Was für ein grandioser Roman, der zum Nachdenken anregt
Wie du mich siehst„Mit dem Kopftuch habe ich die Kontrolle, verstehst du? Ich kann bestimmen, wer mich sieht. Wie andere mich sehen. Ich glaube nicht, dass es was für jeden ist“, sagte ich achselzuckend. „Ich kenne Mädchen, ...
„Mit dem Kopftuch habe ich die Kontrolle, verstehst du? Ich kann bestimmen, wer mich sieht. Wie andere mich sehen. Ich glaube nicht, dass es was für jeden ist“, sagte ich achselzuckend. „Ich kenne Mädchen, die gezwungen werden, Kopftuch zu tragen, und es hassen. Das ist total schlimm. Natürlich bin ich nicht der Meinung, dass Mädchen oder Frauen, die es nicht wollen, mit Kopftuch rumlaufen sollten. Aber ich persönlich finde es gut“, sagte ich.
Tahereh Mafi kannte ich bereits von dem Roman „Shatter Me“ und muss ganz ehrlich zugeben, dass mir diese Geschichte nicht zugesagt hat. Bei diesem Roman war ich allerdings bereits bei dem ersten Kapitel überrascht, dass mich der Schreibstil in Bann gezogen hat. Die Autorin beschreibt hier mit sehr viel Feingefühl wie es für eine junge Muslima ist in Amerika aufzuwachen. Im Nachwort steht, dass die Autorin hier einige autobiographische Erlebnisse schildert und die Authentizität habe ich eindeutig gemerkt.
Die Hauptperson des Romans ist Shirin. Sie ist in Amerika geboren und somit eindeutig Amerikanerin. Ihre Eltern kommen allerdings aus dem Iran und sind Muslime. Shirin hat selbst die Entscheidung getroffen ein Kopftuch zu tragen, was ihr den Alltag eindeutig erschwert. In der Schule nimmt sie niemand wirklich war. Alle sehen nur ihr Kopftuch und die Bedrohung, die davon ausgeht. Der einzige, der sie wirklich zu sehen scheint, ist ihr Laborpartner im Biologieunterricht Ocean.
Mit der „Black Lives Matter“ Bewegung sind noch einmal viele Anzeichen von Rassismus diskutiert worden. So muss sich wahrscheinlich jeder an die eigene Nase packen, dass er oder sie auch einmal rassistische Gedanken oder Äußerungen hatte. In diesem Roman finde ich sehr gut, dass er ein Einzelschicksal beschreibt und dabei aufzeigt, dass es auf beiden Seiten Vorurteile geben kann. In einer weißen Welt gibt es viele Vorurteile vor Frauen, die ein Kopftuch haben und hier wird deutlich, dass jede Frau individuelle Gründe haben kann dieses zu tragen. Auf der anderen Seite kann es genauso Vorurteile geben, wenn unterstellt wird, dass wir einem Kopftuch mit negativen Gefühlen begegnen. Shirin muss sich selbst einmal eingestehen, dass andere sie zwar nicht wirklich wahrnehmen, aber sie die anderen Mitschüler dafür auch nur als weiße Masse sieht.
Neben den Gedanken zu Rassismus wird in dem Roman allerdings primär eine wunderschöne Liebesgeschichte erzählt. Eine Liebesgeschichte, die viele Hürden überwinden muss und immer wieder an der Realität zu scheitern scheint. Ich mochte diese realistische Darstellung und dass hier nichts durch eine rosarote Brille erzählt wird. Es werden hier viele Gegensetzte dargestellt, von denen die Handlung eindeutig lebt.
Wenn jetzt hier der Eindruck entsteht, dass das Buch schwerfällig zu lesen ist, dann ist dieser falsch. Durch den angenehmen Schreibstil fliegen die Seiten nur so dahin. Außerdem hat Shirin auch sehr lockere Seiten. Sie liebt Mode und schneidert sich ihre eigenen Klamotten. In ihrer Freizeit übt sie Breakdance und mit ihrem Vater probiert sie ein Do-It-Yourself Projekt nach dem anderen aus. Trotz Vorurteile und Kopftuch ist sie letztendlich eine ganz normale Jugendliche.
Mich hat das Buch begeistert und ich hatte es innerhalb eines Tages ausgelesen. Auch wenn ich das Gefühl habe, aufgeklärt und belesen zu sein, habe ich hier noch ein paar neue Gedankenansätze zum Thema Rassismus für mich mitgenommen. Ich denke, dass ich hier noch einige Tage drüber nachdenken werde. Von mir gibt es hier eine ganz klare Leseempfehlung.