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Veröffentlicht am 26.06.2021

Murphys Gesetz

Verreisen mit Urne
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Louise ist Journalistin für ein drittklassiges Frauenmagazin, lebt in einer WG, deren andere Bewohner sie kaum kennt, hat zwei Katzen und einen Haufen Schulden, die ihr Ex in ihrem Namen gemacht hat. Außerdem ...

Louise ist Journalistin für ein drittklassiges Frauenmagazin, lebt in einer WG, deren andere Bewohner sie kaum kennt, hat zwei Katzen und einen Haufen Schulden, die ihr Ex in ihrem Namen gemacht hat. Außerdem versorgt sie ihren alten einsamen Nachbarn Archie Wyndham seit seinem Herzinfarkt täglich mit selbstgekochter Suppe, die er sich beharrlich weigert zu essen. Als Archie stirbt, erlebt Louise eine Überraschung – er hat ihr 200.000 £ hinterlassen. Allerdings ist mit dem Erbe eine „kleine“ Aufgabe verbunden. Sie muss Archies Asche zusammen mit dessen Sohn Rick auf Mallorca im Meer verstreuen, die Reiseroute inkl. Zwischenstopps und Verkehrsmittel sind bereits organisiert. Doch „Wenn Sie nicht am Mittwoch um 22 Uhr am Hafen in Barcelona auftauchen, gilt die Mission als gescheitert.“ (S. 31)

Die Aufgabe klingt machbar, wenn Rick nur nicht so ein überheblicher, reicher, verwöhnter und allein lebensunfähiger Idiot wäre – findet Louise. Allerdings ist seine Meinung von ihr auch nicht viel besser, wenigstens darin sind sie sich einig. „Sie sind nur meine Babysitterin, weil er mir nicht traut.“ (S. 38)
Und überhaupt, was hat sich Archie dabei überhaupt gedacht?! Ziemlich viel, stellen sie im Laufe der Reise fest. Archie schickt sie zu Stationen seines Lebens, Familienangehörigen und alten Freunden, die Rick entweder längst vergessen hat oder noch nicht kannte, sogar ein paar alte Geheimnisse werden gelüftet. Und mit der Zeit ändert sich ihr Bild über einander und Archie …

Ich bin ehrlich, aufgrund des (mir zu bunten) Covers hätte ich das Buch fast übersehen, aber der Titel hat mich dann doch so neugierig gemacht, dass ich mir den Klappentext angesehen habe – mein Interesse war geweckt. Und was soll ich sagen, meine Erwartungen wurden nicht enttäuscht. „Verreisen mit Urne“ ist frisch und spritzig geschrieben, die Dialoge sind einfach köstlich und auch die Abenteuer der beiden Streithähne haben mich sehr amüsiert. Denn natürlich regiert Murphys Gesetzt – was immer schiefgehen kann, geht schief. Dass Louise und Rick so verschieden sind, macht den besonderen Reiz des Pärchens aus, außerdem ergänzen sie ergänzen sich perfekt. Wenn Rick mal wieder nicht weiterweiß oder von einer Situation überfordert ist, kommt Louise‘ praktische Ader zum Tragen. Außerdem spricht sie mehrere Sprachen, was auf einer Reise quer durch Europa sehr praktisch ist. Mit hat auch gefallen, wie die Autorin Sandra Schipper die beiden Gegenspieler – Louise Chefin und Ricks Verlobte – in die Handlung einbringt, die wiederum jeweils ganz eigene Pläne verfolgen.

Wer ungewöhnliche Chick-Lit mag, die gern auch ernstere Themen behandeln und tiefer gehen darf, liegt bei diesem Buch garantiert richtig. Ich werde die Autorin auf jeden Fall im Auge behalten.

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Veröffentlicht am 20.06.2021

Jede Frau hat ein kleines (Schönheits-)Geheimnis

Die Damen vom Pariser Platz
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Wenn man als junge Frau in den 1920ern aus der Provinz nach Berlin kam, träumte man normalerweise von einer Karriere beim Film oder wenigstens Varieté, zur Not würde es auch ein gutsituierter Ehemann tun. ...

Wenn man als junge Frau in den 1920ern aus der Provinz nach Berlin kam, träumte man normalerweise von einer Karriere beim Film oder wenigstens Varieté, zur Not würde es auch ein gutsituierter Ehemann tun. Doch Gretchen war schon immer anders, unscheinbar, mit Interesse für Latein und das Altertum. Sie hatte vom Geschichtsstudium geträumt, stattdessen ist sie Tippfräulein geworden.
Jetzt hat ihre Freundin Henni sie mit einer Stelle bei Helen Broos nach Berlin gelockt, die DEN Schönheitssalon am Pariser Platz betreibt. Doch Gretchen soll nicht für die „Eiskönigin“, sondern deren Freundin Isis arbeiten, eine geheimnisumwitterte Sängerin mit einer vernarbten Gesichtshälfte. „Wenn Sie Mumm haben und einen feuchten Furz auf die Meinung der guten Gesellschaft geben, dann kommen sie morgen, Schlag elf ins Kempinski und bringen Sie ihre Schreibmaschine mit.“ (S. 24) Jeder ihrer neuen Freunde warnt sie vor Isis – zu viele Legenden ranken sich um sie und ihre Verletzung. Sie sei eine Mörderin und Hexe. Aber Gretchen ist von ihr fasziniert. Während sie sich kaum was traut, hat Isis trotz der Narben ein sehr großes Selbstbewusstsein und die Chuzpe, andere Leute auf ihren Platz zu verweisen.
Weniger begeistert ist Gretchen von ihrer Freundin Henni. Die hat sich sehr verändert, ist mit dem (Bar-)Pianisten Fred verlobt und gibt sich genauso mondän wie die anderen (Neu-)Berlinerinnen. Doch Fred hat etwas an sich, dass auch Gretchens Knie weich werden lässt …

Joan Weng schafft es mit wenigen, gezielten Worten, das Berlin der 20er Jahre wieder lebendig werden zu lassen. Sie beschreibt Örtlichkeiten und Personen sehr pointiert und es macht unheimlichen Spaß, in diesen Kosmos einzutauchen.

Gretchen mochte ich sofort. Sie ist gebildet, gewitzt und hilfsbereit, aber Blaustrümpfe und Landeier sind leider nicht gefragt. Wird sie in Berlin endlich den Mut finden, sich ihren Traum vom Studium zu erfüllen?
Mit Henni bin ich nicht warm geworden. Die interessiert sich nur für sich selbst und den schönen Schein, behandelt Gretchen respektlos und abwertend. Sie und der Lebemann Fred haben den Kopf voller Träume und die Bodenhaftung längst verloren. Wobei sich Fred wenigstens noch für die Arbeitsbedingungen von Künstlern, gegen soziale Ungerechtigkeit und künstlerische Ausbeutung einsetzt. Leider verliert er dadurch immer wieder seine Engagements. Aber was ist schon Geld …
Ein Highlight ist Gretchens Vermieterin Frieda mit ihrer Berliner Schnauze und ihrem realistischen Lebensentwurf – lieber ewige Geliebte, als Hausarbeit, Kinder und einen knausrigen Mann!
Gretchens Pendant der Journalist Erik. Ein Mann, dessen Qualitäten man erst auf den zweiten oder dritten Blick entdeckt. Wagt er irgendwann, aus dem Schatten seines Chefs und für seine eigene Meinung einzutreten?
Die geheimnisvollste Person ist natürlich Isis. Sie hat sich selber zur Kunstfigur erhoben und bleibt damit immer im Gespräch. Jeder hat eine Meinung über sie und scheint ihr Geheimnis zu kennen. Aber was davon stimmt wirklich?
Und dann ist da noch der Kritiker Plompke, der Isis regelrecht belagert. Welche Rolle spielt er in dem ganzen Konstrukt?

Das Buch hat mich begeistert, das Tempo, die breit aufgestellte Thematik. Neben dem Schönheitssalon ziehen sich auch das Berliner Nachtleben und die Kunstszene als rote Fäden durch die Handlung. Fans von Joan Weng werden die Anspielungen auf ihre Krimi-Reihe um den Schauspieler Carl von Bäumer und die Protagonisten aus ihrem Buch „Die Frauen vom Savignyplatz“ wiedererkennen.
Ich habe mich köstlich amüsiert, stellenweise war es spannender als mancher Krimi.

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Veröffentlicht am 09.06.2021

Die glücklichen Toten

Die Totenärztin: Wiener Blut
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„Fanny liebte ihre Arbeit, aber das Geräusch, wenn die Schere knackende Knorpel durchtrennte, verursachte selbst ihr bisweilen ein flaues Gefühl im Magen.“ (S. 9)
Wien 1908: Fanny hat Gerichtsmedizin ...

„Fanny liebte ihre Arbeit, aber das Geräusch, wenn die Schere knackende Knorpel durchtrennte, verursachte selbst ihr bisweilen ein flaues Gefühl im Magen.“ (S. 9)
Wien 1908: Fanny hat Gerichtsmedizin studiert und muss dankbar sein, dass sie als Frau wenigstens als Prosekturgehilfin arbeiten darf. Ihr Arbeitsbereich ist dabei klar festgelegt „Wegräumen, putzen, Berichte ausfüllen! … Unter keinen Umständen pfuschen Sie den Ärzten sonst wie ins Handwerk …“ (S. 15). Täglich muss sie gegen die Vorurteile ihres Vorgesetzten und der Kollegen kämpfen – die wortwörtlich über Leichen gehen für ihren Erfolg.
Als ein ermordeter Obdachloser eingeliefert und nur oberflächlich untersucht wird, fallen ihr einige Ungereimtheiten auf, u.a. sieht er merkwürdig glücklich aus, doch niemand interessiert sich dafür. Fanny obduziert ihn heimlich und ihr erster Eindruck war richtig! Der Unbekannte trägt teure Kleidung und ist viel zu gut genährt. Sie entdeckt auch, womit er wirklich ermordet wurde und findet in seinen Sachen eine geheimnisvolle Einladung für den übernächsten Tag. Als sie ihrer besten Freundin Tilde davon erzählt, will diese sie sofort begleiten und endlich mal ein Abenteuer erleben! Doch bei dem Treffen mit dem rätselhaften Fremden gerät Fanny in Lebensgefahr und rutscht eine atemlose Jagd nach „dem Stern“. Weitere glückliche Mordopfer tauchen auf und auch diese obduziert Fanny unerlaubt …

„Wiener Blut“ ist der erste Band eines Zweiteilers doch ich hoffe, dass eine Reihe daraus wird. René Anour schreibt extrem spannend, bildlich (man kann sich nicht nur bei den Obduktionsszenen oder in den Wiener Katakomben wunderbar gruseln), unterhaltsam und amüsant mit vielen unerwarteten Wendungen, die den Puls des Lesers in die Höhe treiben. Er tischt leckere österreichische Spezialitäten auf und kleidet seine Protagonistinnen in die Kleider von Gustav Klimts Geliebter Emilie Flöge – das macht die Handlung so richtig schön rund.

Fanny ist klug, gebildet, neugierig, mutig und lässt sich nicht von Äußerlichkeiten täuschen. „Hinter dem Vorhang der normalen Welt ist etwas Seltsames im Gange, etwas Großes, von dem wir bisher nur einen kleinen Zipfel zu Gesicht bekommen haben. Ich muss es ans Licht holen und verhindern, dass noch mehr Leute sterben.“ (S. 118) Ich konnte nachfühlen, dass sie Probleme hat, sich ihren Vorgesetzten unterzuordnen und ihr Wissen für sich zu behalten. Außerdem muss sie sich öfter gegen eine leicht übergriffige Tante zur Wehr setzen, die sich ungefragt in ihr Leben einmischt und sie in einige ungünstige Situationen bringt.
Fannys Freundin Tilde erscheint am Anfang sehr flatterhaft, leichtlebig und verwöhnt, dabei ist sie das gar nicht. Sie ist schlau, gewitzt und weiß sich zu helfen. Andere fassen durch ihre offene Art schnell Vertrauen zu ihr und unterschätzen sie leicht – was sie gerne ausnutzt und Fanny damit mehr als einmal in einer brenzligen Situation rettet.
Ich mochte auch die Frau des Institutsleiters sehr, die Fanny fördert und unterstützt, ihr eine gute Ratgeberin und Freundin wird – wenn auch aus einem anderen Grund, als man glaubt.
Und mein heimlicher Star ist Maître François. Aber wenn ihr mehr über ihn wissen wollt, müsst ihr das Buch selber lesen .

Obwohl „Die Totenärztin“ von Beginn an sehr spannend und dramatisch ist, schafft René Anour es, dies im Laufe der Handlung immer weiter zu steigern. Fanny weiß bald nicht mehr, wem sie noch trauen kann und lässt sich von Tilde und dem geheimnisvollen Fremden zu immer verrückteren Aktionen hinreißen. Und immer, wenn ich dachte, jetzt wird alles gut, ging wieder was schief. Das war ganz schön nervenaufreibend für Fanny und für mich und ich hatte den wirklichen Täter leider überhaupt nicht im Verdacht.

Das Ende ist übrigens filmreif und ein ganz fieser Cliffhanger. Ich bin schon sehr gespannt, wie es im nächsten Band weitergeht.
Mein Tipp für alle, die „Das Buch des Totengräbers“ von Oliver Pötzsch mochten, was ja auch gerade erst erschienen ist und nur 15 Jahre früher spielt.

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Veröffentlicht am 06.06.2021

Ganz zauberhaft

Mirella Manusch – Achtung, hier kommt Frau Eule!
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Auch Mirellas zweites Abenteuer hat mich von der ersten Zeile an verzaubert. Das Buch ist wieder total süß und Mirella erlebt gleich zu Beginn ein aufregendes Abenteuer. Ich finde es toll, dass sie in ...

Auch Mirellas zweites Abenteuer hat mich von der ersten Zeile an verzaubert. Das Buch ist wieder total süß und Mirella erlebt gleich zu Beginn ein aufregendes Abenteuer. Ich finde es toll, dass sie in ihrem Alter schon so mutig, aber auch tierlieb und hilfsbereit ist. Doch als Vampirin muss sie noch viel lernen (Zum Bespiel, wie sie den verräterischen Eckzahn verschwinden lassen kann.), dafür ist ihre Tante Elly zuständig, die ebenfalls Vampirin ist. Die erzählt ihr auch mehr über ihre Familiengeschichte – schließlich stammen sie von DEM Grafen Dracula ab – wie aufregend!

Da gerade Ferien sind, verbringt Mirella die Tage meist mit ihrer besten Freundin Klara, vor der sie keine Geheimnisse hat, und in den Nächten bringt ihr „Badboy“ Manolo weitere Flugkunststücke bei. Mirella und Klara werden immer neugieriger, wie Manolo eigentlich als Junge aussieht, aber der will sich nicht ihnen nicht zeigen. „Warum willst Du eigentlich nicht, dass ich weiß, wie Du aussiehst?“ „Wer sagt, dass ich nicht will? Ich darf nicht.“ (S. 17) Damit können sich die beiden Mädchen natürlich nicht abfinden und versuchen trotzdem, sein Geheimnis zu lüften.
Außerdem gilt es wieder einige Tiere zu retten (u.a. Frau Eule), denn dank ihrem besonderen Talent versteht und spricht Mirella deren verschiedenen Sprachen. Dabei kann sie auf ihren Vater zurückgreifen, der Tierarzt im Zoo ist, denn allein wissen sie und Klara nicht immer das richtige Heilmittel. Ich kann mir gut vorstellen, dass sie später selber mal Tierärztin werden möchten.
Erwähnen muss ich natürlich unbedingt auch Sir Lancelot – Mirellas Kater und Beschützer, der hier ein bisschen übers Ziel hinausschießt, aber trotzdem extrem sympathisch ist.

Ich mag die Reihe sehr und finde die Freundschaft der beiden Mädchen einfach toll! Ich kann verstehen, dass sie traurig sind, weil Klara keine Vampirin ist und sie so nicht alle Erlebnisse teilen können. Aber wird man nicht zum Vampir, wenn einen ein anderer beißt?! Vielleicht kann Mirella da ja was machen ???
Langsam werden auch Freundschaften mit Jungs im gleichen Alter geschlossen und ich bin schon gespannt, wann und in wen sich die erste verliebt.

Mit einem Augenzwinkern erzählen die Autorinnen Anne Barns und Christin-Marie Below eine wunderbare Geschichte über Freundschaft und Tierliebe, wie es ist Geheimnisse zu haben und zu teilen, und dass man niemanden ausschließen oder gar vor ihm Angst haben sollte, nur weil er anders ist.
Unbedingt erwähnen möchte ich wieder die zauberhaften Illustrationen von Anastasia Braun, welche die Handlung wunderschön in Szene setzen.

5 Fledermäuse für dieses zauberhafte Abenteuer.

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Veröffentlicht am 02.06.2021

Der schwarze Walzer

Das Buch des Totengräbers (Die Totengräber-Serie 1)
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Wien 1893: „Ein Mozart summender Totengräber, der mit Leichen spricht. Mir bleibt auch nichts erspart.“ (S. 64) Inspektor Leopold von Herzfeldt stammt aus Graz und ist neu bei der Wiener Polizei. Schon ...

Wien 1893: „Ein Mozart summender Totengräber, der mit Leichen spricht. Mir bleibt auch nichts erspart.“ (S. 64) Inspektor Leopold von Herzfeldt stammt aus Graz und ist neu bei der Wiener Polizei. Schon vor seinem Dienstantritt stolpert er in die Ermittlungen zum bestialischen Mord an einem Dienstmädchen, die er mit den neuesten technischen Möglichkeiten wie z.B. der Tatort-Fotografie vorantreiben will. Doch stattdessen soll er den versuchten Grabraub von Bernhard Strauß, einem Halbbruder des berühmten Komponisten, auf dem Zentralfriedhof aufklären – schließlich steht er noch ganz unten in der Hackordnung bei der Polizei und muss sich die spannenden Fälle erst verdienen. Dabei lernt er den ungewöhnlichen Totengräber Augustin Rothmayer kennen, der genau wie Leopold nie lockerlässt und den Dingen auf den Grund geht.
Als weitere getötete Dienstmädchen auftauchen und der Fall höchste Priorität bekommt, wird Leopold dem Ermittlerteam doch noch zugeteilt. Unerwartete Unterstützung bekommt er dabei ausgerechnet von Augustin Rothmayer und der Telefonistin Julia Wolf.

„Das Buch des Totengräbers“ ist der Auftakt einer neuen Reihe von Oliver Pötzsch und hat mich von der ersten bis zur letzten Seite gefesselt. Wie schon bei der „Henkerstochter-Saga“ lässt der Autor die Vergangenheit lebendig werden, Wiens dunkle Seiten, vor allem die düstere Stimmung des Zentralfriedhofes und der Wiener Unterwelt, um die Jahrhundertwende vor unserem inneren Auge wieder auferstehen. Außerdem hat mich fasziniert, was die Wissenschaft damals alles schon konnte, dass es erste Taschenkameras, Fahrräder und Autos gab – an deren Zukunft man natürlich nicht geglaubt hat.

Leopold ist ein Mann der neuen Zeit. Er hat bei dem berühmten Grazer Staatsanwalt und Untersuchungsrichter Hans Gross „Kriminalistik“ studiert, ein damals gänzlich neues Fachgebiet, in dem z.B. Spuren gesichert, Fotos und Tatort- und Täteranalysen gemacht werden. Man verlässt sich nicht mehr nur auf die Aussagen von Zeugen, sondern sucht nach Indizien. „Ein Mord ist wie ein großes Rätsel, das gelöst werden muss.“ (S. 78) Weil diese Wissenschaft noch so neu ist, wird Leo von seinen Kollegen und Vorgesetzten nicht ernst genommen. Aber auch sonst eckt er gern an. Er stammt aus gutem Hause, ist immer (zu) gut angezogen und ein Einzelgänger, hat Schwierigkeiten, sich unter- oder in einem Team einzuordnen. Außerdem ist er Jude, was nicht allen passt, und hat ein Geheimnis, wegen dem er Graz verlassen musste.
Bei der Arbeit lernt er die Telefonistin Julia Wolf kennen, die sich im Dienst als Lämmchen gibt, privat aber ihrem Nachnamen alle Ehre macht. „In einer Welt, in der die Männer das sagen haben, müssen wir Frauen uns eben verkleiden, wenn wir nicht untergehen wollen.“ (S. 299) Ihre verschiedenen Facetten faszinieren ihn. So eine Frau hat er bisher noch nicht kennengelernt.
Der heimliche Star des Buches aber ist für mich der Totengräber Augustin Rothmayer. Dieser entstammt einer uralten Totengräberdynastie, weiß so ziemlich alles über den Tod und Leichen und schreibt gerade an einem umfassenden Totengräberalmanach. Zudem ist er extrem gebildeten, philosophiert und musiziert gern und hat Beziehungen in höchste Kreise. Und auch er verbirgt ein Geheimnis und ein weiches Herz unter seiner rauen, immer muffig und nach Tod riechenden Schale.
Die drei raufen sich trotz ihrer sehr verschiedenen Biographien zusammen und gehen ungewöhnlichen Wege, um den Fall aufzuklären. Dabei sitzen sie einigen Irrtümern und Vorurteilen auf, rätseln, ob es doch Vampire und Wiedergänger in Wien gibt und bringen sich selbst in Lebensgefahr …

„Das Buch des Totengräbers“ ist ein echtes Highlight: Ein extrem spannender Krimi mit wunderbar unangepassten Ermittlern und viel Wiener Schmäh, hervorragend recherchiert. Ich fiebere der Fortsetzung entgegen!

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