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Veröffentlicht am 12.11.2023

Wer zur Familie gehört muss morden – oder nicht?

Die mörderischen Cunninghams. Irgendwen haben wir doch alle auf dem Gewissen (Die mörderischen Cunninghams 1)
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Nur ungern fährt Ernest, passionierter Autor von Kriminalromanen, zu dem Familientreffen der Cunninghams, das aus Anlass der erwarteten Haftentlassung von Michael stattfinden soll – schließlich war er ...

Nur ungern fährt Ernest, passionierter Autor von Kriminalromanen, zu dem Familientreffen der Cunninghams, das aus Anlass der erwarteten Haftentlassung von Michael stattfinden soll – schließlich war er es, der mit seiner Aussage vor Gericht seinem Bruder zu dem dreijährigen Aufenthalt im Knast verholfen hat. Kaum ist die Familie in dem abgelegenen Skigebiet angekommen, wird auch schon eine Leiche im frisch gefallenen Schnee entdeckt. Da aufgrund der Witterungsverhältnisse mit dem Eintreffen der Polizei nicht gerechnet werden kann, muss man es als glücklichen Zufall bezeichnen, dass gerade Officer Crawford anwesend ist. Als sich jedoch herausstellt, dass dieser mit dem Fall total überfordert ist, übernimmt Ernest Cunningham die Ermittlungen …

Benjamin Stevenson ist ein australischer Autor und zusammen mit seinem Zwillingsbruder ein preisgekrönter Stand-up-Comedian. Obwohl „Die mörderischen Cunninghamsirgendwen haben wir doch alle auf dem Gewissen“ bereits sein drittes Buch ist, ist er in Deutschland noch weitgehend unbekannt. Die deutsche Übersetzung brachte im Oktober 2023 Ullstein Buchverlage heraus, ein zweiter Band über die mörderische Familie Cunningham ist für August 2024 geplant. Stevenson wuchs in Canberra auf, heute lebt und arbeitet er in Sidney.

Ein sehr unterhaltsamer, äußerst amüsanter und durch die vielen Wendungen und Rätsel extrem spannend gestalteter Detektivroman, den uns der Autor hier präsentiert. Er lässt den Protagonisten Ernest Cunningham als Erzähler auftreten, was uns mitten ins Geschehen zieht und uns Glauben macht, an den Ermittlungen beteiligt zu sein. Durch das Setting in der total abgeschiedenen und eingeschneiten Lodge kann ja nur einer der Anwesenden der Mörder sein. Doch kaum denkt man, man sei auf der richtigen Spur, entpuppt sich diese als falsch und man rätselt über eine andere Lösung. Die Personen sind sehr gut ausgearbeitet und ihre Charaktereigenschaften wohl durchdacht. Bei der rasanten Folge von Ereignissen und sich überstürzenden Vorfällen kann man als Leser dann und wann den Überblick verlieren, doch man darf sicher sein, zusammen mit Ernest den Fall am Ende aufzuklären.

Fazit: Skurrile Protagonisten, aberwitzige Story und total abgeschiedene Location ergeben einen etwas anderen, erfrischend heiteren und unterhaltsamen Krimi – ein geniales Lesevergnügen.

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Veröffentlicht am 06.01.2023

Anregungen aus dem Altpapier

Das glückliche Geheimnis
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Die meisten Geheimnisse sind dunkel - umso schöner, wenn jemand ein glückliches Geheimnis hat, wie der 1968 in Bregenz/Vorarlberg geborene österreichische Schriftsteller Arno Geiger. Davon berichtet er ...

Die meisten Geheimnisse sind dunkel - umso schöner, wenn jemand ein glückliches Geheimnis hat, wie der 1968 in Bregenz/Vorarlberg geborene österreichische Schriftsteller Arno Geiger. Davon berichtet er uns in seiner Biografie, die etwa 25 Jahre seines Lebens umspannt. Gleich zu Anfang des Buches verrät er uns, dass er seit seinem Auszug aus dem Elternhaus einmal wöchentlich heimlich die Altpapier-Container der Stadt Wien nach Brauchbarem, Bücher, Tagebücher, Briefe und Notizen, durchsuchte – anfangs um durch den Verkauf von Büchern auf dem Flohmarkt seinen Lebensunterhalt aufzubessern, später als seelischen Ausgleich und um durch die schriftlichen Hinterlassenschaften fremder Menschen Anregungen und Ideen für seine Romane zu finden.

Der Schreibstil Arno Geigers ist angenehm und abwechslungsreich, gespickt mit ironischen Erkenntnissen und amüsanten Lebensweisheiten. Während er seine Tätigkeit der Schatzsuche beschreibt, die er wegen der Peinlichkeit inkognito mit Mütze und alter Kleidung versehen als sportliche Betätigung betrachtete, rollt sein Leben chronologisch vor uns ab. Er grübelt über seine Beziehungen zu Frauen nach, bemerkt mit Schrecken den langsamen geistigen Verfall seines Vaters und ist sich selbst über seinen weiteren Lebensweg noch nicht im klaren. Er beobachtet, sinniert, beschreibt und philosophiert – während sich sein glückliches Geheimnis als roter Faden durch das ganze Buch zieht.

Fazit: Ein sehr offenes und ehrliches Buch, mit vielen philosophischen Betrachtungen die zum Nachdenken anregen – und das Interesse auf die anderen Bücher des Autors wecken.

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Veröffentlicht am 06.12.2021

Philosoph im Mutterleib …

Nussschale
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Die Ehe zwischen John und Trudy scheint gescheitert zu sein – die schwangere Trudy lebt weiter in Johns Haus, ihn hat sie mit der Begründung ausquartiert, dass sie zum Ende der Schwangerschaft mehr Ruhe ...

Die Ehe zwischen John und Trudy scheint gescheitert zu sein – die schwangere Trudy lebt weiter in Johns Haus, ihn hat sie mit der Begründung ausquartiert, dass sie zum Ende der Schwangerschaft mehr Ruhe benötige. In Wirklichkeit jedoch hat sie ein Verhältnis mit Johns Bruder Claude, einem einfältigen aber sexuell sehr aktiven Bauunternehmer, der bei ihr die Nächte verbringt. Noch Ehemann John ist zwar ein erfolgloser Dichter und Verleger, jedoch sein Haus mitten in London ist ein Vermögen wert. Genau darauf haben es Trudy und ihr Liebhaber Claude abgesehen und entwickeln einen perfiden Plan: John soll umgebracht, das Haus verkauft und das Baby nach der Geburt irgendwo „untergebracht“ werden. Doch die beiden haben die Rechnung ohne Johns noch ungeborenen Sohn gemacht …

Der britische Schriftsteller Ian McEwan wurde 1948 in Aldershot/England geboren. Er studierte Englische Literatur an der Universität Sussex, besuchte Kurse für kreatives Schreiben und machte seinen Master an der University of East Anglia in Norwich. Seine Masterarbeit bestand aus einer Reihe von Kurzgeschichten, die später unter dem Titel „First Love, Last Rites“ veröffentlicht wurden. McEwan schrieb zahlreiche erfolgreiche Romane die auf den Bestsellerlisten landeten und teils verfilmt wurden, für die er mit nahezu allen bedeutenden Preisen für englische Literatur ausgezeichnet wurde. Er hat zwei Söhne aus erster Ehe, ist heute in zweiter Ehe verheiratet und lebt er in London.

Zum Shakespeare-Jahr 2016 hat sich der Autor Ian McEwan den Hamlet als Inspiration für seinen Roman „Nussschale“ gewählt. Er bedient sich dabei einer ungewöhnlichen Erzählperspektive, eines ungeborenen Kindes, das hilflos im Mutterleib eingezwängt zum einzigen Zeugen eines perfiden Plans zwischen seiner Mutter und ihrem Liebhaber wird. Er kann nichts sehen und nicht sprechen, aber akustisch bekommt der zukünftige Erdenbürger alles mit, sei es durch Gespräche oder durch Radiosendungen, die sich die Mutter in schlaflosen Nächten anhört. Er reflektiert dabei die aktuelle Weltlage, denkt scharfsinnig über Umweltprobleme nach, kommentiert die Sexpraktiken des Paares und ist auch in der Lage, die verschiedenen Weine, die seine Mutter häufig und gerne konsumiert, zu unterscheiden. Neben der Tragik des Geschehens hat die Geschichte auch ihre komischen und unterhaltsamen Momente, so dass ich mich gut unterhalten gefühlt habe.

Fazit: Ein intelligenter Roman auf sprachlich hohem Niveau, mit kritischen Untertönen und voller Metaphern und Lebensweisheiten – bei dem man sich unbedingt auf die Rolle des embryonalen Erzählers einlassen sollte.

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Veröffentlicht am 03.06.2021

Freier Wille vs. Hypnose …

Mario und der Zauberer
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Im August 1926 macht eine deutsche Familie im italienischen Badeort Torre di Venere Urlaub, wo sie im Grand Hotel abgestiegen sind. Sie fühlten sich jedoch nicht wohl dort, weil eine nationalistisch aufgeladene ...

Im August 1926 macht eine deutsche Familie im italienischen Badeort Torre di Venere Urlaub, wo sie im Grand Hotel abgestiegen sind. Sie fühlten sich jedoch nicht wohl dort, weil eine nationalistisch aufgeladene Stimmung herrschte und die überwiegend italienischen Gäste offensichtlich bevorzugt behandelt wurden. Nach einigen Beschwerden zogen sie in eine kleinere Pension um, deren Wirtin überaus nett und freundlich war. Als sich gegen Ende ihres Urlaubs der Zauberkünstler Cipolla ankündigte, drängten die Kinder darauf, die Vorstellung zu besuchen. Dieser Zauberkünstler entpuppte sich allerdings mehr als begabter Hypnotiseur dem es ohne Mühe gelang, einigen Personen im Publikum seinen Willen aufzuzwingen und sie der Lächerlichkeit preiszugeben. Als dann Kellner Mario auf die Bühne gerufen wird, bahnt sich ein Drama an …

Thomas Mann (1875-1955) war ein deutscher Schriftsteller und einer der bedeutendsten Erzähler des 20. Jahrhunderts. Nach der Machtübernahme Hitlers emigrierte der überzeugte Gegner des Nationalsozialismus mit seiner Familie 1933 zunächst in die Schweiz und dann 1938 in die USA. Er schrieb unzählige Romane, Erzählungen, Novellen und Essays, für die er zahlreiche Ehrungen und Preise erhielt und für die er 1929 mit dem Nobelpreis für Literatur ausgezeichnet wurde. Viele seiner bekanntesten Werke wurden auch verfilmt. 1944 nahm Thomas Mann die amerikanische Staatsbürgerschaft an und kehrte 1952 zurück in die Schweiz, wo er bis zu seinem Tod in Zürich lebte.

In der 1930 erschienenen Novelle „Mario und der Zauberer“, der, nach seinen eigenen Aussagen, eine wahre Begebenheit zugrunde lag, schildert Thomas Mann in der Person eines Familienvaters als Ich-Erzähler seine Erlebnisse während eines Italienurlaubs in den zwanziger Jahren des vorigen Jahrhunderts. Dabei zeigt sich sehr gut die Stimmung nach der Machtübernahme Mussolinis und die bereits aufkommende Fremdenfeindlichkeit. In der Person des Zauberers und Hypnotiseurs Cipolla wird sehr eindringlich die Gefahr verdeutlicht, die von einer machtbesessenen Person ausgehen kann der er es gelingt, einzelne Personen, eine Gruppe oder gar ein ganzes Volk zu manipulieren und seinen Willen aufzuzwingen.

Mit seiner bildgewaltigen Sprache schafft es der Autor, den Leser zu fesseln und ihn tief in das Geschehen hinein zu ziehen. Die schwüle Hitze der Augusttage, die emotional aufgeladene Stimmung der Einheimischen sowie die angespannte Atmosphäre während der abendlichen Zaubervorstellung sind hautnah zu spüren. Durch das schon gleich zu Anfang angekündigte „Ende mit Schrecken“ lässt sich eine Anspielung auf die faschistische Bewegung mit seinen späteren tödlichen Folgen erkennen. Das Thema „Willensfreiheit“ wird dabei ebenfalls stark thematisiert, und ist wohl, betrachtet man den Ausgang der Geschichte, die versteckte Aufforderung, sich gegen jegliche Manipulation zu wehren.

Fazit: Ein Klassiker der deutschen Literatur und eine zeitgeschichtliche Momentaufnahme.

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Veröffentlicht am 26.05.2021

Außer Kontrolle geraten …

Frankenstein oder Der neue Prometheus
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Polarforscher Robert Walton ist mit seinem Schiff im nördlichen Eismeer unterwegs, wo er einen entkräfteten Mann aufnimmt. Es ist Viktor Frankenstein, der ihm bald seine Lebensgeschichte erzählt. Er berichtet ...

Polarforscher Robert Walton ist mit seinem Schiff im nördlichen Eismeer unterwegs, wo er einen entkräfteten Mann aufnimmt. Es ist Viktor Frankenstein, der ihm bald seine Lebensgeschichte erzählt. Er berichtet über seine Kindheit und Jugendzeit in Genf, sein Studium der Naturwissenschaften in Ingolstadt und von seiner Besessenheit, neues Leben zu erschaffen. Er erzählt ferner dass es ihm gelang, aus menschlichen Teilen ein Wesen zu gestalten und ihm Leben einzuhauchen, er aber dann von dessen hässlichen Anblick so entsetzt war, dass er die Flucht vor ihm ergriff. Später, als er mit seinem Freund Henri zurück kam, war die Kreatur verschwunden. Monate danach erreichte ihn ein Brief seines Vaters, dass sein jüngerer Bruder Wilhelm ermordet worden wäre. Bei Viktors Rückkehr nach Genf sah er flüchtig eine riesige Gestalt und vermutete sofort, dass das von ihm geschaffene Monster der Täter wäre. Von Schuldgefühlen übermannt macht er sich auf die Suche nach dem Unhold und seiner Verfolgung. Bis Frankenstein ihn im nördlichen Eismeer beinahe stellen kann, werden jedoch noch mehrere Menschen aus seinem Umfeld sterben …

Die Engländerin Mary Shelley, geb. 1797, war 1816 mit ihrem Ehemann als Gast bei Lord Byron am Genfer See. Aufgrund des anhaltend schlechten Wetters veranstalteten die anwesenden Literaten einen Wettbewerb im Erfinden von Schauergeschichten. So erfand sie den Frankenstein, der am 1. Januar 1818 erstmals unter dem Titel „Frankenstein oder Der moderne Prometheus“ publiziert wurde. Die Geschichte wurde seither in unzähligen Variationen veröffentlicht und wurde zur Grundlage zahlreicher Verfilmungen. Mary Shelley starb 1851.

Die Tragödie um Viktor Frankenstein und dem von ihm erschaffenen Monster ist auch heute noch aktuell, da sie sehr gut den Konflikt zwischen Machbarem und ethisch Vertretbarem aufzeigt. Die Sprache ist etwas altertümlich, dennoch gut der heutigen Zeit angepasst und lässt sich flüssig lesen. Frankenstein wollte etwas Schönes und Gutes erfinden, doch sein Eifer und Wissensdrang verwandelte sich bald in unheilvollen Fanatismus – als er das hässliche Ergebnis sah, wollte er nichts mehr damit zu tun haben. Auch heute noch achten wir doch mehr auf Äußerlichkeiten als auf die inneren Werte. Es werden tierische Klone geschaffen und menschenähnliche Roboter produziert, die als Nahrungsgrundlage dienen bzw. eintönige Arbeiten verrichten sollen. Was wäre, wenn diese außer Kontrolle gerieten? Ein Aspekt, der uns nachdenklich stimmen sollte.

Fazit: Auch wenn es stellenweise langatmig wirkt sollte man es unbedingt lesen, wenn man bisher nur den Film gesehen hat – es ist und bleibt ein Klassiker!

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