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Veröffentlicht am 24.07.2021

Ein absolutes Jahreshigliht

Die Unsterblichen
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Was für eine aufregende Geschichte! Chloe Benjamins Idee schrie mich förmlich an, als ich die Frage unter dem Cover gelesen habe. Was würde ich tun, wenn ich wüsste, wann mein Sterbedatum wäre? Ich kann ...

Was für eine aufregende Geschichte! Chloe Benjamins Idee schrie mich förmlich an, als ich die Frage unter dem Cover gelesen habe. Was würde ich tun, wenn ich wüsste, wann mein Sterbedatum wäre? Ich kann euch eins sagen: ich will es nicht wissen! Doch die vier Geschwister Varya, Daniel, Klara und Simon finden die Vorhersage verlockend und begeben sich zu einer Wahrsagerin, die neu im Viertel eingetroffen ist. Von ihr erfahren sie einzeln, wann die jeweilige Person sterben wird. Ab da ändert sich die Beziehung der Geschwister. Wo vorher ein starkes Bündnis war, spalten sie sich auf. Nun leben sie mit dem Wissen, in welchem Alter sie sterben werden und die Frage, die im Raum steht, ist: Wie gehen sie damit um?

Das Buch ist nach dieser Einleitung in vier Teilen aufgeteilt, in der jeweils die Geschichte des Geschwisterteils erzählt wird. Der Fokus liegt somit in den Abschnitten immer auf eine Person, die durch ihren Charakter und ihre Geschichte die Handlung prägen. Der eigentliche Todestag, den die Charaktere wissen, rückt dabei etwas in den Hintergrund. Als Leserin merkt man schon, dass die Figuren sich des Tages bewusst sind, aber die Schwerpunktsetzung während der Erzählung ist dann doch die Entwicklung der einzelnen Person. Das ist an sich gar nicht mal schlecht, auch wenn ich die Vorstellung hatte, dass der Todestag mehr Aufmerksamkeit bekommen würde. Doch gerade die Hervorhebung der individuellen Entwicklungsgeschichte gibt dem Roman eine gar philosophisch anmutende Fragestellung, die mir sehr gefallen hat. Vielleicht ist es nicht wichtig zu wissen, WANN man stirbt, sondern WAS man aus seinem Leben macht? Gedanken und Wissen prägen die Geschichte stark und werfen viele Punkte auf, die man gerne als Lesender weiterdenken kann. Das ermöglicht eine Beschäftigung über die Handlung hinaus. Grandios!

Chloe Benjamins Buch ist nicht nur Unterhaltung, sondern vor allem ein Gedankenspiel, welches sie in vierfacher Form geführt hat und somit verschiedene Sichtweisen darstellt. Die Figuren sind alle bewusst verschieden konstruiert, sodass das Lesepublikum eine große Bandbreite der Möglichkeiten bekommt. Letztlich ist der Autorin Roman gelungen, der gut geschrieben ist, unterhält, die Zeit verfliegen lässt und die Gedanken anregt. Ein absolutes Jahreshighlight!

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Veröffentlicht am 21.06.2021

Genialer zweiter Teil

Palais Heiligendamm - Stürmische Zeiten
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Im zweiten Band der Palais Heiligendamm-Reihe von Michaela Grünig geht es historisch richtig rund. Beginnend im Jahre 1922 begleiten wir die Familie Kuhlmann bis ins Jahr 1933. Wie ihr sicherlich wisst, ...

Im zweiten Band der Palais Heiligendamm-Reihe von Michaela Grünig geht es historisch richtig rund. Beginnend im Jahre 1922 begleiten wir die Familie Kuhlmann bis ins Jahr 1933. Wie ihr sicherlich wisst, sind das historisch gesehen sehr turbulente Jahre, die in eine grausame Zeit des Schreckens führten. Das Buch ist gerade durchzogen von geschichtlichen Ereignissen und historischen Persönlichkeiten, die die beschriebenen Geschehnisse authentisch nachvollziehbar machen. Im Roman wird neben dem ansteigenden Antisemitismus, der auch die Familie Kuhlmann indirekt betrifft, auch über die Homosexuellenfeindlichkeit generell gesprochen. In dem zweiten Teil wird die Problematik der Zeit, gegen die homosexuelle Menschen anstehen müssen, deutlich mehr thematisiert. Auch die Liebe zwischen zwei Männern rückte in diesem Band in den Vordergrund, wobei die Beziehung auch mit einigen externen, aber auch internen Schwierigkeiten einhergeht. Während im ersten Band der Fokus eher auf Elisabeth lag, hat Paul in „Stürmische Zeiten“ eine größere Rolle. Er sorgt aber auch für viele Probleme, die vor allem mit seinem neuen Kreis aus NSDAP-Mitgliedern einhergeht.

Der zweite Band übertraf den ersten Band noch einmal. Die Ereignisse wurden zunehmend politischer und brisanter. Gerade da jeder/jedem bekannt ist, welche Zeiten nun auf die Familie Kuhlmann zukommen werden, fand ich es umso interessanter zu sehen, wie sie in der Zeit vor dem Nazi-Regime agierten. Dabei wurde authentisch dargestellt, wie sie sich positionierten. Es gab keine verschönerte, vollkommen gegnerische Darstellung, sondern eine vielschichtige Sichtweise auf die Zeit und das Verhalten der Familie. Gerade diese Ambivalenz zwischen Geschäftsdenken und politischer Haltung fand ich sehr glaubwürdig. Grünig gelingt es, ein Stimmungsbild der Zeit zu entwerfen, der verständlich macht, wie es zur Pauls Wandlung oder den Handlungen von Elisabeth kam.

Die Figuren wurden mir in diesem Teil noch vertrauter und man erfuhr viel mehr über ihre einzelnen Sichtweisen. Sie verhielten sich meist nicht gradlinig, sondern wurden aus mehreren Verhaltensweisen zusammengesetzt, die sie authentischer machten. Die Zeitsprünge verliehen der Geschichte mehr Festigkeit. Sodass wurden Ereignisse hervorgehoben, die wichtig für die Handlung waren, ohne zeitlich alles eng zu takten. Über 10 Jahre führt die zeitliche Erzählung und kann somit erneut viel Drama und Intrigen liefern. Gleichzeitig bot Grünig durch Dialoge eine Aufklärung für die politische Lage der Zeit, sodass auch verständlich wurde, wie einiges zustande kam.

Michaela Grünigs Reihe hat mich vollkommen in ihrem Bann. Beide Teile konnten mich bisher sehr überzeugen und steigern meine Vorfreude auf Band 3, welches leider erst im Januar 2022 erscheinen wird.

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Veröffentlicht am 14.06.2021

Wiederentdeckung der Naturforscherin Maria Sibylla Merian

Frau Merian und die Wunder der Welt
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Maria Sibylla Merian war eine bedeutende Naturforscherin des 17. Jahrhunderts, die sich vor allem mit der Erforschung von Insekten beschäftigte. Trotz dessen sie schon während ihrer Zeit berühmt und bekannt ...

Maria Sibylla Merian war eine bedeutende Naturforscherin des 17. Jahrhunderts, die sich vor allem mit der Erforschung von Insekten beschäftigte. Trotz dessen sie schon während ihrer Zeit berühmt und bekannt war und wurde bis ins 19. Jahrhundert dafür auch gewürdigt. Doch dann geriet sie lange Zeit in Vergessenheit. Erst gegen Ende des 20. Jahrhunderts entdeckte man sie wieder. Zum Glück!

Ruth Kornberger schrieb mit dem Roman „Frau Merian und die Wunder der Welt“ eine fiktive Geschichte über diese interessante Forscherin. Basierend tut das Buch auf dem Leben Merians und hält sich schon relativ nah an den Fakten. Dennoch ist der größte Teil erdacht und bietet somit eher eine Geschichte, die der Fantasie der Autorin entsprungen ist. Meiner Meinung nach wirkt der fiktive Teil authentisch, da Merian als Frau der damaligen Zeit Unternehmungen in Angriff nahm, die oftmals in der Schule als unwahrscheinlich galten. Generell werden Frauen und ihre Geschichten im Schulunterricht und auch noch in der Universität heutzutage getilgt. Der Stoff, den viele in Deutschland lernen, verschweigt oft die bedeutenden Taten der vergangenen Frauen. Gerade deshalb ist mir der Roman „Frau Merian und die Wunder der Welt“ ein besonderes Anliegen gewesen. Ich kannte vorher Maria Sibylla Merian überhaupt nicht. Dank dem Roman, der mich auf spielerische Weise mit ihr bekannt machte, ist mein Interesse geweckt worden, mehr über sie zu erfahren.

Der Schreibstil gefiel mir auch besonders gut. Gerade da ich in der Vergangenheit mehrere Geschichten über reale Frauen gelesen habe, fiel mir auf, dass Kornberger die Fantasie besonders gut anregen konnte. Der Roman erschuf Bilder in meinem Kopf, sodass ich mich in die Zeit versetzen konnte. Ich konnte die Atmosphäre sehr gut nachempfinden und habe mich sehr unterhalten gefühlt. In anderen Büchern war es oft sehr theoretisch und zu konstruiert. In diesem Werk war das Fiktive mit dem Realen geschickt verbunden worden, sodass die Grenzen verschwommen.

Außerdem fand ich es sehr interessant mal einen Roman im Setting um 1700 zu lesen, da die gesamte Welt eine andere entsprach und somit herrlich erfrischend war. Natürlich lag das vor allem daran, dass Merian um diese Zeit lebte, aber dennoch gefiel es mir sehr gut. Auch die Darstellung der Hauptprotagonistin war sehr authentisch. Sie war keine Frau, die abhängig von einem Mann war, sondern selbst die Dinge in die Hand nahm. Zudem kam die Beschreibung zu ihrem Werk mit den Insekten und auch mit der Zeichnung von Pflanzen nicht zu kurz. Der Hauptfokus der Geschichte lag auf Maria Sibylla Merian und ihrer Arbeit. Die anderen Geschehnisse wurden geschickt drum herum drapiert, sodass ganz klar wurde, dass Merian mit diesem Roman gewürdigt werden sollte. „Frau Merian und die Wunder der Welt“ erfüllt genau, was meine Vorstellungen erwartet haben. Ich bin gespannt, welche schönen Romane uns die Autorin noch präsentieren wird.

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Veröffentlicht am 01.06.2021

Eine schöne Variante der Geschichte von Mileva Marić

Frau Einstein
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Im KiWi-Verlag erschien 2018 „Frau Einstein“ und lag nun seit etwas längere Zeit auf meinen SuB. Doch als ich gesehen habe, dass Marie Benedict „Lady Churchill“ rausbrachte, habe ich mir mal ihren ersten ...

Im KiWi-Verlag erschien 2018 „Frau Einstein“ und lag nun seit etwas längere Zeit auf meinen SuB. Doch als ich gesehen habe, dass Marie Benedict „Lady Churchill“ rausbrachte, habe ich mir mal ihren ersten Bestseller zur Hand genommen.

Die Geschichte von Mileva Marić war mir bislang eigentlich überhaupt nicht bekannt. Ich muss ehrlich gestehen, dass ich nicht mal von ihrer Existenz wusste. Umso schöner fand ich es, dass Marie Benedict diesen Roman über sie geschrieben hat und somit die Möglichkeit bietet, dass ein breites Publikum über eine bemerkenswerte Frau zu erfahren. Denn Mileva Marić war ebenfalls Physikerin und damit eine der ersten Frauen in einer sonst männlich dominierten Welt, die sich ihre Bildung erkämpfte.

Der Roman bietet einen guten Einstieg und Überblick über das Leben von Mileva Marić. Natürlich muss beachtet werden, dass die Autorin sich zwar auf historische Fakten beruft und einige Dinge tatsächlich stattgefunden haben, aber im Endeffekt die gesamte Darstellung dennoch ein Konstrukt der Fantasie der Autorin ist. Demnach sollte man nicht wortwörtlich alles glauben, aber es wirkt schon relativ authentisch. Zudem kann man bei der eigenen Recherche feststellen, dass einige Punkte im Lebenslauf von Marić wirklich stattgefunden haben, die mich bei der Lektüre sehr mitgenommen haben. Benedict schafft es, Gefühle im Text zu transportieren und einen beim Lesen mit auf die Reise zu nehmen. Mit meinem jetzigen Denken erhoffte ich mir doch manchmal eine noch selbstständigere Frau, aber ob das um die Jahrhundertwende authentisch gewesen wäre, zweifle ich doch stark an. Demnach finde ich Benedicts Darstellung schon sehr überzeugend, da sie in sich auch schlüssig war.

Ich mochte das Buch wirklich gerne und finde den Schreibstil der Autorin auch sehr angenehm. Leider kann im Nachhinein nicht mehr festgestellt werden, wie und ob Mileva Marić Anteil an Albert Einsteins Erforschungen hatte. Jedoch fände ich es wahrscheinlich und würde mich natürlich darüber freuen. Im Endeffekt bleibt es aber ein Geheimnis und solange kann man sich dieses Szenario zumindest mit „Frau Einstein“ erträumen.

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Veröffentlicht am 26.05.2021

Ein Meisterwerk

Viktor
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Kennt ihr das, wenn ihr einen Protagonisten gerne als Freund/Kumpel hättet? So ging es mir mit Victor. Er ist ein Mensch mit einem großen Herzen, der zwar oft das ein oder andere Frauenherz zerbricht, ...

Kennt ihr das, wenn ihr einen Protagonisten gerne als Freund/Kumpel hättet? So ging es mir mit Victor. Er ist ein Mensch mit einem großen Herzen, der zwar oft das ein oder andere Frauenherz zerbricht, aber dafür für seine Familie, seine Freunde und alle wehrlosen Menschen selbstlos eintritt. Victor ist ein Überlebenskünstler, der sich mit charmanten Witzen und manchmal auch gar frechen Ausflüchten zu helfen weiß. Das stößt seinen eher konservativen Vater schon oftmals vor den Kopf. Aber im Herzen sind sie sich nah. Doch was sich anhört wie eine amüsante Geschichte über einen liebenswürdigen Draufgänger, ist tatsächlich so viel mehr. Denn Victor ist ein Verwandter der Studentin Geertje, die gerne ihre jüdischen Wurzeln erkunden möchte und so auch auf die Geschichte ihres Vorfahren stößt. Im Jahr 1994 in Nimwegen findet Geertje als Judith nach und nach zum Judentum und setzt sich mit der Schoah auseinander, die jahrelang von ihrer Familie verschwiegen wurde. Die Ermordung von Familienmitgliedern wird nicht beim Namen genannt, sondern nur erwähnt, dass sie nicht mehr leben. Ihre Familie möchte die Vergangenheit hinter sich lassen, während Judith sie unbedingt entdecken will.

Die Autorin Judith Fanto erzählt vom Leben Victors in Wien in den Anfängen des 20. Jahrhunderts und die Suche von Judith in den Niederlanden Ende des 20. Jahrhunderts. Abwechselnd werden die verschiedenen Erzählungen präsentiert und verzweigen sich nach und nach immer mehr. Die Geschichten wirken wie ein Flickenteppich, der zunächst zusammenhanglos auf einem Haufen liegt und immer enger verwebt wird, desto weiter das Buch geht. Der Erzählstil von Judith Fanto ist fesselnd und ergreifend. Er weckt die Gefühle der Protagonisten in einem selbst und lässt die verschiedenen Handlungsweisen verstehen. Gleichzeitig dient er als Zeugnis für die Verfolgung der Juden und gleichzeitig die Handhabung der folgenden Generationen mit diesen schrecklichen Erlebnissen innerhalb ihrer Familie. Außerdem lernt der/die Leser*in eine Menge über die jüdische Tradition und gewährt einen Einblick in das Leben einer Familie, die selbst bestimmen möchte, als was sie sich darstellen. Die Figuren sind vielseitig und wirken sehr real. Dadurch fühlt man eine Verbundenheit mit ihnen, die einen tief ins Herz geht. Fanto schafft es beim Lesenden einen Nachhall der erzählten Geschichte zu bewirken. Man möchte dieses Buch nicht loslassen, doch gleichzeitig ist es so schnell gelesen, dass man schließlich davorsitzt und innehalten muss. „Victor“ ist nicht einfach nur ein Buch, es ist eine Erzählung von Leben, die genauso stattfinden können und die einen durch den Schreibstil der Autorin tief berühren.

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