, auf die sie es tut. Ich würde sie als egozentrisch, unreflektiert und selbstherrlich bezeichnen. Trotzdem hat sie mir manchmal leid getan. Mit Sicherheit ist dieser Zwiespalt zwischen Mitleid und Abgestoßensein von der Autorin so gewollt gewesen. Es hat mich tatsächlich fasziniert!

Wirklich sehr gestört hat mich dagegen, dass der Plot so konstruiert wurde, dass eine Figur, die eigentlich kaum eine Rolle spielt, von Eve für ihre sexuelle Orientierung/ geschlechtliche Identität diskriminiert wird. Das hätte die Geschichte in meinen Augen nicht nötig gehabt!

Generell lässt sich also sagen, dass das Buch und seine Protagonistin polarisiert. Ich konnte es trotzdem in der zweiten Hälfte nicht mehr aus der Hand legen. Ich habe mich wahnsinnig über die Geschichte, ihr Konstrukt, die handlungstragenden Personen aufgeregt und wollte gleichzeitig unbedingt wissen wie es weitergeht.

Eve arbeitet im Buch an einer Ausstellung mit Kunstwerken, die extrem giftige Pflanzen zeigen. Die metaphorischen Verbindung zwischen ihrer Malerei und der Handlung der Geschichte haben mir äußerst gut gefallen. Das Buch ist überhaupt sehr genau durchdacht. Jedes Ereignis hat einen doppelten Boden und die Auflösung der Geschehnisse, das Ineinandergreifen der einzelnen Handlungsstränge ist wirklich gut gemacht. Das Ende hat mich, wie schon vieles zuvor, schockiert. Dennoch habe ich es als sehr spannend empfunden.

Fazit:

Ich habe mich oft gefragt, was das Buch mir eigentlich sagen möchte. Anfangs bin ich davon ausgegangen, ich hätte einen feministischen Roman in der Hand. Aber so habe ich persönlich die Geschichte nicht gelesen. Für mich ist „Blütenschatten“ eine aufwühlende Erzählung über eine Frau, die sich durch eine tragische Mischung aus falschen Handlungen und schlechtem Charakter, selbst ins Verderben stürzt. Sie macht sich die Menschen in ihrem Leben der Reihe nach zu Feinden und erntet das Ergebnis. „Blütenschatten“ ist aufwühlend und kontrovers.

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Veröffentlicht am 26.01.2021

Von Herzen und unpopulären Meinungen

Wie die Stille vor dem Fall. Erstes Buch
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War das mein erstes Buch von Brittany C. Cherry? Schande über mein Haupt, aber ja.
War ich unfassbar gespannt, what the hype is all about? Gar keine Frage!
Hatte ich immens hohe Erwartungen? Und wie!
Wurden ...

War das mein erstes Buch von Brittany C. Cherry? Schande über mein Haupt, aber ja.
War ich unfassbar gespannt, what the hype is all about? Gar keine Frage!
Hatte ich immens hohe Erwartungen? Und wie!
Wurden diese erfüllt? Nicht so wie ich mir das vorgestellt hatte.
Dies ist eine „Unpopular opinion“-Rezension und ich habe lange überlegt, ob ich sie überhaupt veröffentlichen soll. Aber da es mir selbst immer hilft Rezensionen zu lesen, die meine eigene Meinung widerspiegeln, tue ich es. Vielleicht geht es ja noch ein paar wenigen anderen Lesern ähnlich wie mir.

Inhalt:
Landon Harrison und Shay Gable sind Highschool-Schüler und können sich nicht leiden, weil sie den jeweils anderen für sehr viele Dinge halten, die er eigentlich nicht ist. Er hat ihr als Kind Kaugummi in die Haare geklebt, heute nennt er sie Chicken und sie ihn Satan.
Auf einer Party platzt Shay ins Zimmer, als Landon gerade dabei ist, mit einem Mitschüler eine Wette abzuschließen. Er könnte Shay dazu bringen, sich in ihn zu verlieben, behauptet Landon. Shay greift ein und sagt, vorher würde Landon sich in sie verlieben. Also Top die Wette gilt. Der Einsatz ist nicht mehr und nicht weniger als die eigene Ehre. Ihre gegenseitigen Versuche, den jeweils anderen für sich zu gewinnen, gehen den beiden gleichermaßen unter die Haut. Schon bald kommen Narben zum Vorschein, von denen keiner geglaubt hatte, er könnte sie entdecken und Gefühle, von denen sie behaupteten, sie niemals empfinden zu wollen.

Meine Meinung:
Ich wollte wissen, wie ein Buch sein muss, dass von so vielen Lesern so gefeiert wird und habe aufgrund der unzähligen begeisterten Rezensionen etwas Herausragendes erwartet. Etwas extrem Poetisches und Tiefgreifendes, das sich von anderen Autoren in dem Genre massiv abhebt. Ein ganz eigener Schreibstil und Tonfall. Irgendwo habe ich mal eine Bewertung gelesen, in der jemand sagte: „Ich würde ein Stück meiner Seele verkaufen, um so schreiben zu können wie BCC.“ Vielleicht war das zu viel des Erwartungsdrucks. Vielleicht bin ich auch einfach geschmacksgestört.
Als ich das Buch endlich in Händen gehalten und mit dem Lesen begonnen hatte, dachte ich die ganze Zeit: „Wann kommt es denn endlich? Wann geht’s denn jetzt endlich los?“
Aber es hat bis zum letzten Drittel der Geschichte gedauert. Erst da konnte ich den Zauber ansatzweise verstehen. Obwohl er mich immer noch nicht mitgerissen hat.
Der Schreibstil der ersten Kapitel aus Landons Sicht haben mich sogar eher abgestoßen. Zu viele Obszönitäten, zu viel Umgangssprache. „Labern“ ist ein Wort, das ich in einem Buch nicht brauche, aber klar verstehe ich, dass die Autorin hier vor allem Landons Erzählstimme betonen wollte. Also Schwamm drüber. Außerdem wurde Landons Sprache deutlich besser im Laufe der Geschichte. Allgemein gesagt ist der Schreibstil locker leicht und ab und an wird eine Metapher eingestreut. Ich fand es sehr schön, dass sich die meisten dieser Metaphern um’s Herz gedreht haben und so auf ihre Art miteinander verbunden waren. Es kam mir fast vor, als würden die Metaphern noch einmal eine eigene Geschichte auf einer anderen Ebene erzählen. Aber trotzdem war das für mich nichts, was meine Leserwelt so sehr aus den Angeln gehoben hätte.
Wenn ich vorher nicht gewusst hätte, dass es sich um DIE Königin des New Adult handelt, hätte ich gesagt: „Der Schreibstil hat viele Sternstunden, aber auch ein paar Schwachstellen.“
Auch Shay und Landon als Protagonisten konnten mich nicht so erreichen, wie ich mir das gewünscht hätte. Das soll nicht bedeuten, dass ich nicht sehe, dass die beiden tief und komplex ausgearbeitet wurden. Auch die einfühlsame Darstellung von Londons Depression hat mir sehr gut gefallen. Und trotzdem hat mir irgendetwas gefehlt. Es gab viel Emotion, unzählige bewegende Reden und Gespräche. Aber auf der Paarebene ist für mich da irgendetwas auf der Strecke geblieben. Möglicherweise lag es an Landons schwerer psychischer Erkrankung. Vielleicht ist hinter dieser ganzen Traurigkeit und Verzweiflung alles andere bei mir in den Hintergrund gerückt. Aber mir hat auch einfach die Anziehungskraft zwischen den beiden gefehlt. Und die großen, atmosphärischen oder mitreißenden Momente, wie man sie manches Mal in Liebesromanen findet. Die intimen Szenen haben mich teilweise eher befremdet.
Anfangs (nach der Wette) fand ich die Handlung sogar ein bisschen konstruiert. Sie ist nicht so organisch geflossen. In der zweiten Hälfte hat sich das allerdings geändert, weil da natürlich viele Dinge, die vorher aufgebaut wurden, aufgelöst wurden und der Fokus dann so stark auf die Depressionen und die verschiedenen familiären Konflikte gerichtet worden ist. Meine Lieblingsfigur war übrigens Shays Großmutter Mima. Sie ist es wohl gewesen, die mit ihren klugen Worten und ihrem großen Herzen am allermeisten meines berührt hat. 


Fazit:

Ich habe den zweiten Teil von „Wie die Stille vor dem Fall“ bereits auf meinem SUB liegen und bin guter Hoffnung, dass Landon und Shay mich in ihrem nächsten Buch noch ins Boot holen können.
Es kommt tatsächlich immer mal wieder vor, dass ich mit gehypten Büchern zu kämpfen habe. Vielleicht bin ich einfach ein Leser, der gerne mal aus der Reihe tanzt. Oder um es passend zum Buch zu sagen: Mein verrücktes Leserherz schlägt oft in seinem ganz eigenen Takt.

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Veröffentlicht am 27.09.2020

Ich sehe nur dich.

Too Late
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First of all: Dieses Buch braucht eine Triggerwarnung!
Wenn man Probleme hat, sich literarisch mit den Themen Vergewaltigung, häusliche Gewalt, toxische Beziehung, Drogenkonsum, Waffengewalt, Stalking ...

First of all: Dieses Buch braucht eine Triggerwarnung!
Wenn man Probleme hat, sich literarisch mit den Themen Vergewaltigung, häusliche Gewalt, toxische Beziehung, Drogenkonsum, Waffengewalt, Stalking und Narzissmus auseinanderzusetzen, sollte man besser die Finger davon lassen.

Zusammenfassung:
Die Studentin Sloan hat nie gelernt, wie sich gesunde Liebe anzufühlen hat und geht deswegen eine Beziehung mit ihrem übergriffigen Kommilitonen Asa ein.
Asa lebt einen luxuriösen Lifestyle, denn er ist der Kopf des größten College-Dorgenrings in den USA. Als Sloan von seinen Machenschaften erfährt, versucht sie ihn zu verlassen, scheitert jedoch, da sie sich selbst und ihren kranken Bruder ohne Asas Hilfe nicht finanzieren kann.
Gemeinsam leben die beiden in einem Haus, in dem immer Fremde zu Gast sind und die Partys niemals zu Ende gehen. Sloan belastet diese Situation sehr, Asa ist blind für ihr Leid und gleichzeitig besessen von seiner Liebe zu ihr.
Carter ist ein verdeckter Ermittler und scheust sich gemeinsam mit einem Kollegen in Asas engsten Kreis ein, mit dem Ziel Beweise gegen ihn zu sammeln und ihn vor Gericht zu bringen. Sloan und er verlieben sich Hals über Kopf ineinander, sind sich aber bewusst, dass Asa sie niemals gehen lassen wird. Lieber würde er einen Mord begehen.

Meine Meinung:
Mir gefällt das Cover der Paperback-Version besser. Es hat dafür gesorgt, dass der Film in meinem Kopfkino die ganze Zeit über in Rotlicht getaucht war.
Der Titel des Buchs irritiert mich, weil ich absolut keinen Zusammenhang zur Handlung sehe. Ich kann nicht verstehen, warum man ausgerechnet "Too late" gewählt hat. Mein Vorschlag für die deutsche Übersetzung wäre: "Ich sehe nur dich." gewesen. Das hätte in vielerlei Hinsicht gepasst und ist eine wesentliche Textzeile im Buch.

Ich mochte vor allem den Aufbau des Buchs. Es ist zu Ende und dann quasi doch nicht. Die Geschichte wird nach dem eigentlichen Ende in mehreren Handlungssträngen weitererzählt. Das gefällt mir, weil ich oft in Büchern das Bedürfnis habe zu erfahren wie es nach dem Happy/ Tragic End mit den Charakteren weitergeht. Ich würde gerne noch aus ihrem neuen Alltag lesen oder einen Einblick in ihre Zukunft erhalten.
Der Schreibstil ist flüssig, obwohl das Wort "total" für meinen Geschmack ein bisschen zu inflationär gebraucht wird.

"Too late" ist das zweite Buch von Colleen Hoover, das ich gelesen habe. Zuvor bin ich dem Hype um "Verity" erlegen und obwohl ich da schon mit verschiedenen Aspekten meine Probleme hatte, fand ich die Geschichte so klug aufgebaut, dass ich gerne noch mehr "Frauenthriller" der Autorin lesen wollte.
"Too late" hat inhaltlich sowohl meine guten Erwartungen erfüllt, als auch meine schlechten.

Es ist interessant, dass das Buch kein wirkliches Setting hat. Die Stadt und der Bundessaat werden nicht beim Namen genannt. Die Schauplätze werden so gut wie nicht beschrieben. Nicht einmal Asas Haus. Der Fokus liegt rein auf dem Erleben der Protagonisten. Trotzdem schafft es das Buch dem Leser eine dunkle und spannungsgeladene Atmosphäre zu vermitteln.

Obwohl die Geschichte abwechselnd aus der Ich-Perspektive der drei Hauptcharaktere erzählt wird und man dadurch viel Innensicht erhält, wirkt vor allem Luke sehr flach auf mich. Man erfährt einfach zu wenig über ihn als Mensch. Seine Vergangenheit bleibt beinahe völlig im Dunkeln. Der Fokus liegt darauf, ihn als respekt- und verständnisvollen Retter darzustellen. Sein einziger Makel ist es, dass er zu gutherzig für den Job als Polizist ist.
Sloan konnte ich besser greifen. Man erfährt, wo sie herkommt, was sie antreibt und wovon sie träumt. Es ist einfach sie zu mögen, obwohl ich die Darstellung ihrer Person trotzdem für problematisch halte. Sloan erträgt die emotionale und körperliche Gewalt, die Asa ihr gegenüber anwendet in so gut wie jeder Situation widerstandslos. Das ist bestimmt eine nachvollziehbare und realitätsnahe Verhaltensweise, die man bei vielen Opfern findet. Ich mag es jedoch nicht, dass im Buch immer wieder betont wird, dass dieses Ertragen und Aushaltenkönnen sie zu einer so außergewöhnlich starken Person macht. An manchen Stellen kommt es mir so vor, als würde zwischen den Zeilen gesagt werden, dass es weniger stark gewesen wäre, wenn sie zur Polizei gegangen wäre oder sich gegen Asa gewehrt hätte.
Die Kapitel, die aus Asas Sicht geschrieben wurden, waren für mich oft nur schwer zu ertragen. Es ist offensichtlich, dass Colleen Hoover einen Protagonisten mit narzisstischer Persönlichkeitsstörung schreiben wollte. Er ist völlig unfähig dazu Gefühle anderer Menschen einordnen zu können und selbst seine Liebe zu Sloan ist Ich-fokussiert. Die Art und Weise wie er den Sex zwischen sich und Sloan schildert, ist wirklich nichts für schwache Nerven. Das sollte einem unbedingt klar sein, wenn man sich für dieses Buch entscheidet.

Wie bereits erwähnt mochte ich den Aufbau mit der Geschichte nach der Geschichte. Allerdings war mir der Inhalt hier ein bisschen zu dramatisch.
ACHTUNG SPOILER:
Als Sloan ihre Rache hatte, hätte die Geschichte vorbei sein sollen. Die Schwangerschaft und die ziemlich detailreiche Vergewaltigungsszenen wären wirklich nicht mehr nötig gewesen.

Fazit:

„Too late“ von Colleen Hoover ist prinzipiell ein gutes Buch, das ich jedem empfehlen würde, der Lust auf Spannung hat und mit Abgründen umgehen kann. Ich konnte das Ende bzw. die zwei bis drei Enden nicht sicher vorausahnen und das ist ja bekanntlich immer ein gutes Zeichen. Trotzdem hätte hätte man auf die ein oder andere ausführliche Sexszene zwischen Asa und Sloan verzichten können. Das hätte der bedrohlichen Stimmung keinen Abbruch getan.

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Veröffentlicht am 07.09.2024

Parabel

Hinter der Hecke die Welt
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Dass in kleinen Dörfern auf dem Land manchmal die Zeit beinahe stehen zu bleiben scheint, dürfte hinreichend bekannt sein. In dem Dorf aus Gianna Molinaris Roman ist es nicht die Zeit, die stillsteht, ...

Dass in kleinen Dörfern auf dem Land manchmal die Zeit beinahe stehen zu bleiben scheint, dürfte hinreichend bekannt sein. In dem Dorf aus Gianna Molinaris Roman ist es nicht die Zeit, die stillsteht, sondern das Wachstum der einzigen beiden Kinder: Pina und Lobo. Keiner kann sich erklären, aus welchem Grund das so ist. Selbst Wissenschaftlern und Ärzten gelingt es nicht, herauszufinden, was den Kindern fehlt. Während andere darüber nachdenken, was mit ihrer Tochter nicht stimmt, lebt Pinas Mutter in der Arktis und erforscht die Auswirkungen des Klimawandels. Und während die Pina und Lobo einfach nicht mehr wachsen wollen, tut es die berühmte Hecke des Dorfes umso mehr. Die einzige Attraktion zieht Touristen an und hält somit den Stillstand ein Stück weit auf - bis sie es eines Tages nicht mehr tut.

"Hinter der Hecke die Welt" ist ein Buch, das nicht einfach zu erfassen ist. In gewisser Weise ist es eine Parabel, ein Gleichnis, in dem alles für etwas anderes zu stehen scheint, und in dem die wahre Botschaft zum Großteil zwischen den Zeilen versteckt steht. In seiner Bildsprache und in seinem Stil finde ich den Roman außergewöhnlich, wenn auch so verschlüsselt, dass mir seine Kernaussage bis zum Schluss nicht vollständig klar wird. Viele Dinge erschließen sich mir, andere aber auch wieder nicht, sodass das Gesamtbild nicht richtig greifbar wird. Dieses Verschlüsseln der Botschaft hat etwas Kafkaeskes an sich. In Kombination mit der Sozialkritik, welche die Autorin übt, und ihrer eigenwilligen Prosa, entsteht definitiv ein Text der es Wert ist, gelesen zu werden. Auf der Metaebene hat er mich allerdings nicht vollständig erreicht.

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Veröffentlicht am 09.08.2024

Die Monster in uns

Kleine Monster
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In "Kleine Monster" setzt sich Autorin Jessica Lind mit der Psyche ihrer Protagonistin auseinander und fordert gleichzeitig unseren Verstand als Lesende heraus.
Pia und Jakob sind Eltern von Luca. Sie ...

In "Kleine Monster" setzt sich Autorin Jessica Lind mit der Psyche ihrer Protagonistin auseinander und fordert gleichzeitig unseren Verstand als Lesende heraus.
Pia und Jakob sind Eltern von Luca. Sie werden in die Schule ihres Sohnes gerufen, weil es einen Vorfall gegeben haben soll. Was genau sich abgespielt hat, das wird nicht gesagt. Aber es wird klar, eine Mitschülerin soll von Luca bedrängt worden sein. Ein ungeheuerlicher Vorwurf für einen Siebenjährigen, mit dem beide Eltern in der Folgezeit unterschiedlich umgehen.
Während Jakob versucht, die Situation möglichst locker anzugehen und ein unerschütterliches Vertrauen in seinen Sohn und die Situation zu haben scheint, kommen Pia Zweifel. Ihre eigene Vergangenheit hat ihr gezeigt, wozu Kinder fähig sein können. Luca ist ihr plötzlich fremd.
Mich hat die Auseinandersetzung mit diesem verzwickten und psychologisch vielschichtigen Thema unglaublich interessiert. Dementsprechend schnell hat mich der Roman in den ersten Kapiteln fesseln können. Der Vorfall mit Luca entwickelt schnell eine gewisse Eigendynamik. Eltern von Klassenkameraden und Bekannte beziehen Stellung und wenden sich von der Familie ab. Auch Pia distanziert sich zunehmend von ihrem Sohn. Dies wird mit ihrer eigenen Vergangenheit begründet, welche immer wieder dazu führt, dass Pia sich in ihre Mutterrolle hineinzwängen muss. Diese Vergangenheit nimmt eine zunehmend große Rolle im Roman ein. Der Fokus verlagert sich zunehmend weg von Luca und der Gegenwart und hin zu Pias Kindheit.
Diese Wende hat mich enttäuscht. Es hat sich ein bisschen so angefühlt, als hätte ich nicht das Buch bekommen, das ich gerne gehabt hätte. Als würde plötzlich eine ganz andere Geschichte erzählt werden, als die, auf die ich mich ursprünglich eingelassen habe.
Sprachlich und stilistisch hat mir der Text gut gefallen. Die kurzen Kapitel lesen sich schnell und spannend. Inhaltlich ist mir der Roman aber nicht rund genug. Pias Geschichte ist eine wichtige Ergänzung, um ihr Handeln als Mutter zu verstehen. Wenn diese Geschichte aber anders in die Kernhandlung eingeflochten und weniger prominent erzählt worden wäre, hätte mir der Roman im Gesamtbild wahrscheinlich mehr zugesagt.

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