Leider recht wenig Bezug zum Jakobsweg
Weiter, immer weiter...Nett, aber mehr leider auch nicht. Ich interessiere mich sehr für den Jakobsweg und vor allem für die Menschen, die ihn (aus den unterschiedlichen Gründen) gehen. Der Klappentext sprach mich an, denn er ...
Nett, aber mehr leider auch nicht. Ich interessiere mich sehr für den Jakobsweg und vor allem für die Menschen, die ihn (aus den unterschiedlichen Gründen) gehen. Der Klappentext sprach mich an, denn er versprach eine spannende Lebensgeschichte. Karl-Heinz Brass ist an Parkinson erkrankt und entscheidet sich spontan, den Weg zu gehen. Wenn nicht jetzt, wann dann?
Die Krankheit an sich spielt in dem Buch überhaupt keine Rolle. Nun mag es so sein, dass sie ihn tatsächlich noch nicht einschränkt, da er den Weg sofort plant, als er von der Erkrankung erfährt (zumindest habe ich das so verstanden). Trotzdem hätte ich mir gewünscht, dass das eventuell erklärt wird, damit der Leser auch versteht, ob Einschränkungen da sind, oder nicht.
Was mich massiv gestört hat ist, dass vor allem die letzten 100 km des Camino, als Brigitte nach Hause abgereist ist, wie ein Wettlauf mit sich selbst wirken. Sobald er auf sich allein gestellt ist, will er nur noch weg vom Camino (zumindest wirkt es auf mich so). Einerseits möchte ich das Verhalten von Herrn Brass weder be- noch verurteilen, denn es ist sein Leben, seine Art, den Weg zu gehen. Und das ist selbstverständlich in Ordnung.
Andererseits erwartet der Leser, der ein Buch über den Camino sucht, dass gerade auf diesem Stück, wo der Autor mit sich selbst allein ist, Raum wäre, um seine Gedanken und Gefühle zum Camino zu erforschen und mit dem Leser zu teilen. Das passiert in dem gesamten Buch kaum. Eigentlich geht es am meisten um seine Lebensgefährt in Brigitte (die eine tolle Frau sein muss) und darum, eine Unterkunft für die Nacht zu finden. Ich habe den Eindruck gewonnen, dass der Autor sehr stark von seiner Lebensgefährtin abhängig ist. Die Treffen mit ihr, auch über den Tag verteilt, motivieren ihn. Sollte es aber nicht der Camino selbst sein, der einen zum Weitergehen motiviert? Von Camino an sich, den Begegnungen, den eigenen Gedanken erfährt man als Leser sehr wenig.
Karl-Heinz Brass ist stark mit sich selbst beschäftigt, er ist gut darin, über andere zu urteilen und sich zu ärgern. Ich habe ehrlich gesagt keinen sehr guten Eindruck über den Autor erhalten. Ob es das ist, was ein Mensch mit einer Geschichte über sich selbst bezweckt, vermutlich nicht.
Für mich war das Tagebuch von Karl-Heinz Brass okay. Es ließ sich schnell und flüssig lesen. Ich habe es auf keinen Fall bereut, den Autor auf seinem Camino begleitet zu haben. Ich könnte mir vorstellen, dass das Buch für Menschen, die den Autor besperönlich kennen ganz interessant ist.
Aber es ist eben kein Werk über einen Menschen und seinen Camino. Theoretisch hätte der 800 km lange Fußmarsch auch überall sonst stattfinden können. Wer Bücher sucht, die da näher dran sind, Einblicke in den Weg und in die Gedanken der Menschen, die diesen Weg gehen, dem ist dieses Buch nicht zu empfehlen.
Ich vergebe 3 Sterne.