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Veröffentlicht am 23.09.2021

Geschwisterliebe!?

SCHWEIG!
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Esther hat am Tag vor Heiligabend eigentlich noch genug vorzubereiten und zu besorgen. Ein Besuch bei ihrer Schwester passt daher so gar nicht in ihren Zeitplan, allerdings fühlt sie sich dazu verpflichtet, ...

Esther hat am Tag vor Heiligabend eigentlich noch genug vorzubereiten und zu besorgen. Ein Besuch bei ihrer Schwester passt daher so gar nicht in ihren Zeitplan, allerdings fühlt sie sich dazu verpflichtet, schließlich ist Weihnachten und ihre Schwester lebt nach ihrer Scheidung ganz allein in einem riesigen Haus im Wald und niemand sollte doch an Weihnachten allein sein. Esthers Schwester, Sue, dagegen ist ganz zufrieden mit ihrem selbstgewählten Exil und ein Besuch ihrer Schwester das letzte, was sie gebrauchen kann. Sie versucht ihre Schwester einfach schnell wieder loszuwerden, aber diese redet und redet und redet.

Jeder kennt diese Situation, man will eigentlich allein sein, der Gegenüber allerdings versteht den Wink mit dem Zaunspfahl nicht und man wird ihn nicht los. Rund um diese Konstellation baut die Autorin ihre Geschichte, die grobe Züge eines Kammerspiels aufzeigt. Es gibt nur eine begrenzte Anzahl an Figuren, Esther, Esthers Mann, ihre beiden Kinder und die Schwester. Die Handlung findet fast ausschließlich in Sues Haus im Wald statt. Abwechselnd erzählt die Autorin die Geschichte aus der Sicht von Esther und Sue, später auch aus der von Esthers Mann. So passiert es, dass man ein und die selbe Situation aus verschiedenen Blickwinkeln erlebt und so natürlich den Konflikt der Geschwister auf einer ganz anderen Ebene mitverfolgt. Diese Art des Aufbaus passt hier sehr gut ins Konzept, gibt tiefe Einblicke in das Seelenleben der Protagonisten und untermauert ihr Handeln.

Das Buch beginnt mit einer eher ruhigen Alltagssituation, unterschwellig ist aber schon sehr früh eine gewisse Spannung zu spüren. Die Beziehung der Geschwister ist irgendwie ungesund, ohne das man direkt sagen könnte woran das liegt. Natürlich wird dieser Umstand im Verlauf aufgeklärt, wobei es die Autorin und ihre Figuren immer wieder schaffen den Leser zu überraschen und aufs Glatteis zu führen.

Der Thriller ist keiner der rasanten, in denen es viel Blut, oder Gewalt gibt. Die Spannung und das ungute Gefühl werden hier fast komplett auf der psychologischen Ebene erzeugt. Die Autorin beweist hier ein Händchen für das Schaffen einer komplexen und komplizierten Familienhistorie. Die Dynamik zwischen den Figuren ist mal liebevoll, mal bedrohlich, das Konstrukt familiärer Bindung wird perfekt wiedergegeben.

Schweig, der Titel des Buches, mit Ausrufezeichen, wandelt sich im Verlauf des Buches. Er ist fast ein Befehl, eine Bitte, ein Flehen, ein Wunsch, ein Mittel um den Alltag zu überstehen, eine Absicherung. Schweig, das Buch, ist ein intensiver Dialog, eine Aufarbeitung, eine krude Familienphilosophie, ein bisschen heile Welt und ein tiefer, verstörender Blick hinter die Fassade ebendieser. Am Ende bleibt die Erkenntnis, Familie hat man ein Leben lang, man sucht sie sich nicht aus und man wird sie nicht los, denn letztlich ist Blut dicker als Wasser und über manches sollte man besser schweigen.

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Veröffentlicht am 12.09.2021

Filmreifes Debüt

Die Stille des Bösen
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Die Kleinstadt Limestone Creek ist weit davon entfernt, idyllisch zu sein. Die umgebenden Berge sind pure Wildnis, das Wetter kann sich innerhalb von Sekunden ändern und die Einheimischen wissen unheimliche ...

Die Kleinstadt Limestone Creek ist weit davon entfernt, idyllisch zu sein. Die umgebenden Berge sind pure Wildnis, das Wetter kann sich innerhalb von Sekunden ändern und die Einheimischen wissen unheimliche Geschichten zu erzählen, besonders nachdem in den Achtzigern einige junge Mädchen verschwunden sind. Als sich eine Schulklasse zu einem Ausflug in die Berge aufmacht, sind natürlich auch diese Legenden Thema. Anfangs sieht alles nach einem lustigen Wandertrip aus, aber dieser Eindruck täuscht.

Das Buch erzählt ein relativ bekanntes Motiv. Eine Gruppe Teenager befindet sich auf einem Ausflug, dann verschwinden einige Mitglieder spurlos und die Suche beginnt. Ein Plot, der so, oder so ähnlich sehr beliebt ist im Thrillergenre. Eine Alltagssituation, vermeindliche Idylle und dann passiert es. Jeder von uns kann sicher auf Anhieb ein Buch, oder einen Film mit dieser Ausgangssituation nennen. Der Erfolg der Geschichte liegt nun an den Einzelheiten und Nuancen, mit denen der Autor es schafft sich von den anderen Geschichten abzuheben und den Leser zu fesseln.

Kyle Perry erzählt seine Version zum einen sehr überzeugend durch seine Figuren. Figuren, die polarisieren, die Tiefe haben, teils das sprichwörtliche zweite Gesicht. Figuren, die sich beim erzählen der Geschichte abwechsel und so den Leser immer jeweils an ihrer Sicht, an ihren Erinnerungen, Gedanken und Emotionen teilhaben lassen. Dadurch bekommt die Geschichte eine spannende und fesselnde Dynamik.

Zentraler Punkt des Buches ist das Verschwinden der Mädchen, relativ schnell nach Beginn der Geschichte. Der Autor lässt den Leser allerdings nicht direkt daran teilhaben, dadurch entsteht die Situation, dass man am selben Punkt ansetzt wie auch die Ermittler. Ich mag diese Konstellation sehr gerne, ermöglicht es doch parallel zur Geschichte, eigene Schlüsse zu ziehen, die dann immer wieder durch neue Erkenntnisse infrage gestellt werden. Bis zum Ende gelingt es dem Autor den Leser zu verwirren und die Spannung hoch zu halten. Dabei arbeitet er hier eher mit subtilen Mitteln, er schafft allein durch düstere Landschaftsbeschreibungen, oder das Einstreuen alter Legenden eine beklemmende Atmosphäre. Nach und nach lässt er Geheimnisse ans Licht kommen, abstoßend und verstörend. Während des ganzen Buches hat man so, ein ungutes Gefühl, kann sich dem Sog der Geschichte aber nicht entziehen.

Kyle Perry hat ein atemberaubendes Debüt geschrieben, das mich in den Grundzügen etwas an die Mini Serie "Picnic at Hanging Rock" erinnert hat, aber auch Elemente des Horrorstreifens "The Forest" enthält. Auch für dieses Buch kann ich mir eine Verfilmung des Stoffes, inklusive etwas zu gut gemeintem Showdown, sehr gut vorstellen.

Das Buch ist optisch, wie inhaltlich sehr gut gemacht, 490 Seiten aus denen dem Leser die Stille des Bösen buchstäblich entgegenschlägt. In diesem Stil, mit den eingeführten Ermittlerfiguren, darf es meinetwegen gern noch mehr geben.

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Veröffentlicht am 12.09.2021

Interessante Fakten

Science-Fiction. 100 Seiten
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Science-Fiction ist ein oft belächeltes Genre, für Fans vollkommen unverständlich, hat es doch die gleiche Daseinsberechtigung wie Krimis, oder Belletristik. Sascha Mamczak zeigt hier in der Reclam Reihe ...

Science-Fiction ist ein oft belächeltes Genre, für Fans vollkommen unverständlich, hat es doch die gleiche Daseinsberechtigung wie Krimis, oder Belletristik. Sascha Mamczak zeigt hier in der Reclam Reihe "100 Seiten" das man diese Form der Unterhaltung durchaus ernstnehmen sollte und muss, hat sie doch großen Einfluss darauf, wie wir die Zukunft sehen, welche Erwartungshaltung wir an sie stellen und sie ist nicht zuletzt Ideengeber für unzählige Erfindungen.

Der Autor beleuchtet die geschichtliche Entwicklung der Sciense-Fiction und stellt zb die Frage, ob nicht schon die Erzählungen der alten Griechen, im Grunde nichts anderes als Science -Fiction waren. Er erklärt anhand verschiedener Beispiele, die verschiedenen Strömungen, genauso wie auch die unterschiedlichen Herangehensweisen der Autoren. Fans des Genres finden so interessante Fakts zu Autoren, Büchern, Filmen und den verschiedensten Science-Fiction-Universen. Jeder wird sich hier in mit seiner Lieblingsfigur wiederfinden. Das Buch enthält unterstützend, Abbildungen und Infografiken.

Für Fans stellt das kleine Büchlein eine spannende und informative Ergänzung dar. Obwohl die Ausdrucksweise des Autors manchmal eher ins Wissenschaftliche geht, könnte ich mir auch Genrefremde als Leser vorstellen. Ihnen würde durch die Lektüre vielleicht Lust gemacht neue Wege zu beschreiten. Wege, die in die unendlichen Weiten des Universums führen könnten, genauso wie in die Tiefen des Ozeans, oder in eine andere Zeit. Der Ein, oder Andere wird überrascht sein, welche bekannten Geschichten im Grunde schon zur Science-Fiction gezählt werden.

In der "100 Seiten" Reihe von Reclam sind noch viele andere Bücher zu den verschiedensten Themen erschienen, da ist sicher für jeden etwas dabei.

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Veröffentlicht am 11.07.2021

Sehr spannend

Mohnblumentod
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Das das eigene Kind verschwindet, ist das wohl das schlimmste Szenario für Eltern. Als Frida Plamgren nach ihrer Tochter sehen will, die im Kinderwagen auf der Terasse schläft, ist diese spurlos verschwunden. ...

Das das eigene Kind verschwindet, ist das wohl das schlimmste Szenario für Eltern. Als Frida Plamgren nach ihrer Tochter sehen will, die im Kinderwagen auf der Terasse schläft, ist diese spurlos verschwunden. Kommissarin Charlie Lager wird mit einem Kollegen zu den Ermittlungen hinzugezogen und ein Wettlauf gegen die Zeit beginnt.

Bei dem Buch handelt es sich bereits um den dritten Thriller der schwedischen Autorin, um die sehr spezielle Ermittlerfigur Charlie Lager. Ich kannte bisher keines der Bücher. Da die Geschichte in sich abgeschlossen ist kann sie allerdings super ohne Vorkenntnisse gelesen werden. Ich habe nichts vermisst, auch keine Hintergründe zur komplizierten Familiengeschichte der Ermitterin.

Diese Ermitterfigur ist es auch, die das Buch trägt. Die Autorin hat hier eine Person mit Vergangenheit geschaffen, nicht einfach im Umgang, einzelgängerisch, unbequem, brillant im Bezug auf ihre Arbeit, aber ständig im Kampf gegen ihre eigenen Dämonen. Die Art und der Lebenswandel der Hauptfigur macht sie mir eigentlich ziemlich unsympathisch, trotzdem ist da etwas, das mich in der Geschichte hält. Die Autorin hat hier alles richtig gemacht.

Ich habe die 360 Seiten an einem verregneten Sonntag weggelesen. Die Geschichte ist spannend und vielschichtig aufgebaut. Immer wieder gibt es neue Informationen, die das bisher Erarbeitete der Ermittlungen zunichte machen. Hier ist gut dargestellt, wie mühsam die Ermilungsarbeit ist und wie neue Informationen plötzlich ein vollkommen anderes Bild ergeben und man wieder am Anfang steht. Die Geschichte besteht aus zwei Handlungssträngen, der eine umfasst die Suche nach der kleinen Beatrice, der andere führt den Leser in eine frühere Nervenheilanstalt, in der heute Jugendliche therapiert werden, die aus den verschiedensten Gründen Probleme haben. Die Abschnitte rund um die jungen Mädchen im Heim sind nicht datiert und man hat zunächst keine Ahnung, ob die Ereignisse früher, oder zeitgleich stattfinden und wie sie generell mit der Geschichte zu tun haben. Meine anfänglichen Vermutungen dazu stellten sich als falsch heraus.

Das Buch verzichtet auf blutrünstige Action, der Reiz liegt eher im psychologischen Bereich, in den Abgründen hinter einer vermeintlich idyllischen Fassade, es ist tatsächlich sehr typisch skandinavisch. Die Aufklärung der Geschichte ist gut und glaubwürdig gelöst, es fallen alle Puzzleteichen an den richtigen und nun auch logischen Platz. Ich lag mit meinen Vermutungen lange Zeit falsch, erst ziemlich zum Ende hatte ich eine Ahnung, wohin die Geschichte geht. Charlie Lager und ich sind noch nicht wirklich Freunde geworden, aber sie hat eindeutig mein Interesse geweckt und ich werde natürlich die Vorgängerbücher lesen, um die Wartezeit auf das Nächste zu überbrücken.

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Veröffentlicht am 07.06.2021

Man hat es ja eigentlich geahnt

Ohne Rücksicht auf Verluste
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Ich kann mich noch gut daran erinnern, wie ich mich als unwissender Ossi nach Öffnung der Grenze auf Coca Cola, Ü-Eier und eben auch die Bild Zeitung gestürzt habe. Irgendwie war das Inbegriff der neuen ...

Ich kann mich noch gut daran erinnern, wie ich mich als unwissender Ossi nach Öffnung der Grenze auf Coca Cola, Ü-Eier und eben auch die Bild Zeitung gestürzt habe. Irgendwie war das Inbegriff der neuen Lebensart und sollte den bisherig ungestillten Hunger nach Informationen befriedigen. In meinem Fall ist das Interesse schnell abgekühlt, zu viel Gewalt, zu viel Sport, zu viel nackte Haut. Für meinen Geschmack zu grell, zu bunt, zu laut, zu sensationslüstern. Auch heute stehe ich der Bild sehr kritisch gegenüber. Wenn ich das Blatt berufsbedingt fast täglich in Händen halte, schüttel ich ganz oft den Kopf, bin aber leider auch manchmal von der Schlagzeile angezogen.

Die beiden Autoren setzen sich kritisch mit dem Phänomen Bild und dem Einfluss den dieses Medium hat auseinander. Als rational denkender Mensch dürften einen die Erkenntnisse eigentlich nicht überraschen, allerdings ist man trotzdem ganz oft einfach nur sprachlos. In verschiedenste Themenbereiche unterteilt bekommt der Leser hier in kurzen Abschnitten Einblick in die Maschinerie hinter der Schlagzeile, in die zweifelhaften Methoden der Redakteure und Reporter. Es wird ungeschönt gezeigt, wie dreist hier ein Medium genutzt wird um Stimmung zu machen, wie leicht Karrieren gepuscht werden können, wie schnell man aber auch in Ungnade fallen kann. Es werden nach steretypen, austauschbaren Mustern Feindbilder kreiert, wobei es weniger um echte Fakten geht, als vielmehr darum, was möglichst reisserisch klingt.

Erschreckend finde ich, dass teils seriöse Nachrichtendienste sich an Meldungen der Bild orientieren und diese unbesehen übernehmen. Auch ich muss mir eingestehen, dass ich die ein, oder andere Polemik schon genutzt habe, ohne zu wissen, das sie ihren Ursprung bei Bild genommen hat und letztlich auf falschen, teils erfundenen, oder aus dem Kontext gerissenen Fakten und Aussagen besteht. Die Autoren zeigen auf, wie leicht es eigentlich in Zeiten des Internets wäre diese Fakten zu überprüfen, aber der typische Bildleser macht sich diese Mühe natürlich nicht, spricht die Zeitung ihm doch meist aus dem Herzen wenn Themen wie Kriminalität, Unfähigkeit der Politik, oder Migrationsproblematik behandelt werden. Der Leser fühlt sich verstanden, eingebunden, was immer wieder durch Leseraktionen ausgenutzt wird.

Trotz sinkender Verkaufszahlen ist Bild eine der stärkste Kraft auf dem Medienmarkt und hat somit eine unglaubliche Macht. Mit dieser Macht kommt natürlich auch Verantwortung, aber davon das diese übernommen wird findet man leider nichts im Buch. Wenn nach einer Falschmeldung Kita Mitarbeiter Morddrohungen erhalten wird das billigend in Kauf genommen. Richtigstellung, oder Bemühung um Deeskalation Fehlanzeige.

Knapp die Hälfte des Buches ist mit Beispielen zur Arbeitsweise der Bildzeitung früher, aber vorallem heute gefüllt. Die andere Hälfte wird eingenommen von weiterführenden Links, hier kann der Leser noch umfangreich nachrecherchieren, den hier sind die Autoren, anders als bei Bild, um Transparenz und Wahrheit bemüht.

Das Buch regt auf, sollte aber unbedingt gelesen werden.

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