Cover-Bild Eine Seuche in der Stadt
(4)
  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
16,00
inkl. MwSt
  • Verlag: Hanser, Carl
  • Themenbereich: Belletristik - Sonstiges
  • Genre: Romane & Erzählungen / Sonstige Romane & Erzählungen
  • Seitenzahl: 112
  • Ersterscheinung: 25.01.2021
  • ISBN: 9783446269668
Ljudmila Ulitzkaja

Eine Seuche in der Stadt

Szenario
Ganna-Maria Braungardt (Übersetzer)

„Ein sarkastisch makabres Loblied auf den sowjetischen Geheimdienst, der die Ausbreitung der Pest verhindert – und dabei offenbart, wie allumfassend er bereits die Gesellschaft vergiftet hat.“ Ingo Schulze

Moskau 1939. Rudolf Iwanowitsch Mayer berichtet über den Stand der Entwicklung eines Impfstoffs gegen die Pest. Niemand ahnt, dass der Forscher selbst infiziert ist. Aber am Abend wird er ins Krankenhaus gebracht. Diagnose: Lungenpest. Das Krankenhaus wird unter Quarantäne gestellt, wer mit ihm Kontakt hatte, zu Hause abgeholt. In der Zeit des Großen Terrors fürchtet jeder, in Stalins Folterkeller zu kommen. Oberst Pawljuk erschießt sich, als der schwarze Wagen vor seiner Tür hält, eine Frau verrät ihren Mann an den Geheimdienst … Was geschieht, wenn eine Epidemie auf eine paralysierte Gesellschaft trifft? Scharfsichtig und mit großer Empathie beobachtet Ljudmila Ulitzkaja die Reaktionen der Menschen.

Weitere Formate

Dieses Produkt bei deinem lokalen Buchhändler bestellen

Lesejury-Facts

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 03.06.2023

Ein doppelbödiges Szenario

0

In „Eine Seuche in der Stadt“ entwirft Ljudmila Ulitzkaja auf nur 105 Seiten (ohne Nachwort) ein reales wie auch doppelbödig-humorvolles Szenario um einen Lungenpestausbruch in Russland im Jahre 1939.

Der ...

In „Eine Seuche in der Stadt“ entwirft Ljudmila Ulitzkaja auf nur 105 Seiten (ohne Nachwort) ein reales wie auch doppelbödig-humorvolles Szenario um einen Lungenpestausbruch in Russland im Jahre 1939.

Der Infektiologe Rudolf Iwanowitsch Mayer reist nach Moskau, um dort die Fortschritte seiner Forschung an einer Impfung gegen die Lungenpest vor dem großen Gesundheitskomitee vorzustellen. Was er beim Antritt seiner Reise nicht weiß, was den Lesenden aber recht schnell klar wird: er hat sich bereits mit der Erkrankung angesteckt und verteilt sie nun im Zug, bei der Sitzung mit den hohen Tieren und im Hotel. Nach Diagnose des Erkrankung wird der große Geheimdienstapparat der Sowjetunion aktiviert, um mit ihren Mitteln die Seuche einzudämmen.

Was Ulitzkaja hier deutlich macht, ist, dass wohl das einzige und letzte Mal in der Geschichte von Stalins Schreckensherrschaft dessen Terrorapparat positiv für die Belange der Einwohner genutzt wurde. Ganz grandios stellt die Autorin dar, was es damals bedeutet hat, wenn mitten in der Nacht es an der Tür klopfte. Hier werden „nur“ potentiell Infizierte eingesammelt. Meist waren es zu dieser Zeit aber Menschen, die nur ein falsches Wort gesagt haben oder vermeintlich ein falsches Wort gesagt haben, und in Lager oder den Tod geschickt wurden. Was dieses Anklopfen mit einzelnen nur ganz kurz vorgestellten Personen macht, welche Handlungen es auslöst, ist authentisch wie auch mitunter etwas kabarettistisch dargestellt. Allein schon wie Stalin u.a. im Text und auch im Personenregister genannt wird, ist zum Schreien: „Ein Mächtiger Mann mit georgischem Akzent“. Und ja, es gibt selbst für diese kurze Geschichte, die die Bezeichnung „Szenario“ trägt, ein Personenregister. Typisch für große russische Romane. Denn hier gibt es gefühlt den gleichen Umfang an Personal, wie es aus den dicken, russischen Schinken bekannt ist. Auch das meines Erachtens ein mit Augenzwinkern gewählter Schachzug der Autorin.

Der Text unterdessen ist nicht brandaktuell entstanden, auch wenn erschienen in 2020 unter dem Eindruck von Covid-19 taufrisch wirkt, sondern schon im Jahre 1978 geschrieben. Wie aus dem erhellenden Nachwort der Autorin hervorgeht, erfuhr sie über die Tochter des als fiktive Figur auch im Text vorkommenden, realen Pathologen, dass damals ein Lungenpestausbruch in Moskau aufgrund der Geheimdienstmethoden des Staates eingedämmt werden konnte. Publik wurde dieser und ähnliche andere Ausbrüche nie gemacht.

So spannt die Autorin mit ihrem Szenario aber auch mit dem tollen Nachwort den Bogen vom Jahre 1939 ins Pandemie-Jahr 2020. Eine wirklich empfehlenswerte Lektüre, nicht nur in pandemischen Zeiten, sondern auch Zeiten, in denen Der Mächtigste Mann Russlands mit Leningrader Akzent“ wieder ein Despot ist und ähnliche Machtinstrumente anwendet wie damals Stalin. 4,5 Sterne.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 03.03.2023

Kurz, interessant, empfehlenswert

0

Ulitzkaja erzählt in diesem kurzen Buch, eine Geschichte, die auf einem wahren Kern beruht und ursprünglich als Drehbuch verfasst wurde. Es geht um den drohenden Ausbruch einer Lungenpest-Seuche in Moskau ...

Ulitzkaja erzählt in diesem kurzen Buch, eine Geschichte, die auf einem wahren Kern beruht und ursprünglich als Drehbuch verfasst wurde. Es geht um den drohenden Ausbruch einer Lungenpest-Seuche in Moskau im Jahr 1939. Durch das Eingreifen des sowjetischen Geheimdienstes, durch strikte Quarantänen und Nachverfolgungen kann eine Epidemie jedoch verhindert werden.

Sehr anschaulich zeigt die Geschichte, wie eng gestrickt das Netz des Geheimdienstes ist und wie tief die Angst sitzt, die er in den Bürgern des Landes auslöst. Terror und Angst, die durch die Staatsmacht verbreitet werden, aber auch durch die Natur in Form der Pest, stehen sich in diesem Drehbuch gegenüber.

Eine kurze, zuweilen fragmentarisch anmutende, aber trotzdem interessante Lektüre. Empfehlenswert!

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 24.07.2021

Epidemie in der Zeit des Großen Terrors

0

Eine Seuche in der Stadt – Ljudmila Ulitzkaja

Dieses Drehbuch ist topaktuell und wurde doch schon 1978 verfasst. Es handelt von einem tatsächlichen Pestausbruch in Moskau im Jahr 1939. Der Forscher Rudolf ...

Eine Seuche in der Stadt – Ljudmila Ulitzkaja

Dieses Drehbuch ist topaktuell und wurde doch schon 1978 verfasst. Es handelt von einem tatsächlichen Pestausbruch in Moskau im Jahr 1939. Der Forscher Rudolf Iwanowitsch Mayer infiziert sich versehentlich mit einem Pest-Erreger. Nach seiner Erkrankung tritt umgehend eine Maschinerie in Kraft, die uns seit der Corona-Pandemie nur allzu bekannt vorkommen dürfte: die Nachverfolgung von Kontakten, sowie die Isolierung dieser Personen.

Der Unterschied zu unserer heutigen Situation liegt in der Zeit und am Regime. Moskau befindet sich in der Zeit des Großen Terrors, ohnehin fürchtet jeder täglich, von Stalins Schergen in dessen Folterkeller verschleppt zu werden.

Tatsächlich tritt der sowjetische Geheimdienst auf den Plan und setzt die Quarantäne ohne viel Federlesens und sehr radikal durch. Stalins Regime ist damit auf schreckliche Art und Weise sehr erfolgreich. Und so stellt sich die Frage, wer die größere Gefahr für das Volk darstellt: die Seuche, oder das Terrorregime.

Dieses Werk ist nur knapp über 100 Seiten lang. Außerdem ist es ausdrücklich kein Roman, sondern ein Drehbuch und als solches sehr stakkato artig, mit vielen schnellen Szenewechseln geschrieben. Der Leser ist ganz klar auf den Zuschauersessel verbannt – und bleibt dem Geschehen distanziert, trotz teils schlimmer Szenen. Die erste Hälfte fand ich hier noch sehr interessant, dann wurde mir diese Erzählweise doch etwas zu monoton.

Ich muss zugeben, dass mich mehr noch als das eigentliche Drehbuch, das Nachwort der Autorin „Schlimmer als die Pest“ vom Herbst 2020 fasziniert hat. Die Infos zur Entstehungsgeschichte fand ich hochinteressant. Mir wurden auch noch einige andere Dinge zum Zusammenhang klar, die ich nicht auf Anhieb verstanden hatte.

Insgesamt topaktuell und sehr lesenswert! Die Erzählform des Drehbuchs lag mir nicht ganz so sehr. Trotzdem gebe ich 3,5 Sterne, die ich gerne auf 4 aufrunde!

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 04.06.2021

Eine Pandemie in der Stadt

0

Auch vor 78 Jahren, den Zweiten Weltkrieg bereits vor Augen, wurde versucht, Impfstoffe gegen Pandemien zu entwickeln. In diesem Falle gegen die Pest. Hier treffen wir auf den Wissenschaftler Rudolf Iwanowitsch ...

Auch vor 78 Jahren, den Zweiten Weltkrieg bereits vor Augen, wurde versucht, Impfstoffe gegen Pandemien zu entwickeln. In diesem Falle gegen die Pest. Hier treffen wir auf den Wissenschaftler Rudolf Iwanowitsch Mayer, der in der sowjetischen Provinz mit der Entwicklung eines Impfstoffes betraut ist, den er nun in Moskau vorstellen soll.

Allerdings stellt sich nach seiner Ankunft heraus, dass er selbst bereits mit dem Virus infiziert wurde. Nun folgt etwas, dass uns Pandemierfahrenen im Verlauf des vergangenen Jahres zur Routine geworden ist: es wird versucht, alle Menschen aufzutreiben, die mit Mayer zuletzt in Kontakt waren, was 1939 denkbar schwieriger war als heute.

Doch niemand ist mit dem Grundgesetz oder Ähnlichem dagegen getreten. Wie denn auch - das Land befand sich mitten in seiner totalitaristischsten Phase überhaupt, nämlich im Stalinismus. Was einige Vorgänge, wenn man es rein sachlich sehen will, auf jeden Fall vereinfacht hat.

Auf jeden Fall bleibt dem/der Rezipient*in die Erkenntnis, dass Seuchen eine Gemeinsamkeit haben: sie verbreiten sich schneller, als man "Totalitarismus" oder aber auch "Europäische Union" sagen kann!