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Veröffentlicht am 31.05.2021

Atmosphärischer Krimi

Kretisches Schweigen
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Ende Mai im Süden Kretas: Am Strand von Frangokastello erwarten zahlreiche Touristen im Morgengrauen die Drosoulites - die Seelen des Taus - beobachten zu können. Einer alten Legende zur Folge erscheinen ...

Ende Mai im Süden Kretas: Am Strand von Frangokastello erwarten zahlreiche Touristen im Morgengrauen die Drosoulites - die Seelen des Taus - beobachten zu können. Einer alten Legende zur Folge erscheinen die Seelen der getöteten Freiheitskämpfer und schweben über dem Stand in Richtung der alten Festung.
Die Seelen erscheinen leider nicht, aber beim Bau einiger Windschutze werden menschliche Knochen gefunden. Schnell stellt sich heraus, dass die Knochen keine hunderte von Jahren alt sind. Die Mordkommission aus Chania ermittelt, aber die Alten, die Traditionsbewussten, wollen die Knochen und den Strand verteidigen.


Dieser atmosphärische Krimi über Kreta insbesondere den Süden Kretas hat mir sehr gut gefallen. Mehrere verzwickte Mordfälle auf historischen Boden bereiten der Mordkommission, Michalis Charisteas und seinem Kollegen Pavlos Koronaios, einige Probleme. Die beiden Kommissare sind sehr unterschiedlich, aber auch sehr fein gezeichnet. Ich vermute, sie verkörpern verschiedene heutige Lebensweisen auf Kreta. Sie leben und arbeiten beide in der Stadt, so dass ihnen die Denkweise der Bevölkerung im ländlichen und rauen südlichen Teil fremd ist.
Aber vor Ort werden sie von einem erfahrenen Revierleiter der Polizei Sfakia unterstützt. Überhaupt funktioniert die Zusammenarbeit zwischen der Mordkommission und dem Revierleiter erstaunlich gut. Der Revierleiter verschafft sich immer wieder Respekt von den schweigenden und uneinsichtigen meist männlichen Einwohnern.
Neben den Kriminalfällen, die kompliziert und undurchsichtig sind, erhalten wir einen ungeschminkten Einblick in die Geschichte, den harten Überlebenskampf und den daraus resultierenden immensen Stolz der Menschen in dieser Region. Unstimmigkeiten und Probleme werden sie unter sich lösen, und zwar so, wie sie es Jahrhunderte lang erledigen mussten.
Dem Autor ist es gelungen die Beschreibung der Landschaft, die Skizzierung der Eigenheiten der Menschen realistisch aufzubereiten. Ich bin selbst vor 2 Jahren die Strecke von Chania bis nach Chora Sfakia mit den Auto gefahren und fand die Beschreibung der Landschaft, der Straßenführung und der Tavernen sehr real, nur das Schweigen der Kreter habe ich nicht erlebt, Ich war ja auch nicht Polizei und wollte keinen Mord aufklären. Die Menschen waren freundlich und zuvorkommend.
Für mich ist dieser Krimi eine runde Sache, spannender Krimi, geschichtlicher und traditioneller Hintergrund beleuchtet und noch eine spannende Liebesgeschichte zwischen einem Kreter und einer Deutschen, die noch nicht zu Ende erzählt wurde.
Ich freue mich auf mehr.

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Veröffentlicht am 19.05.2021

Herzzerreißend und tröstlich zugleich

Fritz und Emma
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Der neue Pfarrer Jakob Eichendorf und seine Frau Marie erleben die ersten Wochen in Jakobs neuer Gemeinde Oberkirchbach sehr unterschiedlich. Jakob fühlt sich endlich angekommen, während Marie sich abgeschnitten ...

Der neue Pfarrer Jakob Eichendorf und seine Frau Marie erleben die ersten Wochen in Jakobs neuer Gemeinde Oberkirchbach sehr unterschiedlich. Jakob fühlt sich endlich angekommen, während Marie sich abgeschnitten von Arbeit und kulturellem Leben sieht.
Jetzt steht die 750 Jahresfeier an. Nach anfänglichem Fremdeln stürzt Marie sich in die Planung und Vorbereitung der Feierlichkeiten. Nun bietet sich die Gelegenheit die Menschen, Alteingesessene genauso wie Neuhinzugezogene, kennenzulernen.
Marie und auch wir Leser lernen Fritz und Emma kennen, ihren Liebes-wie auch ihren Leidensweg.



Ich weiß „Herzzerreißend und tröstlich zugleich“ ist ein Zitat aus der Buchpräsentation, aber ich finde es so passend, dass ich keine andere Überschrift finden konnte.

Der Roman ist soooo schön und hat mich soooo berührt, dass ich ganz begeistert meinem Mann vom Inhalt des Buches erzählt habe. Seine Reaktion: Liebe, Abschied, Krieg, psychische Folgeschäden, Verwüstung, Trennung…….was findest du daran schön und berührend?
Ja, das Leben von Fritz und Emma war hart und auch das Leben von Marie ist kein Zuckerschlecken und all die anderen Dorfbewohner vereinsamen.
Dass die Erzählung herzzerreißend und tröstlich ist, haben wir nur der Autorin zu verdanken.

Leider muss ich immer wieder feststellen, dass mir sehr positive Rezensionen irgendwie schwerfallen, weil ich nicht erklären kann, warum mich dieser Roman so überzeugt hat. Normalerweise hätte mich das Thema „eine Liebe über siebzig Jahre andauernd“ abgeschreckt. Aber schon bei der Leseprobe hat mich dieser Roman angefasst, so dass ich weiterlesen wollte. Ich wurde nicht enttäuscht. Eine rührige, eigentlich zwei rührige Liebesgeschichten werden mitfühlend erzählt, ohne ins triviale oder kitschige abzurutschen.

Man kann diesen Roman sogar als aufmunternden Appell an kleine scheintote Dörfer sehen.
Hey, es braucht nur ein „bisschen“ Eigeninitiative, um ein Dorf wieder aufleben zu lassen. So wie Marie es bewerkstelligt hat, könnte es auch in anderen Dörfern gelingen. Es muss nicht immer gleich eine 750-Jahr-Feier sein. Ich glaube, das Zauberwort ist da wohl die Verjüngung des Vereinslebens und Aktivierung möglichst vieler Einwohner.

Um auf Fritz und Emma zurückzukommen, welch eine wundervolle Liebesgeschichte!

Ich werde gleich nach anderen Büchern von Barbara Leciejewski suchen, denn ich liebe ihren Schreibstil und ihre Art Geschichten zu erzählen.

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Veröffentlicht am 07.05.2021

Authentisch und unterhaltsam

Der Schönheitssalon 1
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Helena Rosenberg kehrt nach Jahren der Abwesenheit wieder zu ihrem Geburtshaus ins Berlin der 1925er Jahre zurück. Ihr Vater, Inhaber einer Apotheke an der Friedrich Straße, ist gestorben und hat ihr und ...

Helena Rosenberg kehrt nach Jahren der Abwesenheit wieder zu ihrem Geburtshaus ins Berlin der 1925er Jahre zurück. Ihr Vater, Inhaber einer Apotheke an der Friedrich Straße, ist gestorben und hat ihr und ihrer Halbschwester Charlotte, von deren Existenz Helene erst jetzt erfahren hat, je zur Hälfte das Erbe festgelegt.

Das Erbe, bestehend aus Haus und Apotheke, ist belastet mit einem riesigen Berg Schulden. Charlotte ist nicht begeistert dieses Erbe auch noch mit ihrer Schwester teilen zu müssen.


„Ein mitreißender Roman über eine aufregende Zeit, in der alles möglich war.“

Diesem Zitat kann ich mich vollkommen anschließen. Ich habe den Roman in vier Tagen gelesen und warte jetzt ungeduldig auf die Fortsetzung.

Nora Elias hat sehr kurzweilig und geschickt die Geschichte des Mädchens aus der Provinz mit dem aufregenden Leben im Berlin der 20er Jahre verknüpft. Die Hektik und die Aufbruchsstimmung dieser Zeit hat sie gekonnt mit eingewoben. Auch die Stimmen der Endsieg-Befürworter und die seelischen Schäden des Krieges finden ihren Platz in der Geschichte.

Wer Babylon Berlin gesehen hat, fühlt sich in diesem Roman gleich wieder zu Hause, nur mit dem Unterschied, dass wir jetzt die gehobene Schicht kennenlernen. Die Protagonisten gehören nicht zum Adel, aber bemühen sich wenigstens dem Geldadel nah zu kommen.

Charlotte und ihre Freundin Paula haben nicht viel Geld, Charlotte sogar so viel Schulden, dass sie eigentlich nicht weiß, wie es weiter gehen soll, aber sie lassen es sich im Berliner Nachtleben gut gehen und von flüchtigen Bekanntschaften aushalten. Wenn man nicht alles einsetzen will und als leichtes Mädchen gelten will, ist ihr Vergnügen sehr riskant.

Auch Helena ist vielen Gefahren ausgesetzt, aber sie geht ihren eigenen Weg. Sie lässt sich von den finanziellen Problemen nicht entmutigen und kreiert ihre eigene Kosmetik.
Mehr möchte ich hier nicht verraten, nur soweit, es ist richtig lesenswert.

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Veröffentlicht am 25.04.2021

Starker Thriller

Sommernacht
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Julia Keegan und Will Slater, Aufsehenerregendes, gutaussehendes und erfolgreiches Paar, zelebrieren ihre durchgestylte Hochzeit auf einer unbewohnten irischen Insel.
Die Hochzeitsfeierlichkeiten werden ...

Julia Keegan und Will Slater, Aufsehenerregendes, gutaussehendes und erfolgreiches Paar, zelebrieren ihre durchgestylte Hochzeit auf einer unbewohnten irischen Insel.
Die Hochzeitsfeierlichkeiten werden nicht nur von einem heftigen Gewittersturm nd Stromausfällen sabotiert, sondern auch von Lügen, überraschenden Wahrheiten, Verletzungen und Geheimnissen.

Kann das gutgehen?




Am Anfang hat mir der ständige Wechsel zwischen Gegenwart und den Geschichten der einzelnen Protagonisten gestört. Ich fühlte mich irgendwie gebremst und musste mich dem Rhythmus der Erzählerin angleichen.

Der Spannungsbogen wurde aber gleich mit der ersten Situationsschilderung ziemlich hoch angesetzt, was mich am Anfang auch etwas ungeduldig machte. Statt zu stagnieren oder abzuflachen, stieg der Spannungsbogen stetig. Ich konnte das Buch fast nicht mehr aus der Hand legen und wenn man nicht las, kreisten die Gedanken um das Gelesene.

Zu der Handlung möchte ich nichts sagen, um nicht zu spoilern. Nur so viel, sie ist Hammer, auch ein bisschen gruselig und das Ende atemberaubend.

Ein MUSS für jeden Thriller-Liebhaber.

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Veröffentlicht am 25.04.2021

Danke, endlich Geschichte(n) aus verschiedenen Perspektiven

Jaffa Road
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„Drei Familien, drei Generationen, drei Kulturen – und ein gemeinsames, bewegendes Schicksal“
Nina Zimmerman, Enkelin des als verschollen geltenden Moritz Reincke, wird von einem italienischen Notar aufgefordert ...

„Drei Familien, drei Generationen, drei Kulturen – und ein gemeinsames, bewegendes Schicksal“
Nina Zimmerman, Enkelin des als verschollen geltenden Moritz Reincke, wird von einem italienischen Notar aufgefordert nach Palermo zu kommen um ihr Erbe anzutreten. In Palermo trifft sie nicht nur auf ihre jüdische Tante Joelle, sondern auch auf Elias Bishara, Palästinenser aus Jaffa.
Statt Antworten wirft dieses Zusammentreffen immer mehr Fragen auf.


Viele gutrecherchierte historische Romane haben meinen geschichtlichen Horizont immer mal wieder etwas erweitert, aber keiner hat mich bisher so überrascht, gefesselt und mir ein neues tiefes Verständnis für die nicht zu lösende Situation im Nahen Osten vermittelt.

1956 geboren, bin ich mit den explosiven und kriegerischen Auseinandersetzungen aufgewachsen. Als deutsche Schülerin ist mir im Geschichtsunterricht über die Eisenzeit, das Mittelalter bis hin zum 2. Weltkrieg und der Judenverfolgung Wissen vermittelt worden. Weder in Geschichte noch im Politik-Unterricht wurde die Gegenwartsgeschichte beleuchtet. In der gymnasialen Oberstufe um 1974 hätte man das eigentlich erwarten können. In den Nachrichten konnte man verfolgen, dass der Staat Israel gegründet wurde, dass viele Überlebende der Judenverfolgung eine neue Heimat („das gelobte Land“) fanden und die Palästinenser sich gegen diesen neuen Staat wehren.

Daniel Speck hat dieses Drama, diese Katastrophe, mit den Familiengeschichten dreier Kulturen, die eng miteinander verbunden waren, sichtbar und begreifbar gemacht. Er zeigt auf, dass wir nur unser eigenes Elend sehen und das Elend anderer ausblenden. Dadurch, dass jede Familie, jüdisch, deutsch oder aus Palästina stammend, ihr Schicksal beleuchten konnte, ergibt sich für uns Leser ein vielfältiges neues Bild.

Auch die Bezeichnung „Araber“ hat eine neue Dimension. Mir war bisher nicht bekannt, dass es christliche, jüdische und islamische Araber gibt. Auch die Palästinenser spalten sich in Juden, Christen und Moslems auf. Und wer machte sie zu Feinden?

Die Frage kann dieser Roman natürlich nicht beantworten, aber die fiktiven und realen Geschichten, die Daniel Speck erzählt, zeigen das Elend und den Untergang vieler Menschen meist verursacht durch wenige Fanatiker, die unglücklicherweise Macht erlangten.

Ein super Buch, das jeder lesen sollte, denn unterhaltsamere Aufklärung kann ich mir nicht vorstellen.

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