Er watete in die Fluten, wollte sich ein letztes Mal umwenden - als ihn ein Stein am Kopf traf. Er war faustgroß und kantig und mit aller Kraft geworfen, und er erwischte ihn an der rechten Schläfe.
Ikéron kam es vor, als wollte sein Schädel zerspringen. Sein Bewusstsein flackerte wie eine Kerze im Wind, während er niederging und bäuchlings ins Wasser klatschte.
Und während die Strömung ihn erfasste und davontrug, verlosch es ganz, und es wurde dunkel.
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INHALT:
Vor 37 Jahren haben die Legenden von Astray das tyrannische Kaiserreich zerschlagen, dabei jedoch einen tiefen Riss zwischen den dem Osten und dem Westen des Landes hinterlassen, den sogenannten Abyss. Doch der Spalt zieht sich nicht nur durch das Land, sondern auch durch die Völker: Sie alle ringen um die Herrschaft, Kriege sind nicht mehr fern und die Ereignisse vor fast vier Jahrzehnten wurden so gut wie vergessen. Doch der Sänger Rayan, der durch seine Lieder Visionen erhält, ahnt, dass dies nicht mehr lange so bleiben wird. Denn im Abyss lauert eine unbekannte Bedrohung, und die Legenden sind wahrscheinlich die einzige Rettung der Menschheit.
MEINE MEINUNG:
Der Auftakt zu Michael Peinkofers neuer Reihe um "Die Legenden von Astray" ist klassische High Fantasy: Es gibt ein großes durch Neid, Missgunst und Machtgier gespaltenes Reich, eine bedeutende Vergangenheit und eine Handvoll Figuren, die im Laufe der Handlung zusammenfinden, um ein unbekanntes Unheil abzuwenden. "Tote Helden" wirkt wie eine lange Einführung in die Zusammenhänge und konzentriert sich insbesondere auf die Figurengestaltung und das Worldbuilding, ohne dabei jedoch die wichtigsten Fragen - etwa nach den genauen Geschehnissen vor 37 Jahren - zu beantworten. Der Schreibstil ist bildlich, teilweise auch zu detailreich, aber nichtsdestotrotz lebendig. Leider stören so einige Rechtschreibfehler und Sprachwunder wie "würde sie eine andere geworden sein" immer wieder den Lesefluss.
Wie oft zu Beginn einer solch komplexen Reihe ist es auch hier anfangs schwierig, die vielen Hauptfiguren auseinander zu halten - was zum Teil aber auch daran liegt, dass sich die Erzählstimmen stark ähneln. Außer der Prinzessin Nyasha und ganz selten der Diebin Bray oder der Bordellbesitzerin Jenaya kommen nur Männer zu Wort, die alle sehr egoistisch handeln und größtenteils an sich selbst denken. Der Zwerg Lorymar, der ein Geheimnis aus seiner Vergangenheit herumträgt, besitzt noch am meisten Witz, Sympathien sammelt er allerdings kaum. Sänger Rayan ist leider sehr langweilig und kann in seinen Kapiteln so gut wie gar nicht fesseln, trotz seiner für ihn bedrohlichen Gabe. Bray und Nyasha erscheinen einem in ihren wenigen Kapiteln deutlich stärker als jeder der Männer, aber die beiden unterschiedlichen Frauen erhalten deutlich zu wenig Rampenlicht. Hier hätten die Perspektiven deutlich stärker ausgebaut werden müssen.
Über die erste Hälfte des Romans fühlte ich mich fast permanent an andere Fantasy-Reihen erinnert. Besonders Vergleiche mit "The Witcher" und "Das Lied von Feuer und Eis" drängen sich des Öfteren auf: In beiden kommt ebenfalls ein kleinwüchsiger Mensch vor, der eine mehr oder minder zentrale Rolle spielt, es lauern Gefahren, bisweilen auch Monster, in den Wäldern, und sowohl bei Martin als auch bei Peinkofer gibt es einen im Hintergrund die Fäden ziehenden Eunuchen. Zum Glück lassen diese starken Ähnlichkeiten irgendwann nach und Astray beginnt ein Eigenleben zu entwickeln. Insbesondere der Aufbau von Skaradag, der Stadt des Salzes und der Diebe, weiß zu faszinieren. Was mir jedoch arg fehlte, war ganz einfach der Witz. Während im Klappentext noch ein wenig Humor angedeutet wurde, war davon im Roman selbst wenig zu finden. So fehlte mir irgendwo die Leichtigkeit zwischen all den schwerwiegenden und oft brutalen Ereignissen.
Auch weist das Buch so einige Längen auf, weil es viele hunderte Seiten dauert, bis die Protagonisten überhaupt in der gleichen Stadt ankommen. Bis dahin erfährt man von einigen Intrigen, von den Verhältnissen in den unterschiedlichen Reichen und von den Reisen, die die einzelnen Figuren unternehmen - aber wirklich in die Tiefe wird nicht gegangen, und viele Ereignisse, die die Geschichte weiterführen, basieren auf Zufällen. Es wird weder aufgelöst, was genau vor fast vier Jahrzehnten geschehen ist, noch was nun eigentlich im Abyss lauert. Nur bruchstückhaft gibt es ein paar Informationen, die Zusammenhänge muss man sich bis dahin erst einmal selbst zusammen reimen. Erst zum Ende hin, als die einzelnen Stränge endlich zusammen laufen, wird es richtig spannend und actionreich, sodass man sich kaum losreißen kann. Nur endet genau das in einem sehr offenen Ende. Natürlich sollen in einem Auftaktband nicht alle Fragen beantwortet werden, aber ein wenig Klarheit wäre dennoch schön gewesen. Da es für Band 2 noch keinen Erscheinungstermin gibt, heißt es nun also: Warten.
FAZIT:
Wie man es von klassischer Fantasy gewohnt ist, ist "Tote Helden" als Auftakt einer Saga so etwas wie eine lange Einführung. Verschiedene Handlungsstränge werden einzeln erzählt und verbinden sich schließlich. Dies dauert hier allerdings sehr lang, und leider bietet die erste Hälfte auch nicht viel Neues. Mit dem spannenden, mutigen, wenn auch sehr offenen Schluss, hat Michael Peinkofer jedoch die perfekte Ausgangslage für den Nachfolger geschaffen. 3 Punkte.