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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 16.12.2023

Geheimnisse, die die Jahre überdauern

Mein Herz ist eine Krähe
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Skandinavien zum Ende des 19. Jahrhunderts: Unni und Armod fliehen mit dem kleinen Sohn Roar in Eile von Norwegen nach Schweden. Zwar finden sie ein neues Zuhause, aber das hat seine Tücken. Mehr als 70 ...

Skandinavien zum Ende des 19. Jahrhunderts: Unni und Armod fliehen mit dem kleinen Sohn Roar in Eile von Norwegen nach Schweden. Zwar finden sie ein neues Zuhause, aber das hat seine Tücken. Mehr als 70 Jahre später ist Roar tot. Die Witwe Kåra plant die Beerdigung ihres Schwiegervaters. Welche Geheimnisse verbinden Kåra und Unni? Was ist in der Vergangenheit Schlimmes passiert?

„Mein Herz ist eine Krähe“ ist der Debütroman von Lina Nordquist.

Meine Meinung:
Der Aufbau des Romans erschließt sich schnell. Er beginnt mit einem kurzen Prolog, an den sich etliche Kapitel anschließen. Die Handlung spielt auf zwei Zeitebenen: einmal im Jahr 1897 und einmal im Jahr 1973. Erzählt wird dabei im Wechsel aus zwei verschiedenen Ich-Perspektiven: der Sicht von Unni und der von Kåra.

In sprachlicher Hinsicht hat mich der Roman beeindruckt. Die Sprache ist atmosphärisch, intensiv und bisweilen fast poetisch. Die starken Bilder sind kreativ und anschaulich.

Die beiden Protagonistinnen, Kåra und Unni, sind einerseits ganz unterschiedliche Charaktere, weisen andererseits jedoch einige Gemeinsamkeiten auf. Beide sind dabei keine Sympathieträgerinnen. Beim Lesen kommt man ihrem Innenleben jedoch recht nahe.

Was den Inhalt angeht, ist die Geschichte düster, brutal und deprimierend. Die Themen sind unter anderem Armut, Elend, Gewalt und Verlust. Psychische Krankheiten spielen dabei eine wesentliche Rolle. Insgesamt wirkt der Roman ein wenig überfrachtet.

Auf den rund 450 Seiten ist die Handlung durchaus spannend, aber auch etwas redundant. Vor allem in der zweiten Hälfte bietet sie - trotz des eher unspektakulären Settings - unerwartet viel Dramatik, mehrere Überraschungen und eine Menge Action. Allerdings geht das zulasten der Realitätsnähe. Zudem empfinde ich den Roman zum Ende hin nicht als komplett schlüssig.

Der deutsche Titel unterscheidet sich erheblich vom schwedischen Original („Dit du går, följer jag“), das ich besser formuliert finde. Das verlagstypische, reduzierte Cover mit dem Pinienwald, ein Gemälde von Max Ducos, passt meiner Ansicht nach jedoch sehr gut.

Mein Fazit:
Meine hohen Erwartungen hat Lina Nordquist mit „Mein Herz ist eine Krähe“ nur auf sprachliche Ebene erfüllt. Ihren Debütroman kann ich leider nur bedingt empfehlen.

Veröffentlicht am 31.03.2023

Mehr als eine gewöhnliche Freundschaft

Lichte Tage
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Oxford in den 1990er-Jahren: Ellis Judd hat es als Jugendlicher schwer. Er würde gerne Künstler werden. Doch sein Vater besteht darauf, dass sein Sohn in der Fabrik arbeitet. Kraft gibt ihm die besondere ...

Oxford in den 1990er-Jahren: Ellis Judd hat es als Jugendlicher schwer. Er würde gerne Künstler werden. Doch sein Vater besteht darauf, dass sein Sohn in der Fabrik arbeitet. Kraft gibt ihm die besondere Freundschaft mit Michael Wright, die die Jahre übersteht…

„Lichte Tage“ ist ein Roman von Sarah Winman.

Meine Meinung:
Der Roman beginnt mit einer Art Prolog, dessen Handlung im Jahr 1950 spielt. Daran schließen sich drei Teile an, die die Zeit von 1990 an behandeln. Erzählt wird aus wechselnden Perspektiven. Die Geschichte ist in Oxford, London und Südfrankreich verortet.

Sprachlich wirkt der Text auf mich recht bemüht. Der Stil ist atmosphärisch, die Metaphern sind jedoch oft seltsam. Auch die Wortwahl empfinde ich nicht immer als passend. Stilistisch auffällig ist, dass manche Zeilen aus Walt Whitmans bekanntem Gedicht „Grashalme“ unnötig häufig zitiert werden.

Die deutsche Übersetzung von Elina Baumbach wirkt an einigen Stellen etwas unrund, vor allem in idiomatischer Hinsicht. Besonders ärgerlich ist zudem ein vertauschter Name auf der ersten Seite der deutschen Erstauflage, der mir den Einstieg in die Geschichte erheblich erschwert hat.

Als Protagonisten stehen Ellis und Michael im Vordergrund der Geschichte. Beide blieben mir merkwürdig fremd. Das gilt erst recht für eine weitere Hauptfigur, die im weiteren Verlauf hinzukommt. Die Gefühle der Charaktere zueinander sind für mich nicht nachvollziehbar. Es gibt zu viele Leerstellen. Deshalb konnte mich der Roman emotional nicht abholen.

Inhaltlich finde ich die Geschichte sowohl interessant als auch bedeutsam. Anders als die Vermarktung vermuten lässt, nimmt die Kunst nicht eine sehr zentrale Rolle ein. Vielmehr geht es um menschliche Beziehungen, insbesondere um homosexuelle und bisexuelle. Dabei wird deutlich, welche gesellschaftlichen Zwänge vor nicht allzu langer Zeit in England vorhanden waren und es zum Teil noch immer sind. Auch eine weitere Problematik, die ich nicht vorwegnehmen möchte, wird aufgegriffen. Der Roman bietet somit Stoff zum Nachdenken.

Auf den nur wenig mehr als 200 Seiten konnte mich der Roman erst gegen Ende fesseln, obwohl die Geschichte einige Überraschungen bereithält. Alles in allem ist der Funke nicht richtig übergesprungen.

Der englischsprachige Originaltitel („Tin Man“) passt für mich inhaltlich besser, wobei der deutsche Titel natürlich stimmungsvoller klingt und inhaltlich nicht total abwegig ist. Das auf dem Cover abgebildete Gemälde van Goghs taucht im Text auf, weshalb es sich als Motiv eignet.

Mein Fazit:
Mit „Lichte Tage“ hat mich Sarah Winman zwar nicht auf allen Ebenen erreicht. Dennoch ist der Roman durchaus lesenswert, da er die Probleme homo- und bisexueller Menschen in den 1980er- und 1990er-Jahren dokumentiert und in Erinnerung ruft.

Veröffentlicht am 21.08.2022

Auf der Suche nach dem Eulenkind

Wo ist die Eule mit der Beule?
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Die kleine Eule hat sich verletzt, aber wo hat sie sich bloß versteckt?

„Wo ist die Eule mit der Beule?“ ist ein Bilderbuch von Tanja Jacobs und Susanne Weber, geeignet für Kleinkinder.

Meine Meinung:
Das ...

Die kleine Eule hat sich verletzt, aber wo hat sie sich bloß versteckt?

„Wo ist die Eule mit der Beule?“ ist ein Bilderbuch von Tanja Jacobs und Susanne Weber, geeignet für Kleinkinder.

Meine Meinung:
Das Bilderbuch besteht aus nur fünf Doppelseiten. Auf jeder Seite befindet sich ein kurzer Text mit Reimschema.

Zudem gibt es jeweils auf der rechten Seite eine bunte Filzklappe, die zum Mitsuchen animiert. Dahinter ist immer ein anderes Tier abgebildet und zum Schluss natürlich die kleine Eule. Die Klappen selbst könnten etwas aufwendiger gearbeitet sein, weil sie nicht immer erkennen lassen, was sie darstellen sollen.

Die Zeichnungen wirken etwas altbacken, aber weisen etliche Details auf. Sie sind hilfreich, um Kleinkindern das Tierreich nahezubringen.

Mein Fazit:
Das Bilderbuch „Wo ist die Eule mit der Beule?“ ist sehr einfach gestaltet. Für Kleinkinder durchaus in Ordnung, aber leider kein Highlight.

Veröffentlicht am 16.06.2021

Ein krankhaftes Selbstbild

Die Beichte einer Nacht
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Seit sieben Monaten befindet sich Heleen nun schon in einer Nervenklinik. Mit dem Arzt möchte die Frau nicht reden. Doch eines Nachts beginnt sie, sich einer Schwester anzuvertrauen. Sie legt die Beichte ...

Seit sieben Monaten befindet sich Heleen nun schon in einer Nervenklinik. Mit dem Arzt möchte die Frau nicht reden. Doch eines Nachts beginnt sie, sich einer Schwester anzuvertrauen. Sie legt die Beichte ihres dramatischen Lebens ab und offenbart, womit sie sich Schuld aufgeladen hat.

„Die Beichte einer Nacht“ ist ein Roman der verstorbenen Autorin Marianne Philips, der bereits 1930 entstanden ist.

Meine Meinung:
Der Roman besteht aus zwei Teilen. Diese wiederum sind in Absätze, jedoch nicht in Kapitel untergliedert. Beide Teile sind als lange Monologe angelegt. Erzählt wird in der Ich-Perspektive aus der Sicht der Protagonistin. Diese Idee gefällt mir, wobei die Umsetzung manchmal ein wenig bemüht wirkt.

Die Sprache ist unauffällig und recht simpel. Der Stil ist geprägt von nüchternen Beschreibungen und einigen kurzen Wortwechseln. Negativ sticht der geringe sprachliche Variantenreichtum hervor.

Ein großes Manko des Romans ist die charakterliche Ausgestaltung der Protagonistin, die zwar authentisch wirkt und über psychologische Tiefe verfügt, aber auch wenig Mitgefühl bei mir hervorgerufen hat. Heleen ist zwar ehrlich und stark, zugleich jedoch auch eine äußerst oberflächliche, eitle, egoistische und berechnende Persönlichkeit.

An der Lektüre hat mich das Setting sehr gereizt. Was mag eine psychisch kranke Frau zu beichten haben? Worin besteht ihr Leiden? Wie ist sie in der Anstalt gelandet? Leider ist die Geschichte allerdings schon früh recht durchsichtig. Die eigentliche Beichte habe ich bereits im ersten Viertel geahnt. Dadurch hat der Spannungsbogen für mich nicht funktioniert. Zudem enthält das letzte Viertel ein unglaubwürdiges esoterisches Element, das nicht zum Rest der Geschichte und dem Charakter der Protagonistin passen will.

Ganz interessant ist das von Judith Belinfante, der Enkelin der Autorin, im Jahr 2019 verfasste Nachwort. Es zeigt Parallelen zum Leben von Marianne Philips auf und erläutert die Entstehung des Romans. Dabei wird deutlich, wie ungewöhnlich das Schreiben für eine Frau ihrer Zeit war, noch dazu so offen und konkret über psychische Leiden. Der Roman ist für die damalige Verhältnisse also sehr modern und progressiv, was man der Autorin positiv anrechnen muss.

Das auf dem Cover abgebildete Gemälde passt sehr gut zur Protagonistin. Der deutsche Titel ist etwas irreführend, weil sich die Beichte über zwei Nächte erstreckt. Der prägnante Originaltitel („De biecht“) ist daher treffender.

Mein Fazit:
„Die Beichte einer Nacht“ von Marianne Philips ist ein für seine Entstehungszeit bemerkenswerter Roman, der mich in Gänze aber nicht überzeugen konnte. Eine nur bedingt zu empfehlende Lektüre.

Veröffentlicht am 05.05.2021

Das Rätsel des menschlichen Glücks

Der Algorithmus der Menschlichkeit
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Berlin in der Zukunft: Als „Fembot“ arbeitet der Roboter Mari im Rotlichtmilieu. Im „Pygmalion“ ist sie den Kunden zu Diensten. Doch ein Zwischenfall mit dem Arzt Dr. Thaddeus Gottsein bringt die Künstliche ...

Berlin in der Zukunft: Als „Fembot“ arbeitet der Roboter Mari im Rotlichtmilieu. Im „Pygmalion“ ist sie den Kunden zu Diensten. Doch ein Zwischenfall mit dem Arzt Dr. Thaddeus Gottsein bringt die Künstliche Intelligenz plötzlich in einen Konflikt mit dem Gesetz. Für Mari beginnen ein Abenteuer und die Suche nach einer Antwort auf die Frage: Was macht menschliches Glück aus?

„Der Algorithmus der Menschlichkeit“ ist ein Roman von Vera Buck.

Meine Meinung:
Der Roman besteht aus etlichen kurzen Kapiteln. Sie erstrecken sich über drei Teile. Vorangestellt sind zwei Kapitel, die etwas vom späteren Geschehen vorwegnehmen und zunächst ein wenig verwirren. Ansonsten wird in chronologischer Reihenfolge aus auktorialer Perspektive erzählt. Ein schlüssiger Aufbau.

Der Schreibstil ist anschaulich und - dank vieler Dialoge - recht lebhaft. Der Roman ist zudem voller Wortwitz, der manchmal jedoch ein bisschen bemüht wirkt. Das Erzähltempo ist relativ schnell.

Obwohl Mari kein Mensch ist, gibt sie eine interessante und sympathische Protagonistin ab. Schön herausgearbeitet ist, inwiefern sich ihr Denken und Handeln von menschlichen Wesen unterscheidet. Die übrigen Charaktere werden eher überspitzt dargestellt.

Die Handlung an sich ist amüsant und voller kreativer Einfälle, aber auch ziemlich skurril bis absurd. Die Geschichte ist an manchen Stellen zum Schmunzeln, an anderen Stellen für meinen Geschmack zu realitätsfern.

Zwar machen die humorvollen Passagen den Roman sehr unterhaltsam und kurzweilig. Allerdings überlagert die Komik leider die inhaltlich interessanten Fragen, die zwar aufgeworfen, aber nicht genügend ausgeführt werden: Kann Künstliche Intelligenz ein Bewusstsein entwickeln? Vor welche moralischen Konflikte stellt uns eine KI? Und was unterscheidet menschliche und technische Intelligenz? Auch die immer wieder hervorblitzende Gesellschaftskritik geht beinahe unter. Insgesamt verschenkt die Geschichte Potenzial und kratzt zu sehr an der Oberfläche, um mit Tiefgang zu beeindrucken.

Die Botschaft des Romans, die ich absolut unterschreiben kann, kommt dagegen am Schluss umso plakativer und ausführlicher mit dem Holzhammer daher. Auch dies lässt die Geschichte ein wenig platt erscheinen. Allerdings: Zum Ende hin konnte sie mich noch mit einer unerwarteten Wendung überraschen.

Das stilisierte Cover ist optisch gelungen, wenn auch etwas kitschig. Der Titel klingt ein bisschen zu hochtrabend, ist aber nicht unpassend.

Mein Fazit:
„Der Algorithmus der Menschlichkeit“ von Vera Buck ist ein Roman mit viel Humor und hohem Unterhaltungswert, der mir amüsante Lesestunden beschert hat. Leider schöpft die Geschichte jedoch ihr ganzes Potenzial nicht aus und wird wohl nicht lange im Gedächtnis bleiben.