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Veröffentlicht am 06.07.2021

Pasta, Mafia und schwierige Entscheidungen

Der Tintenfischer
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ei aller Spannung läuft beim Lesen von "Der Tintenfischer" immer wieder das Wasser im Munde zusammen. Denn die Autoren Wolfgang Schorlau und Claudio Caiolo sparen nicht mit Essen und Trinken. Immer wieder ...

ei aller Spannung läuft beim Lesen von "Der Tintenfischer" immer wieder das Wasser im Munde zusammen. Denn die Autoren Wolfgang Schorlau und Claudio Caiolo sparen nicht mit Essen und Trinken. Immer wieder muss Commissario Morello ein starker Espresso auf die Sprünge helfen und bei den Besprechungen mit seiner Kollegin Anna Klotze ist immer wieder frische Pasta angesagt. Der sizilianische Polizist, der sich in Venedig im ungeliebten Exil fühlt, will seiner Heimat wenigstens in der Küche verbunden bleiben. Der Leser schnuppert und schmeckt mit.

Doch "Der Tintenfischer" hält sich nicht nur beim guten italienischen Essen auf. Hier steckt auch viel Aktualität drin. Nicht nur, weiles um organisierte Kriminalität, Menschenhandel und die Netzwerke der Schleuserbanden geht. Auch die Coronapandemie wird in die Handlung eingebaut, sei es mit dem gerade zu Ende gehenden Lockdown in Italien und den allgegenwärtigen Masken, sei es mit Corona-Betrügern, die in der Krise alte Menschen um ihre Ersparnisse bringen wollen.

Nicht die Pest sucht Venedig heim, doch immerhin eine Pandemie. Dabei ist die Stadt gerade schöne denn je - keine Touristenmassen, klares Wasser in den Kanälen. Doch Morello hat dafür keinen Blick, ebenso wenig für die Campos und Kirchen zwischen den verwinkelten Gassen, in denen er sich nach wie vor verirrt. Der Mafia-Ermittler ist zu seinem eigenen Schutz in den Norden versetzt worden - doch noch immer will er dem Boss der Bosse nachstellen.

Eine Gelegenheit sieht er, als seine Kollegin Anna Klotze einen jungen Afrikaner nach einem Selbstmordversuch vor dem Ertrinken rettet. Daniel, der aus Nigeria stammt, hat sich in seiner Heimat mit einem "Kult" eingelassen, der ihn nach Europa brachte und mit der sizilianischen Mafia zusammenarbeitet. David ahnte nicht, dass statt des erhofften Paradieses und einer hoffnungsvollen Zukunft Sklavenarbeit auf ihn wartete. Mehr noch: Er sorgt sich um seine Freundin, die vermutlich zur Prostitution gezwungen wurde.

Hat Morello mit der Mafia noch eine Rechnung offen, ist Klotze im Team der Polizisten diejenige, die sich besonders für humanitäre Themen einsetzt. Die beiden brechen auf nach Sizilien, um Davids Freundin zu suchen. Da Morello in Sizilien in Lebensgefahr ist, muss die Reise geradezu konspirativ stattfinden. Denn in einer Region, in der die Mafia tief in der Gesellschaft und in den Behörden Fuß gefasst hat, kann Morello (fast) niemandem trauen. Die Reise zurück zu den Wurzeln soll denn auch dramatisch werden.

Obwohl auch die beiden Autoren bei einem Teller Pasta und einer Flasche Wein Plot und Spannungsbogen diskutiert haben? Die Zusammenarbeit ist jedenfalls ausgesprochen gelungen. Mit viel Lokalkolorit, mit glaubwürdigen Charakteren und einer bis zum Schluss fesselnden Handlung haben sie einen spannenden Kriminalroman geschrieben, der immer wieder für Überraschungen sorgt und auch die Protagonisten immer weiter entwickelt. Und ganz nebenher macht das Buch Lust, mal wieder nach Italien zu reisen. Und auch für den nach der Lektüre knurrenden Magen gibt es Hilfe: Im Anhang des Buches sind einige von Morellos Rezepten aufgelistet. Benissime!

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Veröffentlicht am 27.06.2021

Ostfriese, Bulle, Gangsterboss - Rupert Undercover

Rupert undercover - Ostfriesische Jagd
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Ich gebe es ja zu: Beim ersten Buch von Klaus-Peter Wolfs "Rupert Undercover" habe ich ziemlich gemeckert. Der Spin-Off zu den Ostfriesland-Krimis um Ann Kathrin Klaasen und Frank Weller, der sich um ...

Ich gebe es ja zu: Beim ersten Buch von Klaus-Peter Wolfs "Rupert Undercover" habe ich ziemlich gemeckert. Der Spin-Off zu den Ostfriesland-Krimis um Ann Kathrin Klaasen und Frank Weller, der sich um den schrägen Möchtegern-Macho Rupert drehen sollte, war mir viel zu Klaasen-lastig. Gewissermaßen weder Fisch noch Fleisch, oder weder Matjes- noch Krabbenbrötchen, wobei da viel Potential in der Gesamtidee und den neu hinzukommenden Figuren war. Band zwei der Undercover-Mission ("Ostfriesische Jagd") hat mich nun aber überzeugt.

Während es im ersten Teil noch recht viel Realsatire bei den Versuchen Ruperts gab, einen Gangsterboss zu impersonisieren, fällt jetzt trotz gelegentlicher Schmunzelmomente das Slapstickhafte weg: Rupert hat in seine Rolle hineingefunden, und der Autor verzichtet auf Klaasen/Weller als rettende Kavallerie, sondern lässt sie tatsächlich nur als Randfiguren auftreten. So hat der eigentliche Plot viel mehr Entfaltungsmöglichkeiten und das ganze Buch ist für mich ein sehr viel stimmigeres Ergebnis. Da gibt´s auch nichts zu meckern!

Da Rupert nun einmal Rupert ist, gehört eine gewisse Schrägheit zu diesem Krimi dazu. Etwa das Selbstverständnis Ruperts als Vorstand einer mit Hilfe von BKA-Mitteln angekauften Bank zu Geldwäschezwecken. Da clasht das Finanzverständnis des ostfriesischen Polizisten doch sehr mit dem der Banker. Aber als Gangsterboss ist Rupert ja mittlerweile gewohnt, sich durchzusetzen.

Überhaupt findet er reichlich Gefallen an dem neuen Leben, seit er als Frederico Gonzalez-Müller nicht mehr den kunstverständigen Vegetarier und Liebhaber edler Weine mimen muss, sondern in der Rolle wieder zum Fleischesser und Biertrinker geworden ist. Und dann ist da natürlich Frauke, seine Miet-Ehefrau, für die Rupert zunehmend echte Gefühle entwickelt - wie er sie ja auch für seine echte Ehefrau Beate hat, zu der er sich nur ab und an absetzen kann.

Es hilft sicher, den ersten Band gelesen zu haben, andererseits taucht in "Ostfriesische Jagd" auch Personal aus anderen Ostfriesland-Krimis auf - auch ohne jedes Detail zu kennen, bin ich damit klar gekommen.

Rupert muss nicht nur die eigenen Leute von seiner Echtheit überzeugen, sondern auch die Rachepläne geprellter Konkurrenten überleben. Und auch der sadistische "Geier", der gerne Frauen zerschnippelt, ist wieder der Superbösewicht des Buches. Wird Rupert es jemeils schaffen, seine beiden Leben sauber voneinander zu trennen? Muss er sich irgendwann zwischen Beate und Frauke entscheiden? Ja, will er überhaupt jemals wieder ein kleiner Polizist aus der zweiten Reihe sein nach dem riskanten und schillernden Leben in der Welt des Organisierten Verbrechens? Viele Fragen, doch am Ende des Buchs steht eine Leseprobe für ein Versprechen: Es wird einen weiteren Rupert Undercover-Band geben. Ich bin jedenfalls jetzt schon gespannt!

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Veröffentlicht am 24.06.2021

Die Apotheke in Wald und Wiese

naturverbunden
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Waldmeister kann mehr als Bowle und Brombeeren tun nicht nur als Marmelade gut - das ist eine, aber bei weitem nicht die einzige Einsicht nach der Lektüre von Katrin und Heinze Heckers Buch "Naturverbunden". ...

Waldmeister kann mehr als Bowle und Brombeeren tun nicht nur als Marmelade gut - das ist eine, aber bei weitem nicht die einzige Einsicht nach der Lektüre von Katrin und Heinze Heckers Buch "Naturverbunden". Der Untertitel verrät, worum es geht: Entdecke Pflanzen, die die gut tun. Klar, einige Hausmittel mit Kräutern und Wildpflanzen kennt wohl jeder aus den Rezepten der Oma. Kamille bei Entzündungen oder angeschlagenem Magen, Arnika bei Prellungen, Pfefferminze bei Kopfschmerzen. Die beiden Autoren stellen Pflanzen aus Wald, Wiesen und Gewässern vor, reich bebildert und mit Fotos (es handelt sich schließlich um Naturfotografen), die dem Laien helfen, in der Natur auf Suche nach den nachwachsenden Rohstoffen der grünen Apotheke zu gehen.

Es gibt Hinweise zu Tinkturen, Tees und Ölen, zu Wirkstoffen und Anwendung und - ganz wichtig - wo man die jeweilige Pflanze am besten findet. Und auch Hinweise zum richtigen Sammeln gibt es. Zumeinen: Nur das Sammeln, was man kennt, um Verwechslungen mit womöglich giftigen Doppelgängern auszuschließen. Das sollte man nicht nur beim Pilzsammeln berücksichtigen. In Fällen, wo es bei einer Verwechslung zu unerwünschten Nebenwirkungen kommen kann, gibt es auch weitere Hinweise und Vergleichsbilder.

Klar sollte auch sein: Kräutersammeln darf nicht zu Kahlschlag führen. Dass Strecken, auf denen auch Hunde Gassi geführt werden, tunlichst gemieden werden sollten, versteht sich ja wohl von selbst. Holundertee gegen Kälte, Johanniskraut für die Nerven oder Löwenzahn für den Stoffwechsel - das Wohlbefinden und die Gesundheit können auf buchstäblich natürliche Weise gestärkt werden.

Nützlich, informativ und verständlich geschrieben wird dieses Buch jetzt sicher öfter bei mir zur Anwendung kommen und bei der nächsten Wandertour kann es gut sein, dass ich das angelesene Wissen demnächst in die Praxis umsetze. Mit 40 beschriebenen Pflanzen ist das Buch zudem übersichtlich und überfrachtet beim Erkennen von Wild- und Heilpflanzen nicht. Die Oma würde beifällig nicken.

Veröffentlicht am 23.06.2021

Gelungene Fortsetzung - Düsterer Scandinavic Noir am Mittelmeer

Das dunkle Herz von Palma
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Seit seine 16 Jahre alte Tochter Emme vor vier Jahren während eines Urlaubs mit zwei Freundinnen auf der Ferieninsel Mallorca verschwand, ist der ehemalige schwedische Polizist Tim Blank ein Besessener. ...

Seit seine 16 Jahre alte Tochter Emme vor vier Jahren während eines Urlaubs mit zwei Freundinnen auf der Ferieninsel Mallorca verschwand, ist der ehemalige schwedische Polizist Tim Blank ein Besessener. Er hat die Arbeit aufgegeben, ist nach Mallorca gezogen, sucht nach seiner Tochter. Anders als die Ermittler will er nicht aufgeben und er will auch nicht loslassen. Die Suche des verzweifelten Vaters, der selbst immer tiefer in einem Strudel von Alkohol, Gewalt und Korruption versinkt hat Mons Kallentoft bereits in seinem Roman "Verschollen in Palma" erzählt.

Nun ist "Das dunkle Herz von Palma" als Fortsetzung erschienen und es ist vielleicht sogar noch düsterer, auch wenn die Beziehung zu seiner Frau wieder stabiler, wenn auch keineswegs unkompliziert geworden ist. Denn die beiden haben eine kleine Tochter - doch es ist ein Familienleben auf Distanz. Tim hält Frau und Tochter auf Abstand, scheint es schon für mangelnde Loyalität gegenüber Emme zu empfinden, wenn er Nähe zu dem neuen Kind - einem Ersatz? - zulässt. Hätte er lieber auf eine Abtreibung drängen sollen? Schon dass er auf diesen Gedanken kommt, ist schon ziemlich krass. Doch zugleich ist die kleine Familie in Schweden wie eine offene Flanke bei jedem kleinen Fortschritt, den Tim macht. Bringt seine Suche nach Emme auch das zweite Kind in Gefahr?

Wie weit geht man für die, die man liebt? Tim ist bereit, sehr weit zu gehen, sich von seinem Wertesystem zu lösen und die Töchter anderer Eltern Gefahren auszusetzen, wenn es nur darum geht, einen Schritt näher an die verschwundene Emme vorzurücken. Lebt sie überhaupt noch? Und falls ja, wie? Ist sie nicht vielleicht so stark gebrochen, dass sie selbst beim Überleben bei Menschenhändlern den Weg in ein normales Leben zurückfinden kann? Der Rat eines Polizisten an Tim ist ebenso ehrlich wie brutal: Vergessen Sie sie und fangen Sie noch einmal neu an.

Auf Mallorca, in Schweden und auf dem spanischen Festland spielt die Handlung dieses Scandinavic Noir unter südlicher Sonne. Schuld und Sühne, Rache und Versprechen, Hoffnung und Loyalität, internationale Menschenhändler und korrupte Systeme vor Ort - die Welt, in der sich Tim Blank bewegt, besteht aus vielen Verlierern und hat eine gut gefüllte Reservoir an Schurken. Es bleibt spannend bis zur letzten Seite, actiongeladen und voller innerer Abgründe. Das Herz der Dunkelheit schlägt auch am Mittelmeer.

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Veröffentlicht am 04.06.2021

Familienepos und Nahostkonflikt

Der große Wind der Zeit
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Joshual Sobol ist vor allem als Dramatiker (Ghetto) bekannt. Mit "Der große Wind der Zeit" hat der israelische Autor nun aber auch einen epischen Roman geschrieben, der über vier Generationen einer Familie ...

Joshual Sobol ist vor allem als Dramatiker (Ghetto) bekannt. Mit "Der große Wind der Zeit" hat der israelische Autor nun aber auch einen epischen Roman geschrieben, der über vier Generationen einer Familie hinweg die Geschichte Israels wie auch des Nahostkonflikts erzählt und vor allem mit zwei starken Frauenfiguren beeindruckt.

Da ist zum einen Libby, eine junge israelische Soldatin, wegen ihrer exzellenten arabischen Sprachkenntnisse als Verhörspezialisin eingesetzt. Sie ist eine, die mit ihren Hinhörqualitäten Terroristen "geknackt" hat, ganz ohne Gewalt. Im letzten Verhör ihrer Armeezeit trifft sie auf Adib - Palästinenser, Historiker, in Großbritannien aufgewachsen. Er ist zum Begräbnis seiner von israelischen Soldaten erschossenen zwölfjährigen Cousine nach Israel gekommen und den Sicherheitsbehörden gewissermaßen qua Geburt suspekt.

Dass die Frau mit Kopftuch, die in seine Zelle geführt wird, ihm eigentlich Informationen entlocken soll, ist Adib sofort klar. Doch zwischen ihm und Libby kommt es zu einem Gespräch, bei dem sich zwei kritische Geister begegnen - heimlich schiebt er ihr seine email-Adresse zu, und Libby meldet es nicht, sondern erklärt ihn ihren Vorgesetzten gegenüber für harmlos. Ihre Diskussionen und Streitgespräche werden sie später fortsetzen.

Und da ist Eva, Libbys Urgroßmutter, Tochter einer großbürgerlichen Wiener Familie, die sich aus Protest gegen ihr Elternhaus dem Zionismus zugewandt hat und in den 1920-er Jahren zu den Mitbegründern eines Kibbuz gehört. Eva und ihre Gefährten sehen sich als Pioniere, als Revolutionäre, als Vertreter einer neuen Gesellschaft, die bürgerlichen Regeln trotzt, freie Liebe pflegt. Selbst unter den anderen Kibuzzniks ragt Eva mit ihrem Freiheitswillen noch heraus. Sie verlässt nicht nur ihren Gefährten, sondern auch ihren kleinen Sohn, um in Berlin Ausdruckstanz zu studieren und voller Lebenslust in die Metropole einzutauchen.

Als Libby nach ihrer Entlassung aus der Armee ihren Großvater in eben jenem Kibbuz besuchen will, findet sie sein Haus verlassen vor: Auch mit über 80 ist er, ähnlich wie seine Mutter, ein Freigeist, der auch nachts mit seiner Harley Davidson durch die Wüste donnert, auch durch die besetzten Gebiete. Statt ihres Großvaters findet Libby die Tagebücher ihrer Großmutter und taucht ein in deren wildes Leben wie in einen Film.

Als Leser begleitet man aber nicht nur Libby und Eva, sondern auch Großvater Dave, dessen Söhne und andere Familienmitglieder - ein Onkel Libbys lebt in einer Siedlung in den besetzten Gebieten, zweifelt aber immer mehr am Sinn der Siedlungspolitik. Libbys Vater ist ein rechtsgerichteter Politiker, ein anderer Onkel stellt sich nach dem Verlust seines Jobs die Frage, was er eigentlich mit seinem Leben anfangen will. Religiöse und säkuläre, politische Ränkeschmiede und Freigeister, Intellektuelle und Lebenskünstler - Sobol präsentiert wie in einem Mosaik Facetten der modernen israelischen Gesellschaft. Manchmal sind es nur kleine Szenen, was mitunter den Lesefluss auf den immerhin 520 Seiten erschwert. Doch immerhin: Gleich zu Beginn des Buches gibt es eine Auflistung der handelnden Personen zur besseren Übersicht.

Am eindringlichsten empfand ich dabei allerdings Eva und Libby. Eva als extrovertierte, lebenshungrige und völlig unabhängige Frau, die keine Berührungsängste hat und nicht nur trotz der Spannungen zwischen Neusiedlern und Beduinen eine leidenschaftliche Affäre mit einem Beduinen hat, sondern die auch in Berlin nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten Umgang mit Nazis hat. Dabei weigert sie sich zunächst, die Zeichen der Zeit als bedrohlich wahrzunehmen, auch als sie Zeugin der Bücherverbrennung wird:

"das ist alles Theater. Ein riesiges Theater. Überwältigend. Hitler ist eine theatralische Figur. Alles, was hier geschieht, einschließlich der Bücherverbrennung, ist ein gigantisches theatralisches Schauspiel, wie es noch nie in der Geschichte vorkam." Sie müsse unbedingt dabei sein, wenn dieses Ereignis seinen Höhepunkt erreicht.

Als ihr klar wird, dass das Theater zum tödlichen Ernst wird, versucht sie vergeblich, ihre Eltern zur Auswanderung zu überreden. Doch in ein Land ohne Theater, ohne Oper, ohne das, was sie als Zivilisation verstehen? Beide weigern sich. Sie werden die Shoah nicht überleben,

Steht Eva für die Gründerzeit Israels, steht Libby für die Gegenwart - eine nachdenkliche junge Frau, deren Freund bei einem Militäreinsatz ums Leben gekommen ist. Einen offenen Blick hat sie sich trotz dieses persönlichen Verlusts bewahrt. So ist der Dialog trotz aller gegensätzlichen Positionen zwischen Libby und Adib möglich. Jeder kennt die Argumente der anderen Seite auswendig, und erkennen die scheinbar auswegslose Situation, die Adib mit zwei streitenden Nachbarn, jeder mit einem halben Seil, auf dem Dach eines brennenden Hauses vergleicht:

"Sie haben die Wahl, entweder die beiden Seile zu verknüpfen, sich nacheinander vom Dach hinunterzulassen und heil au den Boden zu gelangen, oder zu versuchen, sich gegenseitig umzubringen, um die Seilhälfte, die fehlt, mit Gewalt an sich zu bringen, um sich vom Dach des brennenden Hauses abzuseilen."

Wird es eine Verknüpfung der Seile geben? Libby ist innerlich und äußerlich frei. Vielleicht ist sie eine von denjenigen, die einen Wandel herbeiführen. der letzte Satz lässt alles offen: "Kein Schluss - und nicht das Ende".

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