Raffiniertes Schelmenstück
Die Stadt glüht, der Asphalt schlägt Blasen und selten verschwinde ich so schnell und freiwillig in der U8. In den Tunneln unter Berlin ist es derzeit noch am ehesten auszuhalten, dort, wo ich seit kurzem ...
Die Stadt glüht, der Asphalt schlägt Blasen und selten verschwinde ich so schnell und freiwillig in der U8. In den Tunneln unter Berlin ist es derzeit noch am ehesten auszuhalten, dort, wo ich seit kurzem aus dem Waggon heraus grinsend in die dunklen Schächte der Nebengleise starre, denn ich weiß jetzt Bescheid…
Es ist eiskalt und Silvester, als Beverly Kaczmarek - einziger weiblicher Spross eines polnischen Diebesclans internationaler Reichweite - beschließt, nichts weniger als die Quadriga vom Brandenburger Tor zu stehlen. Denn seit sie beim letzten Coup im Marmorpalais auf dem Rückweg durchs Fenster eine der beiden Wedgewood-Vasen zu Bruch gehen ließ, kriegen sich die lieben Verwandten in den absurdfarbenen Trainingsanzügen gar nicht mehr ein. Insbesondere die Brüder, die derweil Fabergé-Eier aus der Eremitage entwenden, lassen es an Schmäh nicht fehlen. Etwas unübertroffen Großes muss her, das die Positionen ein für allemal klärt.
Ein herrlich wild-schräg-absurdes (Lese)-Abenteuer beginnt. Nicht eigentlich spannend, aber ein großer Spaß voller Wortwitz, lustvoll auf die Spitze getriebenen Klischees, skurrilem Personal von Wetteranarchist bis Mafiaboss, pointierten Dialogen, trashigen Storyschlenkern und zahllosen Referenzen, die Michel Decar wie ein Feuerwerk auf den Leser niedergehen lässt. Geschrieben im Tempo der Großstadt und der lakonische-schnodderigen Tonart, die man dem neuköllngefärbten Kreuzberg und der kratzbürstigen Meisterdiebin ohne Blinzeln abnimmt. Nicht hundertprozentig sympathisch, aber immer schlagfertig, sehr komisch, ein bisschen dreckig. Hier kennt sich einer aus.
Was in den Tunneln unter Berlin so lauert, ob die Quadriga am Ende noch auf dem Tor steht und wie Beverly die Liebe findet und mit einigen Trainingsanzügen abrechnet, könnt und sollt ihr unbedingt selbst nachlesen.