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Veröffentlicht am 27.12.2022

Viel Lokalkolorit – wenig Krimi

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Zunächst möchte ich bemerken, dass ich die Österreicher sehr mag und schätze und selbst nahe der österreichischen Grenze wohne. Was mir jedoch hier aufgetischt wurde, war eindeutig zu viel des Guten. Der ...

Zunächst möchte ich bemerken, dass ich die Österreicher sehr mag und schätze und selbst nahe der österreichischen Grenze wohne. Was mir jedoch hier aufgetischt wurde, war eindeutig zu viel des Guten. Der ganze Text wimmelt von speziellen österreichischen (burgenländischen?) Phrasen, Werbung für heimische Produkte und seltsamen Gebräuchen, die selbst mir als Süddeutsche fremd waren. Einige der Redensarten werden zwar übersetzt bzw. eingedeutscht, aber leider erst mehrere Seiten später, was beim Lesen auf dem eReader äußerst umständlich ist.

Die Handlung zieht sich zäh dahin, von Krimi ist erst ab etwa der Hälfte des Buches etwas zu merken, ausschweifende Erklärungen über Wald, Wild und Pflanzen überwiegen. Nicht nur typisch burgenländische Speisen werden erwähnt, sondern auch Orte, Lokale und Hintergründe genannt, die kaum jemand nennenswert findet und die man wohl nie besuchen wird. Für Österreicher bzw. Burgenländer mag das Buch sehr interessant sein, können sie doch anhand der ausführlichen Beschreibungen die Gegend besuchen, für alle anderen ist es einfach nur ermüdend. Es gibt zwar einige Tote - ob Unfall, Selbstmord oder Mord bleibt lange unklar – und die örtliche Polizei (die aus einem Mann und einer Frau besteht) bemüht sich auch redlich um Aufklärung. Der Schluss wartet dann mit einer Überraschung auf, die die Geschichte noch recht spannend macht, die aber nach meinem Empfinden nicht zu dem zuvor geschilderten Charakter der betreffenden Person passen will.

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Veröffentlicht am 17.03.2022

Seinen Gedanken kann man nicht entfliehen …

Das Vorkommnis
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„Wir haben übrigens denselben Vater.“ Dieser flüchtig dahin gesprochene Satz, den eine Unbekannte einer Autorin im Anschluss einer Lesung aus ihrem neuen Roman sagt, stellt ihr Leben und ihre Gedankenwelt ...

„Wir haben übrigens denselben Vater.“ Dieser flüchtig dahin gesprochene Satz, den eine Unbekannte einer Autorin im Anschluss einer Lesung aus ihrem neuen Roman sagt, stellt ihr Leben und ihre Gedankenwelt auf den Kopf. Plötzlich zweifelt sie an ihrem bisherigen Dasein, stellt das Familiengefüge infrage und reflektiert über Gegenwart und Vergangenheit. Als sie bald darauf mit ihren beiden Kindern und ihrer Mutter für einige Zeit in den USA lebt versucht sie ihr Verhältnis zu ihrem Vater zu analysieren, die Beziehung zu ihrem Mann zu klären und ihre Rolle als Mutter zu überdenken. Ihre Gedankengänge werden dabei immer wirrer …

Die Autorin Julia Schoch wurde 1974 in Bad Saarow geboren und lebt heute als Übersetzerin und freie Schriftstellerin mit ihrem Mann und zwei Kindern in Potsdam. Für ihre Werke erhielt sie bereits zahlreiche Auszeichnungen und stand einige Male auf Platz 1 der SWR-Bestenliste.

„Das Vorkommnis“ ist, wie die Autorin selbst sagt, ein autofiktionaler Roman mit dem Untertitel „Biographie einer Frau“. Das Vorkommnis ereignet sich gleich am Anfang und weckte in mir große Hoffnungen auf eine spannende, oder zumindest interessante Geschichte. Doch leider wurde ich enttäuscht. In vielen kurzen Kapiteln macht sich die Protagonisten ihre Gedanken und stellt ihr bisheriges Leben auf den Prüfstand. Ziemlich wirr springt sie dabei hin und her, von der Gegenwart in die Vergangenheit und fügt dazwischen auch einige Blicke in die Zukunft ein. Sie grübelt nach über ihre Familie, ihre Ehe und ihre Mutterschaft, doch niemand wird dabei namentlich genannt. Selbst ihre Kinder erwähnt sie nur als „das ältere Kind“ und „das jüngere Kind“. Die Probleme, die sie immer und immer wieder anspricht, sind in meinen Augen banal und ihre Gedanken dazu belanglos, so dass ich mich in die Denkweise der Autorin bzw. Protagonistin nicht einfühlen konnte. Als störend und den Lesefluss hemmend empfand ich auch die vielen in Klammern eingefügten Erklärungen und Nebensätze. Aus den genannten Gründen interessieren mich auch die beiden geplanten Fortsetzungen nicht.

Fazit: Ein Buch, das ich mit großen Erwartungen begonnen hatte, zu dem ich aber letztendlich keinen Bezug fand.

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Veröffentlicht am 17.02.2022

Der Weg war das Ziel …

Gehen, ohne je den Gipfel zu besteigen
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Zu seinem 40. Geburtstag erfüllte sich der italienische Schriftsteller Paolo Cognetti den lange gehegten Wunsch, eine 4wöchige Trekkingtour in die Dolpo-Region im Himalaya, im Grenzgebiet zwischen Tibet ...

Zu seinem 40. Geburtstag erfüllte sich der italienische Schriftsteller Paolo Cognetti den lange gehegten Wunsch, eine 4wöchige Trekkingtour in die Dolpo-Region im Himalaya, im Grenzgebiet zwischen Tibet und Nepal. In Begleitung seiner beiden Freunde Nicola und Remigio, im Rucksack das Buch Auf der Spur des Schneeleoparden von Peter Matthiessen, der diese Tour etwa 40 Jahre zuvor gegangen war, schlossen sie sich einer Reisegruppe aus den Alpen an. Mit zwölf Einheimischen, die für Zelte, Ausrüstung und Proviant verantwortlich waren und fünfundzwanzig Maultieren, auf denen das Gepäck verstaut wurde, begab sich die 10köpfige Gruppe im Oktober 2017 von Kathmandu aus auf eine Tour, die sie über Fünftausender-Pässe, vorbei an buddhistischen Klöstern und Yak-Herden, in die abgeschiedensten Gegenden führen wird.

In Optik und Haptik macht das kleine Buch jedenfalls was her und wirkt sehr edel. Bereits der Titel „Gehen, ohne je den Gipfel zu besteigen“ lässt erahnen, dass es dem Autor bei dieser Trekkingtour um spirituelle Erfahrungen geht. Immer wieder vergleicht er sich mit Peter Matthiessen und zieht dessen Buch zurate. Dabei bleiben leider Gespräche und zwischenmenschliche Begegnungen mit seinen Freunden im Hintergrund, während der Autor sich ganz auf die Landschaft, auf die Tier- und Pflanzenwelt, und auf Skizzen des Gesehenen konzentriert. Dennoch hat mich das Buch nicht gepackt. Ich konnte weder die Erhabenheit der Berge, noch die Strapazen der Wanderer oder die Sinnsuche Cognettis wirklich erkennen, was wohl an der doch recht ‚flachen‘ Schreibweise liegen mag.

Fazit: Ein Buch, das mich inhaltlich nicht begeistern konnte.

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Veröffentlicht am 15.06.2021

Eine Anhäufung von Zufällen und glücklichen Fügungen …

Die Farbe von Glück
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Gerade mal sechs Jahre ist Antoine alt, als ihn seine Mutter verlies. Einfach so, ohne Grund. Sie forderte ihn noch auf, am Gartentor auf sie zu warten. So steht der Kleine bibbernd in der Kälte, bis Nachbarin ...

Gerade mal sechs Jahre ist Antoine alt, als ihn seine Mutter verlies. Einfach so, ohne Grund. Sie forderte ihn noch auf, am Gartentor auf sie zu warten. So steht der Kleine bibbernd in der Kälte, bis Nachbarin Charlotte Stunden später vorbeikommt und ihn mit zu sich nach Hause nimmt. Fortan lebt er bei ihr, sie wird seine neue Mutter. Zwei Jahre später arbeitet Charlotte im Krankenhaus auf der Babystation als sie von Jules gezwungen wird, sein schwächliches krankes Neugeborenes gegen ein gesundes Baby zu tauschen. Er ist Richter in der Stadt und droht ihr Antoine wegzunehmen, falls sie nicht mitmacht. So willigt sie schließlich ein – sie tauschen die Kinder …

Clara Maria Bagus, geb. 1975 in Marburg/Deutschland, ist Schriftstellerin mit deutscher und schweizer Staatsbürgerschaft. In den USA und in Deutschland studierte sie Psychologie und war auch einige Zeit in der Hirnforschung tätig. Bagus ist verheiratet, Mutter von Zwillingsjungen und lebt heute mit ihrer Familie in Bern/Schweiz.

Das Buch beginnt recht vielversprechend. Das Schicksal des kleinen Jungen bewegt und der Tausch der Babys wirft Fragen auf. Wird Antoines Mutter irgendwann wieder kommen und kann die erst 22jährige Charlotte überhaupt die Mutter ersetzen? Werden die Mütter merken, dass ihre Babys vertauscht wurden? Fliegt der Schwindel bald auf? Solche und ähnliche Gedanken gingen mir durch den Kopf und ich freute mich aufs Weiterlesen. Leider wurde ich enttäuscht, denn die Geschichte entwickelt sich vollkommen anders als gedacht. Zwanzig Jahre später, die Kinder sind längst erwachsen, bekommt Jules plötzlich Gewissensbisse wegen der vertauschten Mädchen. Es beginnt ein endloses Geschwafel, auf das ich hier nicht näher eingehen möchte, und die Handlung wird immer sonderbarer. Irgendwann geschieht etwas, irgendwo ziehen sie hin, irgendwie treffen sie sich plötzlich, nichts wird klar benannt, Zeit scheint nicht mehr zu existieren.

Die Geschichte entbehrt jeglicher Realität. Hinzu kommt ein überzogen schwülstiger Schreibstil, der den von Hedwig Courths-Mahler noch weit in den Schatten stellt. Einige wahllos herausgegriffene Beispiele gefällig: „Seine tiefen, dunklen Augen leuchteten von innen heraus wie bläulich glühende Kohlen, bis die Schläge des Schicksals sie erloschen.“ (S.20) oder „Louises spinnfadenfeines blondes Haar lud sich bei jeder Berührung mit dem Kopfkissen auf, die Spitzen züngelten in die Luft hinaus. Ihre Augen wie nasser Stein.“ (S.34) oder „An einem Morgen, an dem sich der Nebel in grauen Fäden vor die Sonne spann, die Luft voll vom Blätterfall war und Laub raschelnd über die Erde trieb, verließ Jules das Leben, das nichts mehr mit ihm zu tun hatte, und machte sich auf die Reise.“ (S.150).

Fazit: Ich bin kein Freund abgedroschener philosophischer Lebensweisheiten und esoterischen Geschwafels – für mich war es Zeitverschwendung!

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Veröffentlicht am 05.05.2021

Einsam oder abgesondert?

Warten auf Eliza
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Nach dem Tod ihres Mannes verschließt sich Ada mehr und mehr ihrer Umwelt, selbst einkaufen fällt der über Siebzigjährigen immer schwerer. Auch Eliza, eine junge lesbische Doktorandin, hat nach der Trennung ...

Nach dem Tod ihres Mannes verschließt sich Ada mehr und mehr ihrer Umwelt, selbst einkaufen fällt der über Siebzigjährigen immer schwerer. Auch Eliza, eine junge lesbische Doktorandin, hat nach der Trennung von ihrer Freundin den letzten Halt verloren. Sie haust in einem leer stehenden Gebäude und treibt sich nachts in Bars herum. Beide leben in derselben Straße in Oxford und sind sich, als sie sich eines Tages kennen lernen, sofort sympathisch. Als Eliza zu Ada ins Haus zieht, entwickelt sich zwischen den beiden so ungleichen Frauen eine Freundschaft, die beider Leben bereichert. Doch kann diese Gemeinschaft bei einem Altersunterschied von über fünfzig Jahren auch von Dauer sein? …

Die Autorin Leaf Arbuthnot wurde 1992 als Tochter des britischen Politikers und konservativen Abgeordneten im House of Lords, Lord James George Arbuthnot, geboren. Nach ihrem Studium in Cambridge und Paris lebt sie nun wieder in London, arbeitet als Journalistin und Literaturkritikerin, interviewt fürs Radio, zeichnet Cartoons und schreibt. „Warten auf Eliza“ ist ihr erster Roman, zu dem sie hauptsächlich durch ihre 99jährige Großmutter inspiriert wurde.

Die Idee, dass sich zwei einsame Menschen verschiedenen Alters gegenseitig ergänzen und dadurch ihr Leben bereichern können, fand ich zunächst großartig – doch leider wurde ich bald enttäuscht. Das Geschehen beginnt recht schleppend, man liest über uninteressante, wahllos aufgegriffene Themen und banale, alltägliche Ereignisse der beiden Protagonistinnen, die sich erst nach der Mitte des Buches kennen lernen. Auch danach überwiegte bei mir der Eindruck, dass die Autorin mehr Wert darauf legte ihre persönlich am Herzen liegenden Themen (Politik, Brexit-Votum, der Schriftsteller und Holocaust-Überlebende Primo Levi, lesbische Liebe, Poesie und Dichtung, Schwimmen im eiskalten Wasser usw.) in der Geschichte unter zu bringen, als auf die Bereicherung einer ungewöhnlichen Freundschaft einzugehen.

Ebenso wenig konnten mich Sprache und Schreibstil überzeugen, die ich sperrig und holprig empfand, was jedoch eventuell auch an der Übersetzung liegen könnte. Wörtliche Reden enden meist auf „sagte sie“, „erwiderte sie“, „antwortete sie“ oder „fragte sie“, was nicht von großem Einfallsreichtum zeugt. Ebenso die vielen Ortsnamen, die Aufzählung sämtlicher Straßennamen plus der dazugehörigen Gebäude ermüden, ziehen das Geschehen unnötig in die Länge und tragen gewiss nicht zum Spaß am Lesen bei. Auffallend waren auch einige Ungereimtheiten: Eine alte Dame, die nicht in der Lage ist, den Scanner der SB-Kasse im Supermarkt zu bedienen, sich dann aber zu Hause an den PC setzt und ein Start-up als „Oma-Verleih“ gründet, ist für mich nicht sehr glaubwürdig – oder wenn sie sich nach zwei Stunden als Hilfskraft in einem Café nicht mehr auf den Beinen halten kann, dann aber nach Hause geht, neonpinke Leggins und ein neonpinkes Top anzieht und damit auf der Straße rumspaziert, das grenzt es für mich schon ans Lächerliche.

Fazit: Mich hat dieses Buch leider enttäuscht.

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