Es war schon traurig. Nach 5 Bänden um die Erdmännchen Ray und Rufus, endete mit „Letzte Runde“ die urig komische Serie von Moritz Matthies.
Als dann wider Erwarten ein Nachfolger angekündigt wurde, waren Skepsis und Hoffnung lange im Widerstreit. Wird es nur ein lauwarmer Aufguss? Wird, ja kann es wieder so kultig werden?
Nach gefühlten Ewigkeiten des Wartens schlug das erneut vom genialen Christoph Maria Herbst gelesene „Der Wald ruft“ bei uns auf.
Eigentlich ist alles wie immer, im Zoo Berlin dreht Ray seine Runden außerhalb des Geheges, der Alltag gleitet vor sich hin. Seine große Liebe wurde ihm genommen, seine Aufgabe als Privatdetektiv ist er auch los. Was nun? Doch noch bevor er sich zu sehr darüber Gedanken machen kann, nimmt ihm der Zoodirektor die Entscheidung ab. Die Erdmännchen-Familie soll nach Oslo verschickt werden. Doch die Nacht- und Nebelaktion misslingt, der Clan kann geschlossen durch die Kanalisation fliehen. Wie durch ein Wunder überleben alle Mitglieder, vom gealterten früheren Clan-Chef „Pa“, bis zu Schlaumeier Archimedes.
Die Gruppe strandet südlich von Berlin im Wald. Dort angekommen sind ihnen die eigentlichen Einwohner des „Deutschen Waldes“ nicht allzu wohlgesonnen. Insbesondere mit den Wildschweinen geraten die Erdmännchen schnell aneinander. Ihr quirlige Art und ihr Herkunft – gemeint ist Afrika, nicht der Zoo – sorgen für jede Menge Ärger.
Es ist ein Meisterstück! Wer eine lasche, plumpe und niedliche Geschichte erwartet, wird sich wundern. Bitterböse, von Sarkasmus strotzende Gesellschaftskritik – verpackt in Form eines tierischen Abenteuers. Mit Christoph Maria Herbst packt genau der richtige die scharfzüngige Kritik in Worte – seine 1000 Stimmen machen dieses Buch lebendig. Doch die ersten Rezensionen werfen mit Schmutz und kritisieren den Autor, wie den Sprecher. Doch warum? Die nationalistischen, putschierenden Schweine (kein Wortwitz) sprechen Sächsisch.
Nun, ich bin Sachse. Und leider muss ich sagen, dass das ja durchaus nicht aus der Luft gegriffen ist. Die geäußerte Kritik kann man gern mit dem Sprichwort „getroffene Hunde bellen“ beantworten.
Fakt ist aber, dass das Buch ein herrlicher Spiegel der Gesellschaft des letzten Jahrzehntes ist. Und so mancher, der in diesen Spiegel blickt, entdeckt eine hässliche Fratze. Selbsterkenntnis, die weh tun – ja gar wehtun muss.
Moritz Matthies hält nicht hinterm Baum, zieht den Genderwahnsinn, Homophobie, besorgte Bürger, Nazis, Spitzel, Mitläufer und Ja-Sager durch den Kakao. Wer sich da angesprochen fühlt, sollte seine Ansichten überdenken statt Autor und Sprecher zu kritisieren.
Dieses fabelhafte Lehrstück verdient nichts Anderes als 5 Sterne mit Bonussternchen. Hoffentlich war auch das nicht der letzte Streich … immerhin ist das Ende ja kein endgültiges.