Geborgene Atmosphäre trotz zerrüttelten Verhältnissen
Die letzten RomantikerDas Besondere an dieser Geschichte ist der große Zeitraum, über den sie sich erstreckt. Während der Anfang einer Dystopie ähnelt, die hundert Jahre in der Zukunft spielt, mutet der Rest eine Familientragödie ...
Das Besondere an dieser Geschichte ist der große Zeitraum, über den sie sich erstreckt. Während der Anfang einer Dystopie ähnelt, die hundert Jahre in der Zukunft spielt, mutet der Rest eine Familientragödie an, die in den 80ern des letzten Jahrhunderts beginnt. Verrückterweise schaut die Leserschaft in ihre eigene Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft und kann sich somit mit der Erzählzeit mehr oder weniger identifizieren. Ich wurde dadurch mit meiner eigenen Sterblichkeit konfrontiert, da ich wie die Protagonistin zu Zeiten der Erzählebene der Gegenwart entweder sehr alt oder schon tot sein werde. Ich fand es sehr ergreifend, das zu verinnerlichen.
Was mich auch richtig verzaubert hat, ist die Atmosphäre, die besonders in den Rückblenden in die Kindheit geherrscht hat. So heimelig und geborgen, obwohl die Familienverhältnisse eigentlich dramatisch sind, auf der anderen Seite auch von großer Geschwisterliebe begleitet. Ich habe mich an die Kinderbuchreihe "Die Panderwicks" zurückerinnert gefühlt. Diese kann ich an dieser Stelle auch wärmstens empfehlen. Im Grunde wird das Leben eines jeden der vier Geschwisterkinder von der jüngsten der vier rekapituliert und es war spannend zu sehen, wie sie sich entwickelt haben. Teilweise haben sie große Kurven gemacht, waren mal mehr, mal weniger sympathisch. Für alle gab es Höhen und Tiefen. Am liebsten mochte ich aber die Beschreibungen der Locations: Wohnorte, Städte, Landschaften...
Zwischendurch wurde ich immer wieder aus diesen Träumereien aufgeweckt und war wieder in der Gegenwart. Das hat mich genervt, denn dort war es nicht schön. Das ist auch mein Hauptkritikpunkt: Wenn dort dystopische Verhältnisse herrschen (Krieg, Naturkatastrophen wegen Klimafwandel oder was anderes?), hätte ich mir gewünscht, dass auch dort mehr Zeit reingesteckt würde und die Autorin auch diese Welt detailierter skizziert hätte. Das waren die Erwartungen, die ich nach der Leseprobe mitunter hatte. Letztendlich spielt es aber kaum eine Rolle. Das einzige, was man wissen muss, ist, dass die Welt offenbar ein kälterer, liebloser Ort geworden ist. Leider fehlt da im Zeitstrahl besonders in den letzten Jahrzehnten davor einiges. Während die Kindheit und Jugend detailliert beschrieben wurden, wird das Alter nur gerafft erzählt. Schade! Vor allem bleibt es im Familienkreis. Was ist in der Zeit mit der restlichen Welt geschehen?
Kommen wir zum Titel des Romans. Mit der Lektüre klärt sich auf, wie es wortwörtlich zu diesem kommt, aber trotzdem finde ich ihn im Nachhinein unpassend. Dafür wird viel zu wenig Raum für diesen Teil der Geschichte aufgewendet, obwohl er meiner Meinung nach spannend genug für einen eigenen Roman gewesen wäre. Ohne zu spoilern, kann ich nur sagen, dass viele interessante Fässer aufgemacht und ins Rollen gebracht werden. Wir lesen aber nur, was in ihnen sein soll und können nie wirklich reinschauen. Das hat mir gefehlt. Gerade in Bezug auf das Thema Romantik, das ja der Namensgeber des Ganzen ist. Auch wenn das Leben so vielseitig ist und es dadurch realistischer wirkte, hätte es auch gereicht, sich auf einige "Familienprobleme" zu beschränken und dem Kind einen anderen Namen zu geben.
Sprachlich war es auch vielschichtig. Manchmal tauchten poetische, lyrische Passagen auf, da die Erzählerin selbst literarisch unterwegs ist. Den Schreibstil habe ich als sehr angenehm empfunden: Einige Bilder und schöne Metaphern, die ich noch nicht gehört habe*. Aber vor allem gradlinig und forttreibend. Nur manchmal, in Verbindung mit wörtlicher Rede, habe ich etwas gestutzt. Die Dialoge fand ich nicht sonderlich gewieft, besonders in der Gegenwart.
Aber das wirkt jetzt doch ein wenig zu kritisch dafür, dass mich das Buch sehr gut unterhalten hat. Die Stimmung hat mich total erreicht und Fiona, die Protagonistin, ist total auf meiner Wellenlänge. Ein sehr interessanter Mensch, den ich gern als Freundin hätte.