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Veröffentlicht am 28.07.2021

Das langsame Zerpflücken des Wilden Westen und des American Dream in ihren weißen Stigmata

Wie viel von diesen Hügeln ist Gold
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Lucy und ihr jüngerer Bruder Sam wachsen als chinesische Immigranten in bitterer Armut in Hügeln des amerikanischen Westens auf. Nach dem Tod ihres Vaters stehen die beiden nun auch noch völlig alleine ...

Lucy und ihr jüngerer Bruder Sam wachsen als chinesische Immigranten in bitterer Armut in Hügeln des amerikanischen Westens auf. Nach dem Tod ihres Vaters stehen die beiden nun auch noch völlig alleine da. Zusätzlich verlangt die Tradition auch noch nach einem ordentlichen Begräbnis und so machen sich die beiden auf den Weg in eine besser Zukunft, zu Fuß, mit einem Revolver und einer langsam verwesenden Leiche auf einem Pferderücken. Doch der Kampf gegen die unwegsame Natur für ein ordentliches Begräbnis entwickelt sich recht schnell zu einem Kampf für die eigene Identität, den jeder von den beiden selber führen muss.

Sprachlich beginnt der Roman mit einer wahren Wucht. Der atmosphärische, gleichzeitig aber auch poetische Schreibstil saugt die Leser:innen sofort in die Geschichte und man findet sich zwischen den grasbewachsenen Hügeln und den toten Flüssen der Goldgräberstädchen wieder, in denen Lucys und Sams Reise beginnt. Erzählerisch kann die Autorin hier einiges vorlegen. Mein einziger kritikpunkt an dem Buch währe hier auch, dass dieser sprachlich vollendete Stil gegen Ende des Buches ein wenig abnimmt, und mich beim Lesen nicht mehr ganz so einlullte, wie am Anfang. Neben der Reise der beiden zu sich selbst webt C Pam Zhang auch noch andere gesellschaftsrelevante Themen wie Transsexualität, Zerstörung der Welt durch den Menschen, Ausbeutung und Rassismus und zerstört dabei das Bild, das wir immer vom Wilden Westen als Domäne heldenhafter weißer Cis-Männer hatten, und führt uns in die Realität der chinesischen Einwanderer im Westen der USA im 19. Jahrhundert. Hier schlägt die Autorin gekonnt eine Brücke zur Gegenwart. C Pam Zhang führt ihre Leser:innen immer wieder aufs Glatteis, indem sie sie mit der unbequemen Wahrheit dessen Konfrontiert, dass wir alle selbst stille Teilnehmer dieser homogenen weißen Gesellschaft wären bzw. sind. Auch die Protagonisten der Geschichte können mit einer ebenso großen Palette und Facettenreichtum aufwarten, wie die oben schon angesprochene Gesellschaftskritik. Mit Lucy haben wir eine starke junge Protagonistin, die scheinbar allen Kränkungen trotzt, dennoch ihren Stolz und ihre Ziele nicht vergisst, und so diesen immer weiter folgt, bis sie sich fragen muss, ob diese überhaupt das sind, was sie sich wünscht. Sam ist die Nacht zu Lucys Tag. Er führt ein Leben ohne Konventionen, wirkt hart und abschreckend, überrascht dennoch mit ungeahnten Facetten. Und auch bei den Protagonisten zerstört die Autorin im Laufe der Geschichte das Bild, das sich in unserem Kopf festgesetzt hat.

Alles in Allem handelt es sich bei "Wie viel von diesen Hügeln ist Gold" um eine einzigartige Geschichte, die den Leser:innen Themen von aller größter Relevanz vor Augen führt und damit genau den Nerv der Zeit trifft. Definitiv ein must read.

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Veröffentlicht am 04.07.2021

Umwerfender Schreibstil, doch ein wenig verschenktes Potential

Der Brand
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Die Hochzeit zwischen Rahel und Peter ist schon beinahe 30 Jahre her. Mit gemeinsamen Hobbies, einer gemeinsamen Wohnung und zwei Kindern mag es so scheinen, als wären die beiden mitten im Leben angekommen, ...

Die Hochzeit zwischen Rahel und Peter ist schon beinahe 30 Jahre her. Mit gemeinsamen Hobbies, einer gemeinsamen Wohnung und zwei Kindern mag es so scheinen, als wären die beiden mitten im Leben angekommen, doch es gibt eine Sache, die Rahel massiv stört und die sie gerne aus der Welt schaffen würde. Denn langsam ist das Liebesleben der beiden eingeschlafen und die Beziehung wirkt viel mehr wie ein Zusammenleben alter Freunde. Nun will Rahel im anstehendem Sommerurlaub dem auf den Grund gehen, und herausfinden, was mit ihr oder Peter nicht stimmt, oder ob die Asexualität und Trockenheit in der Beziehung mit 50 Jahren einfach normal ist.

Das Buch konnte ich sicherlich mit seinem Schreibstil überzeugen, der in der deutschsprachigen Literatur nach seinesgleichen sucht. Man kann sich in den Worten von Daniela Krien stundenlang verlieren, ohne dass es dafür einer reißerischen Geschichte oder einer dramatischen Liebe bedürfte. Selbst wenn die Autorin keine Romane sondern Beschreibungen von Toastern schreiben würde, wäre es immer noch ein Hochgenuss, diese zu lesen. Das umschreibende und die Schwammigkeit des Buches konnten mich auf sprachlicher Ebene voll und ganz begeistern, dennoch muss ich sagen, dass mir in der Geschichte etwas fehlte. Mir war nicht sofort klar was, aber mit zunehmendem Voranschreiten der Geschichte habe ich herausgefunden, dass mir die Spannung fehlt. Denn diese sucht man hier vergeblich. Der Spannungsbogen baut sich langsam auf, entlädt sich allerdings nicht, sondern baut sich mit eben derselben Monotonie und Langsamkeit, mit der er sich aufgebaut hat, auch wieder ab. Das mag sich jetzt vielleicht sterbenslangweilig und wie der Todesstoß für das Buch anhören, doch ich bin damit vollkommen im Reinen. Denn neben dem umwerfenden Schreibstil kann die Autorin auch mit philosophischen Denkanstößen aufwarten. Man überrascht sich selbst während des Lesens immer wieder dabei, wie man sich selbst mit Peter und Rahel vergleicht, vor allem aber, wie weit die politischen und gesellschaftlichen Ansichten voneinander abweichen. Hier muss ich sagen, dass ich in vielen Punkten den beiden - vor allem aber Rahel - zustimmen kann, wohingegen man in anderen Situationen deutlich merkt, dass die beiden auf die 50 zugehen. Bei diesen Stellen habe ich dann als siebzehnjähriger auch gemerkt, dass die beiden, vor allem aber Peter in den letzten 5 bis 10 Jahren einige wenige Entwicklungen verpasst haben und auf der Strecke geblieben sind. Im Generellen bin ich auch ein wenig erstaunt, wie weit ich mich mit der Thematik rund um eine gelähmte Liebe zwischen zwei fünfzigjährigen auseinandersetzen kann, und mich doch mit einigem identifizieren kann, auch wenn ich deutlich jünger, queer und single bin.

letztendlich ist der Schreibstil alleine es wert, sich mit der Autorin und der Geschichte auseinanderzusetzen, auch wenn die Handlung etwas ruhiger und nachdenklicher ist.

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Veröffentlicht am 21.06.2021

Ein spannender Roman mit viel Backgroundwissen

Sidonia - Eine teuflische Liebe
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Mitteldeutschland im 16. Jahrhundert: Intrigen und Machtspiele bestimmen das Bild des hessischen Hofes und so scheint es kein Wunder, dass Sidonia von Sachsen sich plötzlich in einer arrangierten Ehe mit ...

Mitteldeutschland im 16. Jahrhundert: Intrigen und Machtspiele bestimmen das Bild des hessischen Hofes und so scheint es kein Wunder, dass Sidonia von Sachsen sich plötzlich in einer arrangierten Ehe mit dem mehr als 10 Jahre jüngeren Erich von Braunschweig wiederfindet. Anfänglich ist Sidonia sogar noch Feuer und Flamme für ihren Ehemann, doch schon bald entpuppt sich dieser als unberechenbarer und grausamer Widerling, der ihr das Leben zur Hölle zu machen droht. Spionage, Giftmorde und Folter werden zur Alltäglichkeit im Versuch, Land und Ehre zu verteidigen. Doch auch irgendwann sind Sidonias Kräfte aufgezehrt.

Im Hinblick darauf, dass es sich bei den Protagonisten um echte historische Persönlichkeiten handelt, kann ich nur den Hut vor der Autorin ziehen. Eine Fülle an historischen Fakten - genau recherchiert - sind perfekt mit einer spannenden Geschichte mit authentischen Protagonisten Verwoben. Die Spannung steigert sich im Laufe des Buches immer mehr, wo am Beginn der Geschichte noch das höfische Schmieden von Ehen im Vordergrund steht zeigt sich schon hier das Potential der Geschichte. Gepaart mit dem ungewöhnlichem Schreibstil - anfangs wirken die Dialoge wie die treibende Kraft de Handlung - fliegt man beim Lesen nur so durch die Seiten. Die Autorin verkauft hier einem den Alltag am Hof und die Einsamkeit einer abgeschiedenen Festung in all seinen Facetten. Und auch Eifersucht, Neid und Hass werden authentisch dargestellt. Einzig und allein an den Protagonisten habe ich mich ein wenig gestoßen. Zwar wirken sie auf mich authentisch, allerdings wurde ich vor allem mit Sidonia nicht ganz warm. Sie blieb mir ein wenig fremd und ich konnte ihre Gedanken und Handlungen nicht immer ganz nachvollziehen. Hier sehe ich noch ein wenig Ausbaubedarf. Nichtsdestotrotz hat das dem Lesefluss keinen Abbruch getan.

Letztendlich kann ich das Buch wirklich weiterempfehlen, vor allem, da es auf historischen Fakten basiert. Man bekommt einen guten Eindruck vom höfischen Leben der damaligen Zeit und erfährt viel über die politischen Hintergründe der damaligen Zeit.

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Veröffentlicht am 26.05.2021

Tanz auf dem Vulkan

Die Tänzerin vom Moulin Rouge
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Louise Weber wächst in einem der typischen Pariser Arbeitervorstädchen auf und ist das harte Leben gewohnt. Mit ihren sechzehn Jahren arbeitet sie nun schon in einer Wäscherei und träumt zwischen gestärkten ...

Louise Weber wächst in einem der typischen Pariser Arbeitervorstädchen auf und ist das harte Leben gewohnt. Mit ihren sechzehn Jahren arbeitet sie nun schon in einer Wäscherei und träumt zwischen gestärkten Hemden und weißen Bettlaken von einer besseren Welt. Ihr Traum ist es, diese in edler Spitzenunterwäsche und mit wehenden Röcken auf der Bühne zu erobern. Da bekommt sie durch einen Zufall die Chance, das biedere Vorortleben hinter sich zu lassen, und in die glitzernde Welt des Pariser Montmartre einzutauchen. Zwischen Bühnenshows, visionären Künstlern und ganz viel Alkohol wird so "La Goulue" geboren. Louise scheint es geschafft zu haben, doch ihr altes Leben in der Pariser Vorstadt streckt noch immer seine kalten Finger nach ihr aus, und "La Goulue" hat Hunger und fordert nach immer mehr. Der Tanz auf dem Vulkan beginnt.

Anfangs hatte ich meine Schwierigkeiten, mich in das Setting einzufügen, aber auch mit dem Schreibstil. Die ersten 30 Seiten des Buches mögen für Leserinnen und Leser ein wenig trocken erscheinen, doch die Autorin scheint hier über ihren eigenen Schatten zu springen, denn der Schreibstil entwickelt sich zu einem bunten Feuerwerk, in dem jeder Moment seine Aufmerksamkeit bekommt. Fruchtig, bunt und umschreibend, so lässt sich dieser letztendlich am besten beschreiben, und untermalt dabei perfekt das Leben in Paris, in das unsere Protagonistin eintaucht. Das Setting, anfangs noch ein wenig holprig, entwickelt sein Eigenleben und zieht Leserinnen und Leser in seinen Bann. Der Montmartre, das pulsierende Szeneviertel von Paris, erstrahlt in all seiner Pracht und man kann sich die bunten Theater und Lokale sehr gut vorstellen. Was die Protagonisten betrifft, bin ich ein wenig zwiegespalten. So ist Louise auf der einen Seite an weiten Stellen des Buches, vor allem mit zunehmendem Erfolg, egoistisch und nicht gerade sympathieerweckend. Auf der anderen Seite ist ihr Charakter aber unglaublich facettenreich gestaltet, da es immer wieder zu einem Wechsel zwischen den einzelnen Gesichtern von "La Goulue" kommt. Und eben dieser nicht vollkommene Charakter macht sie besonders authentisch. Man kauft der Autorin ab, dass Louise Weber, die ja nicht aus den Gedanken von Tanja Steinlechner entsprungen ist, diesen sprunghaften Charakter hatte. Aber auch der Großteil der Nebenfiguren kommt nicht zu kurz, ein Teil von ihnen ist ebenso gut ausgearbeitet und interessant gestaltet wie Louise. Mit den Nebencharakteren sind wir auch schon beim nächsten Punkt. Ein großer Teil von ihnen hat ebenfalls im Paris des späten 19. Jahrhunderts gelebt und so trifft auf eine Fülle von Pariserinnen und Parisern der damaligen Kunst- und Schaustellerszene. Kritisieren muss ich dabei, dass diese in mir ein Interesse und das Bedürfnis geweckt haben, mehr über sie zu lesen, während bei einigen dieser Protagonisten die Beschreibungen der Autorin recht knapp ausgefallen sind. Das ist auch der einzige Punkt, den ich an den Recherchearbeiten der Autorin kritisieren kann. Louises Geschichte und Charakter sind so gut untermauert, dass man als Leser der Autorin es abnimmt, dass es sich dabei um Louise Weber handelt, auch wenn man davor nichts zu ihr gelesen hat. Hier ist die Autorin einfach zu sehr auf Louise und ihre Biografie konzentriert, sodass die anderen historischen Persönlichkeiten und auch das Paris der 1880er Jahre einfach ein wenig zu kurz gerät.

Letztendlich konnte mich das Buch aber nach einigen kleinen Startschwierigkeiten dennoch fesseln und ich muss insbesondere die Gestaltung von "La Goulue" loben, auch wenn diese zeitenweise recht anstrengend war. Aber man kann nicht leugnen, dass die Protagonistin Emotionen weckt und einen bei ihrem Tanz mitreißt.

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Veröffentlicht am 16.11.2023

Dystopische Geschichte mit aktuellem Hintergrund

Der Apparat
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Das Internet wurde nie erfunden. Stattdessen wurde die Teleportation erfunden, verbessert, optimiert. In mehreren Sequenzen verfolgt man Schritt für Schritt diese Neuerungen der Geräte und die Veränderungen, ...

Das Internet wurde nie erfunden. Stattdessen wurde die Teleportation erfunden, verbessert, optimiert. In mehreren Sequenzen verfolgt man Schritt für Schritt diese Neuerungen der Geräte und die Veränderungen, die sie in der Gesellschaft hervorrufen.

Das Cover des Buches ist ein absoluter Eyecatcher und hat mich nicht nur auf das Buch aufmerksam gemacht, sondern auch mich letztendlich davon überzeugt, dass Buch zu kaufen und zu lesen, obwohl es von dem abweicht, was ich sonst so bevorzuge. Der Aufbau des Buches in in sich abgeschlossene Episoden erinnert doch sehr stark an Kurzgeschichten, die ich normalerweise nicht so sehr schwätze, da dabei meiner Meinung nach sehr viel Potential hinsichtlich des Aufbaus einer Verbindung zwischen Lesenden und den Protagonist:innen verloren geht. Dennoch sind in diesem Fall Sprache und Atmosphäre so einprägsam und wunderschön zu lesen, dass dieser Kritikpunkt nicht großartig ins Gewicht gefallen ist. Mitunter, weil die Protagonist:innen nichts weiter sind als Figuren, Augen, durch die man den Fortschritt der Technik und die Veränderung der Welt beobachten kann, die nach ihrem Auftritt allerdings wieder in der Bedeutungslosigkeit verschwinden. Jedenfalls kommt das Buch ohne prägnante Charakterzeichnungen sehr gut aus.

Anregend ist das buch vor allem dahingehend, dass die Überschneidungen zum Internet unübersehbar sind. In einem vermeintlich unvermeidbaren Prozess verändern sich die Werte der Gesellschaft, nicht zum Positiven und selbstzerstörerisches und manipulatives Verhalten wird ohne zu zögern in Kauf genommen.

Und so ist das Buch ein interessanter Abriss darüber, wie die Welt sich eventuell noch verändern mag, für diejenigen, die mit Kurzgeschichten sehr gut leben können.

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