Ein kleines literarisches Juwel
Diese Rezension fällt mir sehr schwer. Wie werde ich nur diesem Roman gerecht? Einerseits ist er literarisch faszinierend, andererseits handelt es sich um eine Geschichte über eine Hauptperson, mit der ...
Diese Rezension fällt mir sehr schwer. Wie werde ich nur diesem Roman gerecht? Einerseits ist er literarisch faszinierend, andererseits handelt es sich um eine Geschichte über eine Hauptperson, mit der ich nichts, aber auch gar nichts anfangen konnte.
Liv Maria ist ein verwöhntes Einzelkind, gefangen in einem allzu liebevoll-behütenden Elternhaus. Nach einem Vorfall muss Liv Maria 17-jährig von jetzt auf gleich ihre bretonische Heimat verlassen und bei ihrer Tante in Berlin Unterschlupf finden. Dort lernt sie einen um viele Jahre älteren und verheirateten Professor kennen. Fergus ist Ire und hat in Berlin eine befristete Gastprofessur. Liv Maria wird seine Geliebte und erlebt diese Liebe in einer Intensität, dass sie diese Erfahrung nie mehr vergessen wird. Nach dem abrupten Ende der Beziehung wird Liv Maria zu einer Globetrotterin, schlägt sich in fernen Ländern durch, wird erfolgreiche Geschäftsfrau. Als sie in Chile den jüngeren Flynn kennen lernt, kehrt sie mit ihm nach Irland zurück, wird Ehefrau und Mutter zweier Kinder. Man glaubt, jetzt sei Ruhe in Liv’s Leben eingekehrt, doch das ist ein gewaltiger Irrtum….
Der Roman ist ein kleines literarisches Juwel , denn auf recht unerklärliche Weise hat er etwas magisch Betörendes, ohne dass ich in Worte fassen könnte, woran das liegt. Vielleicht ist es die Feinfühligkeit, in der erzählt wird. Schon allein die Schilderung der Anziehung zwischen Professor und Liv, wie Liv geködert wird durch Etymologie, durch die blinkende Kraft der Wörter, ist besonders. Auch der außergewöhnlich ausgeprägte Geruchssinn der Autorin fällt auf. Dessen Beschreibungen erzählen beeindruckend fast eigene Geschichten. Fein, still und doch immens schlagkräftig schreibt Julia Kerninon. Schade nur, dass ich mit der Protagonistin Liv Maria als Person nichts anfangen kann. Sie war und blieb mir über das ganze Buch hinweg völlig fremd in ihrem Denken und Handeln. Und am wenigsten konnte ich die unerwartete Wendung am Ende nachvollziehen. Allerlei Zitate und Verweise führen in das weite Universum der Literatur, was mir jeweils sehr gut gefiel.
Zusammengefasst würde ich sagen, es handelt sich um einen Roman über die Liebe: Über die körperliche, unverbindliche Liebe, über eine Liebe im Vorübergehen, über eine Liebe der Treue und Verantwortlichkeit, der Wurzeln schlagenden Liebe und über eine geheime Liebe, nicht erzählbar und damit letztlich alles bestimmend. Magisch eben.