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Veröffentlicht am 17.06.2021

Scheint spannend

Der Nachlass
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Hedda liegt im Sterben, ein letztes Mal will sie ihre Familie um sich versammeln. Aber nach der Testamentseröffnung weicht die oberflächlich traute Familienzusammenkunft rasch einem Aufflammen alter Konflikte. ...

Hedda liegt im Sterben, ein letztes Mal will sie ihre Familie um sich versammeln. Aber nach der Testamentseröffnung weicht die oberflächlich traute Familienzusammenkunft rasch einem Aufflammen alter Konflikte. Verdienen muss sich der Erbe Heddas angestammtes Vermögen und die Aufgaben dafür werden immer schwieriger.

Titelbild, Klappentext und Leseprobe sind sehr ansprechend. Die Idee, „Einer wird gewinnen“ ist ein tolles Thema und der Schreibstil eingängig und flüssig. Auch die unterschiedlichen Zeitebenen, mittels derer nach und nach Verborgenes aus der Tiefe geholt wird, lange schwelende Verletzungen aufgedeckt werden, halte ich für ein gutes und passendes Stilmittel.

Dennoch wird die Geschichte im Laufe der knappen und übersichtlich gekennzeichneten Kapitel immer eigenwilliger, die Aufgaben der verstorbenen Mutter von Übung zu Übung immer absurder, insbesondere das Verbrennen am Induktionsherd (!). Ein Erbe muss jedoch gefunden werden und so wird hartnäckig gekämpft bis zum bitteren Ende. Ich weiß nicht, woran es liegt, aber Spannung herrscht nur zu Beginn des Buches vor, anstatt sich zu steigern und ein Nervenkitzel beim Leser auszulösen, verliert sich diese durch Vorausschauen, die zwar beim ersten Mal gelungen ins Bild passen, wiederholt aber eher am Ziel vorbeischießen.

Von einem „großen Thriller“ kann leider keine Rede sein, auch wenn das Aufarbeiten von Jahrzehnte alten Konflikten und das Verhalten der einzelnen Figuren nicht uninteressant sind.





Titel Der Nachlass – Für Rache ist es nie zu spät

Autor Jonas Winner

ISBN 978-3-453-44088-3

Sprache Deutsch

Ausgabe Taschenbuch, 352 Seiten

Erscheinungsdatum 14.6.2020

Verlag Heyne

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Veröffentlicht am 09.06.2021

Im Krankenhaus

Backdoor
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Dem Koblenzer Bundeswehrkrankenhaus wird ein Hackerangriff angekündigt. Als Beweis für die Echtheit senden die Unruhestifter ein Röntgenbild mit, das sie über das Computersystem des Spitals abgerufen haben. ...

Dem Koblenzer Bundeswehrkrankenhaus wird ein Hackerangriff angekündigt. Als Beweis für die Echtheit senden die Unruhestifter ein Röntgenbild mit, das sie über das Computersystem des Spitals abgerufen haben. Um die interne IT-Abteilung zu unterstützen, wird Hauptmann Christoph Braun mit seinem Team zu Hilfe gerufen, der im Laufe der Ermittlungen noch weitere Spuren entdeckt.

Mit dem eher nüchternen Schreibstil eines Sachbuchautors geht Frank Neugebauer an die Geschichte heran. Dieser „Bundeswehr-Krimi“ gleicht vor allem zu Beginn eher einem Abarbeiten von einzelnen Szenen denn einer flüssigen Romanhandlung. Allerdings fügen sich dann doch sehr lebendige und realitätsnahe Kapitel ins Geschehen ein, sodass die Figuren auch in ihrem Dasein abseits des IT-Alltags gezeigt werden und dadurch zu greifbaren Persönlichkeiten werden. Das Thema Sicherheit im technischen Bereich ist aufgrund Neugebauers Fachkenntnis sehr eindrücklich dargestellt, Spezialbegriffe werden stets verständlich erklärt bzw. sind sie noch zusätzlich in einem angefügten Glossar übersichtlich zusammengefasst.

Trotz des ausgesprochen spannenden Themas und der sehr interessanten Grundlage für die Hackerangriffe liest sich das Buch ein wenig holprig. Das liegt nicht zuletzt an den Zeit- und Ortswechseln, obwohl die Überschriften diese klar kennzeichnen. Möglicherweise sollten die Beweggründe der handelnden Personen ein wenig mehr in den Vordergrund rücken?

Backdoor zeigt jedenfalls viele Gefahren unseres immer stärker computerbasierten Lebens auf und die niedrige Hemmschwelle, nicht nur Lücken im System zum persönlichen Vorteil zu nützen.





Titel Backdoor

Autor Frank Neugebauer

ISBN 978-3-7534-5919-6

Sprache Deutsch

Ausgabe Taschenbuch, 336 Seiten

Erscheinungsdatum 18. März 2021

Verlag Books on Demand

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Veröffentlicht am 20.04.2021

Schweigen

Möwensommer
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Bezaubernd ist der Blumenladen "Blühende Phantasie" auf Norderney, in dem Lina ihre Erfüllung findet. Auch sonst ist sie voll eingebunden ins Leben und Geschehen auf der Insel, schließlich kennt hier jeder ...

Bezaubernd ist der Blumenladen "Blühende Phantasie" auf Norderney, in dem Lina ihre Erfüllung findet. Auch sonst ist sie voll eingebunden ins Leben und Geschehen auf der Insel, schließlich kennt hier jeder jeden. Lustige Mädelstreffen und entspannte Segelausflüge mit ihrem Jugendfreund Mattis erfüllen ihr Privatleben. Nur mit der Liebe hapert es noch – die Auswahl an passenden Kandidaten ist auf der Insel überschaubar – bis der fesche Standesbeamte Bent auf die Insel zieht und Mattis irgendwann noch schweigsamer wird.

Bereits der Beginn im Blumenladen ist wunderschön: die Liebe Linas zu den blühenden Lebewesen, die bildhafte und detailgetreue Beschreibung von Buketts und Sträußen, die Milchkannen neben Lilien und bunten Bändern, einfach herrlich, eine vielversprechende Mischung aus Romantik und Missverständnissen, die sympathische Lina und ein etwas brummiger Mattis begegnen uns auf den ersten Seiten von Möwensommer.

Was so traumhaft beginnt, wandelt sich jedoch bald in eine vorhersehbare Abfolge platter Klischees, wobei Tippfehler und kleine Ungereimtheiten das Ihre beitragen, um das anfängliche Lesevergnügen zu trüben. Diese Makel werden aber zumindest etwas aufgewogen durch die Lebendigkeit der Fauna und Flora Norderneys, dem Duft der Lilien, der salzigen Brise, die man einatmet beim Lesen. Schnell bekommt man Lust auf Urlaub, stille Spaziergänge und die Weite des Meeres. So versöhnt das Buch doch noch mit warmherzigen Szenen, die uns Freundschaft und Zusammenhalt spüren lassen.

Drei Sterne für nette Abwechslung an einem verregneten Wochenende.

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Veröffentlicht am 29.03.2021

Tarnen und Täuschen

Geiger
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Die Enkel verabschieden sich kurz bevor das Telefon klingelt. „Geiger“, tönt es aus der Leitung, Agneta holt die Waffe, erschießt ihren Mann und winkt noch aus dem Fenster. Kommissarin Sara Nowak ist zwar ...

Die Enkel verabschieden sich kurz bevor das Telefon klingelt. „Geiger“, tönt es aus der Leitung, Agneta holt die Waffe, erschießt ihren Mann und winkt noch aus dem Fenster. Kommissarin Sara Nowak ist zwar kein Teil des Ermittlungsteams, aber sie kennt die Familie seit ihrer Kindheit und hegt daher größtes Interesse an der Aufklärung.

Während das erste Kapitel sehr spannend zu lesen ist mit vielen bildreichen Details, tritt alsdann eine überraschende Wende ein: die Geschichte entpuppt sich als Spionagethriller mit einer allzu aggressiven Sittenpolizistin Nowak. Mehrere Erzählstränge laufen nebeneinander, aber es fehlt auf weiten Strecken die Spannung, viele – für mich – langatmige Seiten füllen das Buch. Obwohl die Grundidee eine interessante ist und gewiss viel aufwändige Recherche diesem Thriller zugrunde liegt, so habe ich diese Art von Polithintergrund nicht erwartet und leider lange damit gehadert. Wo manchmal der Klappentext beinahe zu viel verrät, wird hier die Stasi nicht einmal in einem Nebensatz erwähnt. Das zweite große Thema ist Prostitution und Vergewaltigung im Milieu, wodurch nicht nur über Sara Verbindungen geschaffen werden. Die einzelnen Fäden laufen auch stimmig am Ende zusammen, weshalb dieser erste Teil der Trilogie gut für sich als Einzelband stehen bleiben kann.

Die einzelnen Kapitel sind eher kurz und rasch lesbar, die Figuren bleiben aber allesamt sehr oberflächlich und distanziert. Genaueres erfährt man nur zu Sara, woher jedoch ihre angriffige und misstrauische Art rührt, bleibt offen.

Insgesamt konnte „Geiger“ mich nicht fesseln, auch wenn die Handlung im Gesamten gut durchdacht und wohl überlegt ist. Ausschweifende Erzählstränge, etliche Bilder und Namen von Politikern und TV-Größen, das Anreißen von nebensächlichen Themen und einige unglaubwürdige Szenen – es gibt genug Gründe dafür, dass ich mich freue, dass dieser Band in sich abgeschlossen scheint und die Folgebände der Trilogie nicht nötig sind, um offene Frage zu klären.

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Veröffentlicht am 15.02.2021

Auf der Suche

Der Klang der Wälder
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In einem abgelegenen Bergdorf wächst Tomura-kun auf, das Rauschen der Wälder begleitet ihn und prägt seine Leidenschaft für Klang und Musik. Als er eines Tages dem Klavierstimmer Itadori-san bei der Arbeit ...

In einem abgelegenen Bergdorf wächst Tomura-kun auf, das Rauschen der Wälder begleitet ihn und prägt seine Leidenschaft für Klang und Musik. Als er eines Tages dem Klavierstimmer Itadori-san bei der Arbeit zusieht und -hört, ist er von dieser Aufgabe so fasziniert, dass er selber dieses Handwerk erlernt. Umgeben von erfahrenen Kollegen, setzt er sich allerdings sehr unter Druck und fühlt sich stets minderbegabt. Erst durch die Schwestern Yuni und Kazune und deren Schicksal findet er zu sich selbst und seiner Bestimmung.

Mit klaren Worten, einfach und prägnant, dennoch aber mit einer gewissen Melodie setzt Autorin Natsu Miyashita diesen Roman in Szene. Tomura-kun trifft fern von seiner Heimat auf viele Gewohnheiten, die ihm fremd sind. Nur langsam fügt er sich mit viel Fleiß ins Erwerbsleben ein und versucht, seine vermeintlichen Schwächen durch Ausdauer und Lernbereitschaft auszugleichen.

Während das Titelbild und der Klappentext sehr einladend wirken, so plätschert die Geschichte Tomura-kuns nur langsam und gemächlich dahin. Zu Beginn ist die Technik des Klavierstimmens noch sehr interessant, mit zunehmenden Wiederholungen wird die Sache jedoch ein wenig langatmig, auch wenn hinter jedem Klavier ein ganz individueller Pianist steht und jeder Spieler sich eine andere Klangnote wünscht. Ist Klavierstimmen also nur ein Handwerk, das man erlernen kann und eine reproduzierbare Technik? Oder steckt schlussendlich doch mehr dahinter? Der Protagonist muss sich viele Monate quälen, bis er wiederum auf die beiden Schwestern trifft, bei denen er das erste Mal nach seiner Grundausbildung beim Klavierstimmen dabei sein durfte. Erst jetzt erkennt er, was seine Arbeit bewirken kann und worauf er sein Augenmerk richten möchte.

Leider erscheint vieles in diesem Roman etwas schwermütig und eintönig, die Figuren bleiben nebelhaft fern, die Entwicklung Tomura-kuns nicht so lebendig, wie es hätte sein können. Vielleicht liegt es an der ganz anderen Kultur Japans, dass hier dieser Eindruck entsteht, an den sehr höflichen und oft recht förmlichen Umgangsformen, die kaum Privates und Ungezwungenes zulassen? In Summe handelt es sich um eine interessante Geschichte, die aber kaum Emotionen bei mir auslösen kann. Schade. Aufgrund der angenehmen Sprachmelodie und der grundsätzlich schönen Idee für dieses Buch vergebe ich drei Sterne.

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