fesselnd
John Irving - entweder man liebt oder man hasst diesen Autor. Etwas dazwischen gibt es glaube ich nicht. Nach der Lektüre von "Letzte Nacht in Twisted River" gehöre ich definitiv zu ersterer Gruppe. Auch ...
John Irving - entweder man liebt oder man hasst diesen Autor. Etwas dazwischen gibt es glaube ich nicht. Nach der Lektüre von "Letzte Nacht in Twisted River" gehöre ich definitiv zu ersterer Gruppe. Auch wenn ich die immer wieder viel zitierten Bücher "Garp" und "Gottes Werk und Teufels Beitrag" noch nicht gelesen habe, kann ich mir beileibe nicht vorstellen, dass man dann von "Letzte Nacht..." so enttäuscht ist, dass man das Buch schon nach 50, 100 oder 500 Seiten weglegt. Nun, ich bin froh, dass ich mich nicht von den vielen negativen Meinungen hab runterziehen lassen und dass ich das Buch als drittes innerhalb eines Jahres auf den Fahrten von/zur Arbeit im Bus komplett durchgelesen habe.
Etwas irritiert war ich am Anfang von den vielen Klammersätzen und den häufigen Wiederholungen einer Situation/eines Ortes usw.; ein Stilmittel, was John Irving wohl aber prägt und auch gleichzeitig so einzigartig macht. Am Ende fand ich die Wiederholung von weiter zurückliegenden Ereignissen sogar recht hilfreich, weil dann sofort wieder Assoziationen zu der Stelle im Buch auftauchten, an der das Ereignis das erste Mal aufgetreten war. So waren die Verbindungen sehr schnell wieder hergestellt und ich habe mit Spannung weitergelesen.
Die Geschichte beginnt tragisch und endet Hoffnung machend. Hoffnung machend darauf, dass trotz aller Widrigkeiten im Leben immer irgendwo ein Licht am Ende des Tunnels leuchtet (möge er noch so lang sein!). Der Tunnel vereint Tragik (an manchen Stellen im Buch hätte selbst ich fast geweint g), Komik, Liebe, Politik und Kochrezepte in einzigartiger Weise.
Entgegen einiger Meinungen, die Figuren in "Letzte Nacht in Twisted River" wären blass und nicht ausgereift, finde ich hier viele tragische Helden mit großem Herz. Dafür zählt für mich an erster Stelle Ketchum. Er hat mich mit seinen markigen Sprüchen, seiner politischen Einstellung, aber letztendlich auch mit seiner tiefsitzenden Zerrissenheit über die Ereignisse in der Nacht als Danny´s Mutter starb, absolut mitgerissen und sein (frei gewählter) Tod war für ihn die einzig logische Konsequenz aus dieser Zerissenheit ("Nur Ketchum kann Ketchum töten" - ein Satz, den ich nie wieder vergessen werde!!!). Ich hatte das ganze Buch über Respekt vor Ketchum und hab mich über jede einzelne Passage mit ihm gefreut.
Aber auch Cookie, Danny, Sixpack Pam und wie sie alle heißen: ja, sie alle haben mich in den letzten Monaten im Bus begleitet und ich bin über jeden einzelnen von ihnen froh, sie kennengelernt zu haben. Einzig und allein Constable Carl habe ich von vornherein nicht gemocht und er hat auch (meiner Meinung nach) das Leben von Joe (Danny´s innig geliebten und einzigen Sohn) auf dem Gewissen - auch wenn es nur angedeutet wird. Aber es kann ja nicht nur gute Figuren geben; das Leben besteht auch aus Freunden und Menschen, denen man am liebsten überhaupt nicht begegnen würde oder die man am liebsten von hinten sieht
Somit bleibt mir als Fazit nur festzuhalten, dass ich von "Letzte Nacht in Twisted River" absolut gefesselt war und ich von nun an John Irving einen festen Platz in meinem Bücherregal geben werde. Well done, Mr. Irving!!!