Hätte er mal besser aufgepasst – doch so stolpert der Student Anselmus geradewegs in ein altes Apfelweib, das ihn prompt verflucht und ist, ehe er sich versieht schon mitten im Geschehen. Der tollpatschige Student Anselmus aus „Der goldne Topf“, einem Kunstmärchen der Romantik, das 1814 von E.T.A. Hoffmann veröffentlicht wurde, findet sich in schon bald in einem inneren Konflikt wieder. Nachdem er vor dem Apfelweib geflüchtet ist, trifft er auf Serpentina, die ihn von nun an auf seinem Weg begleitet und ihn in die fantastische Welt einführt. Doch nicht nur Serpentina gewinnt Anselmus‘ Liebe und Zuneigung, auch die bürgerliche Veronika kämpft um ihn. So kommt es, dass er hin- und hergerissen ist zwischen zwei Frauen und zwischen zwei vollkommen verschiedenen Welten. Zusätzlich wird er als Schachfigur zwischen gegensätzlichen Partien benutzt, manipuliert und beeinflusst. Allein die kalligraphische Schreibkunst scheint ihm als Fels in der Brandung Halt zu geben. Doch wird dieser bestehen bleiben, wenn der ausgesprochene Fluch erst zu wirken beginnt…?
E.T.A. Hoffmanns Werk ist sehr speziell, und es dauert, bis man sich an die altertümliche Sprache gewöhnt hat. Ein ständig wechselnder Erzähler führt den Leser durch die Geschichte, die durch eine recht kompli-ziert wirkende Binnenhandlung und irritierende Leseransprachen unterbrochen wird. Dadurch wird zwar der Leser mehr miteinbezogen, gleichzeitig hat man aber Mühe den roten Faden nicht zu verlieren. Sowohl die Sprache als auch die Wortwahl sind recht anmutig gewählt und es wird sehr detailliert erzählt. Deswegen gibt es immer wieder Seiten, die ermüdend sind, da, obwohl viel geschrieben steht, nur wenig erzählt wird.
Nichtsdestotrotz ist „Der goldne Topf“ sehr unterhaltsam, wenn man sich erst einmal eingelesen und den Stil akzeptiert hat. So kann man sich gerade durch die vielen Details und die lebendige Darstellung gut in den Protagonisten und die anderen Charaktere hineinversetzen. Die Handlung ist originell und kein hun-dertster Abklatsch irgendwelcher Fantasy-Romane, die sich kaum voneinander unterscheiden. Zudem werden für die Romantik typische Themen und Motive aufgegriffen, wie die Doppelgänger, die Naturphilosophie und natürlich ganz wichtig: die Poesie. Aber auch die Spießbürger spielen eine bedeutende Rolle. Alles zusammen bildet eine ausgewogene Mischung zwischen Märchen und bürgerlicher Realität, was durch die fließende Verknüpfung beider Welten erreicht wird.
Man kann die Themen und Geschehnisse mit viel Interpretieren auch auf heutige Probleme und Fragen übertragen, doch dazu benötigt es teilweise Denkanstöße von „Kennern“. Das Ende des Märchens lässt sich bezüglich Anselmus geistiger Verfassung unterschiedlich auslegen, wobei man sehr psychologisiert denken muss.
„Der goldene Topf“ gleicht dem Märchen „Nussknacker und Mäusekönig“ sehr, das ebenfalls von Hoffmann geschrieben wurde, indem es nicht nur die Dualität zweier Welten, sondern auch eine größtenteils identische Figurenkonstellation aufweist. Im Gegensatz zu herkömmlichen Märchen ist „Der goldne Topf“ nicht nur auf die Märchenwelt beschränkt, sondern spielt in verschiedenen zeitlichen und räumlichen Ebenen.
„Der goldne Topf“ eignet sich nicht für Kinder, sondern mehr für Jugendliche und Erwachsene, da die Handlung relativ kompliziert ist und das Verständnis noch durch die komplexe Sprache erschwert wird. Daher sollte man nicht erwarten, nach dem ersten Lesen schon alles verstanden zu haben. Zudem sollten Menschen, die Märchen, Fantasy-Romane oder Liebesgeschichten nicht leiden können, lieber zu anderen Büchern greifen. Zuletzt verspreche ich eins: Schullektüren-Feeling garantiert!