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Veröffentlicht am 31.03.2023

Mehr als eine gewöhnliche Freundschaft

Lichte Tage
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Oxford in den 1990er-Jahren: Ellis Judd hat es als Jugendlicher schwer. Er würde gerne Künstler werden. Doch sein Vater besteht darauf, dass sein Sohn in der Fabrik arbeitet. Kraft gibt ihm die besondere ...

Oxford in den 1990er-Jahren: Ellis Judd hat es als Jugendlicher schwer. Er würde gerne Künstler werden. Doch sein Vater besteht darauf, dass sein Sohn in der Fabrik arbeitet. Kraft gibt ihm die besondere Freundschaft mit Michael Wright, die die Jahre übersteht…

„Lichte Tage“ ist ein Roman von Sarah Winman.

Meine Meinung:
Der Roman beginnt mit einer Art Prolog, dessen Handlung im Jahr 1950 spielt. Daran schließen sich drei Teile an, die die Zeit von 1990 an behandeln. Erzählt wird aus wechselnden Perspektiven. Die Geschichte ist in Oxford, London und Südfrankreich verortet.

Sprachlich wirkt der Text auf mich recht bemüht. Der Stil ist atmosphärisch, die Metaphern sind jedoch oft seltsam. Auch die Wortwahl empfinde ich nicht immer als passend. Stilistisch auffällig ist, dass manche Zeilen aus Walt Whitmans bekanntem Gedicht „Grashalme“ unnötig häufig zitiert werden.

Die deutsche Übersetzung von Elina Baumbach wirkt an einigen Stellen etwas unrund, vor allem in idiomatischer Hinsicht. Besonders ärgerlich ist zudem ein vertauschter Name auf der ersten Seite der deutschen Erstauflage, der mir den Einstieg in die Geschichte erheblich erschwert hat.

Als Protagonisten stehen Ellis und Michael im Vordergrund der Geschichte. Beide blieben mir merkwürdig fremd. Das gilt erst recht für eine weitere Hauptfigur, die im weiteren Verlauf hinzukommt. Die Gefühle der Charaktere zueinander sind für mich nicht nachvollziehbar. Es gibt zu viele Leerstellen. Deshalb konnte mich der Roman emotional nicht abholen.

Inhaltlich finde ich die Geschichte sowohl interessant als auch bedeutsam. Anders als die Vermarktung vermuten lässt, nimmt die Kunst nicht eine sehr zentrale Rolle ein. Vielmehr geht es um menschliche Beziehungen, insbesondere um homosexuelle und bisexuelle. Dabei wird deutlich, welche gesellschaftlichen Zwänge vor nicht allzu langer Zeit in England vorhanden waren und es zum Teil noch immer sind. Auch eine weitere Problematik, die ich nicht vorwegnehmen möchte, wird aufgegriffen. Der Roman bietet somit Stoff zum Nachdenken.

Auf den nur wenig mehr als 200 Seiten konnte mich der Roman erst gegen Ende fesseln, obwohl die Geschichte einige Überraschungen bereithält. Alles in allem ist der Funke nicht richtig übergesprungen.

Der englischsprachige Originaltitel („Tin Man“) passt für mich inhaltlich besser, wobei der deutsche Titel natürlich stimmungsvoller klingt und inhaltlich nicht total abwegig ist. Das auf dem Cover abgebildete Gemälde van Goghs taucht im Text auf, weshalb es sich als Motiv eignet.

Mein Fazit:
Mit „Lichte Tage“ hat mich Sarah Winman zwar nicht auf allen Ebenen erreicht. Dennoch ist der Roman durchaus lesenswert, da er die Probleme homo- und bisexueller Menschen in den 1980er- und 1990er-Jahren dokumentiert und in Erinnerung ruft.

Veröffentlicht am 21.08.2022

Auf der Suche nach dem Eulenkind

Wo ist die Eule mit der Beule?
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Die kleine Eule hat sich verletzt, aber wo hat sie sich bloß versteckt?

„Wo ist die Eule mit der Beule?“ ist ein Bilderbuch von Tanja Jacobs und Susanne Weber, geeignet für Kleinkinder.

Meine Meinung:
Das ...

Die kleine Eule hat sich verletzt, aber wo hat sie sich bloß versteckt?

„Wo ist die Eule mit der Beule?“ ist ein Bilderbuch von Tanja Jacobs und Susanne Weber, geeignet für Kleinkinder.

Meine Meinung:
Das Bilderbuch besteht aus nur fünf Doppelseiten. Auf jeder Seite befindet sich ein kurzer Text mit Reimschema.

Zudem gibt es jeweils auf der rechten Seite eine bunte Filzklappe, die zum Mitsuchen animiert. Dahinter ist immer ein anderes Tier abgebildet und zum Schluss natürlich die kleine Eule. Die Klappen selbst könnten etwas aufwendiger gearbeitet sein, weil sie nicht immer erkennen lassen, was sie darstellen sollen.

Die Zeichnungen wirken etwas altbacken, aber weisen etliche Details auf. Sie sind hilfreich, um Kleinkindern das Tierreich nahezubringen.

Mein Fazit:
Das Bilderbuch „Wo ist die Eule mit der Beule?“ ist sehr einfach gestaltet. Für Kleinkinder durchaus in Ordnung, aber leider kein Highlight.

Veröffentlicht am 16.06.2021

Ein krankhaftes Selbstbild

Die Beichte einer Nacht
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Seit sieben Monaten befindet sich Heleen nun schon in einer Nervenklinik. Mit dem Arzt möchte die Frau nicht reden. Doch eines Nachts beginnt sie, sich einer Schwester anzuvertrauen. Sie legt die Beichte ...

Seit sieben Monaten befindet sich Heleen nun schon in einer Nervenklinik. Mit dem Arzt möchte die Frau nicht reden. Doch eines Nachts beginnt sie, sich einer Schwester anzuvertrauen. Sie legt die Beichte ihres dramatischen Lebens ab und offenbart, womit sie sich Schuld aufgeladen hat.

„Die Beichte einer Nacht“ ist ein Roman der verstorbenen Autorin Marianne Philips, der bereits 1930 entstanden ist.

Meine Meinung:
Der Roman besteht aus zwei Teilen. Diese wiederum sind in Absätze, jedoch nicht in Kapitel untergliedert. Beide Teile sind als lange Monologe angelegt. Erzählt wird in der Ich-Perspektive aus der Sicht der Protagonistin. Diese Idee gefällt mir, wobei die Umsetzung manchmal ein wenig bemüht wirkt.

Die Sprache ist unauffällig und recht simpel. Der Stil ist geprägt von nüchternen Beschreibungen und einigen kurzen Wortwechseln. Negativ sticht der geringe sprachliche Variantenreichtum hervor.

Ein großes Manko des Romans ist die charakterliche Ausgestaltung der Protagonistin, die zwar authentisch wirkt und über psychologische Tiefe verfügt, aber auch wenig Mitgefühl bei mir hervorgerufen hat. Heleen ist zwar ehrlich und stark, zugleich jedoch auch eine äußerst oberflächliche, eitle, egoistische und berechnende Persönlichkeit.

An der Lektüre hat mich das Setting sehr gereizt. Was mag eine psychisch kranke Frau zu beichten haben? Worin besteht ihr Leiden? Wie ist sie in der Anstalt gelandet? Leider ist die Geschichte allerdings schon früh recht durchsichtig. Die eigentliche Beichte habe ich bereits im ersten Viertel geahnt. Dadurch hat der Spannungsbogen für mich nicht funktioniert. Zudem enthält das letzte Viertel ein unglaubwürdiges esoterisches Element, das nicht zum Rest der Geschichte und dem Charakter der Protagonistin passen will.

Ganz interessant ist das von Judith Belinfante, der Enkelin der Autorin, im Jahr 2019 verfasste Nachwort. Es zeigt Parallelen zum Leben von Marianne Philips auf und erläutert die Entstehung des Romans. Dabei wird deutlich, wie ungewöhnlich das Schreiben für eine Frau ihrer Zeit war, noch dazu so offen und konkret über psychische Leiden. Der Roman ist für die damalige Verhältnisse also sehr modern und progressiv, was man der Autorin positiv anrechnen muss.

Das auf dem Cover abgebildete Gemälde passt sehr gut zur Protagonistin. Der deutsche Titel ist etwas irreführend, weil sich die Beichte über zwei Nächte erstreckt. Der prägnante Originaltitel („De biecht“) ist daher treffender.

Mein Fazit:
„Die Beichte einer Nacht“ von Marianne Philips ist ein für seine Entstehungszeit bemerkenswerter Roman, der mich in Gänze aber nicht überzeugen konnte. Eine nur bedingt zu empfehlende Lektüre.

Veröffentlicht am 05.05.2021

Das Rätsel des menschlichen Glücks

Der Algorithmus der Menschlichkeit
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Berlin in der Zukunft: Als „Fembot“ arbeitet der Roboter Mari im Rotlichtmilieu. Im „Pygmalion“ ist sie den Kunden zu Diensten. Doch ein Zwischenfall mit dem Arzt Dr. Thaddeus Gottsein bringt die Künstliche ...

Berlin in der Zukunft: Als „Fembot“ arbeitet der Roboter Mari im Rotlichtmilieu. Im „Pygmalion“ ist sie den Kunden zu Diensten. Doch ein Zwischenfall mit dem Arzt Dr. Thaddeus Gottsein bringt die Künstliche Intelligenz plötzlich in einen Konflikt mit dem Gesetz. Für Mari beginnen ein Abenteuer und die Suche nach einer Antwort auf die Frage: Was macht menschliches Glück aus?

„Der Algorithmus der Menschlichkeit“ ist ein Roman von Vera Buck.

Meine Meinung:
Der Roman besteht aus etlichen kurzen Kapiteln. Sie erstrecken sich über drei Teile. Vorangestellt sind zwei Kapitel, die etwas vom späteren Geschehen vorwegnehmen und zunächst ein wenig verwirren. Ansonsten wird in chronologischer Reihenfolge aus auktorialer Perspektive erzählt. Ein schlüssiger Aufbau.

Der Schreibstil ist anschaulich und - dank vieler Dialoge - recht lebhaft. Der Roman ist zudem voller Wortwitz, der manchmal jedoch ein bisschen bemüht wirkt. Das Erzähltempo ist relativ schnell.

Obwohl Mari kein Mensch ist, gibt sie eine interessante und sympathische Protagonistin ab. Schön herausgearbeitet ist, inwiefern sich ihr Denken und Handeln von menschlichen Wesen unterscheidet. Die übrigen Charaktere werden eher überspitzt dargestellt.

Die Handlung an sich ist amüsant und voller kreativer Einfälle, aber auch ziemlich skurril bis absurd. Die Geschichte ist an manchen Stellen zum Schmunzeln, an anderen Stellen für meinen Geschmack zu realitätsfern.

Zwar machen die humorvollen Passagen den Roman sehr unterhaltsam und kurzweilig. Allerdings überlagert die Komik leider die inhaltlich interessanten Fragen, die zwar aufgeworfen, aber nicht genügend ausgeführt werden: Kann Künstliche Intelligenz ein Bewusstsein entwickeln? Vor welche moralischen Konflikte stellt uns eine KI? Und was unterscheidet menschliche und technische Intelligenz? Auch die immer wieder hervorblitzende Gesellschaftskritik geht beinahe unter. Insgesamt verschenkt die Geschichte Potenzial und kratzt zu sehr an der Oberfläche, um mit Tiefgang zu beeindrucken.

Die Botschaft des Romans, die ich absolut unterschreiben kann, kommt dagegen am Schluss umso plakativer und ausführlicher mit dem Holzhammer daher. Auch dies lässt die Geschichte ein wenig platt erscheinen. Allerdings: Zum Ende hin konnte sie mich noch mit einer unerwarteten Wendung überraschen.

Das stilisierte Cover ist optisch gelungen, wenn auch etwas kitschig. Der Titel klingt ein bisschen zu hochtrabend, ist aber nicht unpassend.

Mein Fazit:
„Der Algorithmus der Menschlichkeit“ von Vera Buck ist ein Roman mit viel Humor und hohem Unterhaltungswert, der mir amüsante Lesestunden beschert hat. Leider schöpft die Geschichte jedoch ihr ganzes Potenzial nicht aus und wird wohl nicht lange im Gedächtnis bleiben.

Veröffentlicht am 30.04.2021

Der verlorene Sohn

Eines Tages für immer
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Gerade erst ist Luke (27) Vater seines Söhnchens Samuel geworden. Mit seiner Freundin Hannah genießt er das frische Familienglück. Doch eine Frage treibt ihn seit der Kindheit um: Wer sind seine leiblichen ...

Gerade erst ist Luke (27) Vater seines Söhnchens Samuel geworden. Mit seiner Freundin Hannah genießt er das frische Familienglück. Doch eine Frage treibt ihn seit der Kindheit um: Wer sind seine leiblichen Eltern? Tatsächlich gelingt es ihm, seine Mutter Alice Garland ausfindig zu machen, die ihn zur Adoption freigegeben hat, als sie als 19-jährige Kunststudentin in London ungewollt schwanger geworden war. Die Begegnung mit dem verlorenen Sohn reißt bei Alice jedoch alte Wunden auf und lässt bei Luke einige Fragen offen...

„Eines Tages für immer“ ist ein Roman von Clare Empson.

Meine Meinung:
Der Roman besteht aus kurzen Kapiteln, die im Präsens abwechselnd in der Ich-Perspektive aus der Sicht von Luke und Alice erzählt werden. Dadurch entstehen zwei Erzählstränge, wovon einer im Jahr 2000 („Heute“) und einer im Jahr 1972 („Damals“) spielt, jeweils in London. Der Roman endet mit einem Epilog. Der Aufbau ist durchdacht und funktioniert gut.

Der Schreibstil ist anschaulich, einfühlsam und aufgrund von viel direkter Rede sehr lebhaft.

Sowohl Luke als auch Alice sind zwei interessante Charaktere. Mir gefällt es gut, dass es nicht um Mutter und Tochter, sondern Mutter und Sohn geht, was wesentlich seltener in solchen Romanen der Fall ist. Luke ist ein durchweg authentischer und nicht unsympathischer Charakter mit Ecken und Kanten. Während Alice mir im Jahr 1972 noch zugesagt hat, wirkt ihre Person in der jüngeren Vergangenheit inkonsistent und hat mich zunehmend mit rücksichts- und verantwortungslosem Verhalten geärgert. Ihre Aktionen im aktuelleren Erzählstrang stehen in starkem Kontrast zur Vergangenheit und sind für mich nicht nachvollziehbar.

Das Thema Adoption und die Schwierigkeiten, die damit und mit Familienzusammenführungen einhergehen, bieten viel Stoff zum Nachdenken. Außerdem geht es um psychische Krankheiten und andere heftige Erfahrungen, die eine etwas düstere und schwermütige Atmosphäre schaffen. Zwar beinhaltet der Roman auch eine Liebesgeschichte. Dennoch nimmt die Romantik nicht zu viel Platz ein. Ein weiterer Aspekt, der eine Rolle spielt, ist die Kunst. Das alles macht den Roman facettenreich und tiefgründig.

Der Einstieg ist etwas zäh. Auch im weiteren Verlauf hat die rund 440 Seiten umfassende Geschichte ein paar Längen. Das Tempo nimmt in der zweiten Hälfte zu. Die Handlung gewinnt an Dramatik. Zum Schluss gelingt der Autorin zudem eine überraschende Wende, die für einen alles in allem zufriedenstellenden Ausgang sorgt. In weiten Teilen ist die Geschichte aber weniger geheimnisvoll als erhofft und sogar ziemlich durchsichtig, wenn auch stimmig.

Der deutsche Titel erschließt sich mir leider nicht, der englischsprachige („Mine“) dagegen schon besser. Die Gestaltung des Taschenbuches ist optisch ansprechend, hat aber keinerlei erkennbaren Bezug zum Inhalt.

Mein Fazit:
„Eines Tages für immer“ von Clare Empson ist ein Roman mit mehreren Stärken, aber auch Schwächen. Auch wenn mich die Geschichte nicht in allen Punkten überzeugen konnte, habe ich das Buch gerne gelesen.