Spannende Mischung aus Umwelt- und Politkrimi
REZENSION – Nach „Lazare und der tote Mann am Strand“ (2017) schickt Schriftsteller Robert Hültner (71) seinen erfahrenen Kommissar aus Montpelier auch im zweiten Band „Lazare und die Spuren des Todes“, ...
REZENSION – Nach „Lazare und der tote Mann am Strand“ (2017) schickt Schriftsteller Robert Hültner (71) seinen erfahrenen Kommissar aus Montpelier auch im zweiten Band „Lazare und die Spuren des Todes“, im Juni erschienen beim btb-Verlag, ein weiteres Mal gegen dessen Willen ins malerische Küstenstädtchen Sète, das sich rühmt, das Venedig Südfrankreichs zu sein. Mouhamad Yassin hatte dort vor einigen Tagen seine bald 18-jährige Tochter Nadia als vermisst gemeldet und die Lokalpolizei kommt in ihren Ermittlungen nicht weiter. Man vermutet, Nadia habe sich radikalisieren lassen und nach Syrien abgesetzt. Vermisstenfälle sind eigentlich ein Fall für die lokale Polizei, weshalb Siso Lazare nicht versteht, weshalb ausgerechnet er als Ermittler der Police National in die Provinz geschickt wird. „Dass ein Beamter mit ihrer Erfahrung nicht mit Fällen behelligt werden sollte, die schon bei einem Polizeischüler ein Gähnen hervorrufen würden, darüber herrscht zwischen Richter Simoneau und mir Konsens“, bleibt der Polizeidirektor trotz Lazares Einspruch bei seiner Weisung.
Lazare beginnt also in Sète mit seiner Ermittlung, muss sich allerdings nicht lange um den Fall kümmern: Bei seiner nächtlichen Verfolgung des vermeintlichen Geliebten der jungen Muslimin wird er hinterrücks niedergeschlagen und nach kurzem Krankenhausaufenthalt in zweiwöchigen Erholungsurlaub geschickt. Lazare zieht sich liebend gern in seine Berghütte zurück. Doch auch dort scheint die Welt nicht mehr in Ordnung zu sein: Die Gegend soll auf einmal radioaktiv verseucht sein, das Quellwasser nicht mehr trinkbar, das angebaute Gemüse unverkäuflich. Als sein einsam lebender Nachbar dann ermordet aufgefunden, zudem noch eine zweite Leiche entdeckt wird, führen Gerüchte sogar in den katalanischen Untergrund und in längst vergangene Zeiten des Widerstandskampfes gegen das faschistische Franco-Regime. Natürlich kann es Lazare trotz ausdrücklicher Empfehlung, sich von seiner Verletzung zu erholen, nicht lassen, sich unauffällig in die Ermittlungen der Polizei einzumischen und sich bei den Bewohnern umzuhören, um den Gerüchten auf den Grund zu gehen und Licht in das Dunkel zu bringen.
„Lazare und die Spuren des Todes“ ist kein herkömmlicher Krimi, wie man ihn vielleicht von einem „Tatort“-Autor, der Hültner ja auch ist, erwarten könnte. Zumal Kommissar Siso Lazare nicht einmal als Ermittler selbst aktiv wird, sondern lediglich als Beobachter die einzelnen Fälle verfolgt. Es ist vielmehr ein inhaltlich vielschichtiger Roman mit Elementen eines Umwelt- und Politkrimis. Die Historie der südfranzösischen Provinz in Nachbarschaft zum spanischen Katalonien findet ebenso Eingang in die Handlung wie aktuelle Themen der Umweltverschmutzung, der Korruption des politischen Systems und der aktuellen inneren Bedrohung Frankreichs durch islamistischen Terror. Diese Vielschichtigkeit und Vielfalt verschiedener Handlungsstränge mag es manchem Leser anfangs erschweren, den roten Faden zu finden. Doch zu guter Letzt fügt sich natürlich alles zusammen und ergibt ein plausibles Gesamtbild.
Wichtiger als die Kriminalfälle und faszinierender sind im neuen Roman von Robert Hültner, der bereits dreimal mit dem Deutschen Krimipreis und einmal mit dem renommierten Friedrich-Glauser-Preis ausgezeichnet wurde, die Charakterisierung seiner eigenwilligen Dorfbewohner und die ins Detail gehende Beschreibung der südfranzösischen Berglandschaft, die mit ihrem ursprünglichen Wesen sogar einen wesentlichen Beitrag zur Handlung und Spannung dieses durchaus anspruchsvollen und gerade deshalb lesenswerten Krimis beiträgt.