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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 29.06.2021

enttäuschend

Dein ist das Reich
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Katharina Döbler erzählt mit "Deiin ist das Reich" die - teilweise fiktionalisierte - Geschichte ihrer Großeltern. Diese waren Teil der Missionarsbewegung , die in Neuguinea, die Ende des 19. Jahrhunderts ...

Katharina Döbler erzählt mit "Deiin ist das Reich" die - teilweise fiktionalisierte - Geschichte ihrer Großeltern. Diese waren Teil der Missionarsbewegung , die in Neuguinea, die Ende des 19. Jahrhunderts das Kaiser-Wilhelm-Land übernahmen. Dieser Teil der deutschen Geschichte ist nicht oft Gegenstand von Büchern, weswegen ich sehr gespannt war, was Döbler darüber zu erzählen hat.

Die Kolonialisten waren überzeugt von ihrer Arbeit, sie wollten die heidnischen Ureinwohner bekehren und dem christlichen (protestantischen) Glauben zuführen, sie aus ihrer niederen und unzivilisierten Welt befreien. Nur ihr Weg hin zum Glauben war der richtige, die abergläubischen und heidnischen Riten wurden als Teufelswerk verbannt. Die Missionare stehen oben, die anderen Völker unten. Dies hat zur Folge, dass die damaligen Ansichten geprägt waren von Vorurteilen sowie herablassenden und rassistischen Äußerungen. Was damals Gang und Gäbe gewesen sein mag, hat heute für mich keinen Platz mehr in Literatur. Doch leider übernimmt Döbler diese Ausdrucksweise nahezu unkommentiert. Sie schreibt zwar "Sie hatte dabei geholfen, den Neuguineern den Schmerz der Unterlegenheit zuzufügen, ihnen ihre Würde zu nehmen und ihr Land und ihre Kultur. Das war Beihilfe zu einem weitreichendem Verbrechen, das nur zu verdammen war, und ich verdammte es, aus vollem Herzen.", doch solche Vorwürfe werden erst ab ca. 60% des Buches verstärkt eingebracht. Das ist für mich zu spät und ich finde, in der heutigen Zeit muss man hier kritischer und bedachter schreiben. Man kann das Gefühl und Verhalten von damals auch anders verdeutlichen.

Hätte mich nicht schon die Sprache enorm abgeschreckt, so wäre ich spätestens beim Aufbau des Buches ins Stolpern geraten. Döbler schreibt in Form der Enkelin, die die Geschichte ihrer Großeltern entdeckt. Letztere erarbeitet sie in Form eines Berichtes, der das Leben der Großeltern vor und während der Kolonialisierung schildert. Diese Berichte sind immer wieder durchbrochen von kürzeren Passagen der Ich-Erzählerin, in denen sie mehr oder weniger die Gegenwart schildert. Leider herrscht zwischen beiden Erzählsträngen ein nahezu fließender Übergang, so dass es mir oftmals - v.a. am Anfang - schwer fiel, direkt zuzuordnen, in welcher Zeit und bei welchen Protagonisten ich mich jetzt befinde. Beim Wechsel von der Gegenwart zur Kolonialzeit streut sie Bilder ihrer Großeltern ein. Diese Bilder werden dem Leser jedoch nicht direkt gezeigt, sondern lediglich in ausführlichen Worten beschrieben. Dieses Stilmittel ist zwar ungewöhnlich, hat mich aber eher genervt als dass es mir für den Lesefluss geholfen hätte. Größtenteils habe ich diese Absätze dann auch einfach übersprungen. Auch das Leben in der Kolonie, die familiären und nicht-familiären Beziehungen, der Umgang mit den Ureinwohnern werden sehr ausschweifend geschildert. Das Erzählte fühlt sich oftmals zäh an und so habe ich für diese 430 Seiten auch sehr lange gebraucht, da ich mich immer wieder zum Weiterlesen aufraffen musste. Döbler hat es nicht geschafft, mir ihre Figuren oder deren Leben in irgendeiner Form näher zu bringen, niemand sticht so wirklich heraus und so vermischt sich oft alles. Bei den Dialogen verzichtet Döbler auf jegliche Anführungszeichen, was mich jedoch nicht wirklich gestört hat. Viele hatten damit Probleme, doch die redenden Personen erschließen sich gut fand ich.

"Dein ist das Reich" endet mit dem 2. Weltkrieg und im Unterschied zu den vorherigen Aspekten des Buches mochte ich Döblers Herangehensweis ehier sehr. ZUm ersten Mal konnte ich eine Art Verbindung zu den Figruen aufbauen, ich konnte ihre Gedanken nachvollziehen. Sehr eindrücklich schildert sie hier das Aufkommen Hitlers, den die beiden Hauptfamilien erst aus der Ferne und später hautnah miterleben. Die Abscheu der einen und die Begeisterung des anderen stehen sich hier gegenüber. Ich hätte mir gewünscht, dass Döbler auch den Rest des Buches über so intensiv und lebensnah aufgebaut hätte. Doch leider ist "Dein ist das Reich" in dieser Form weitestgehend eine Enttäuschung.

Veröffentlicht am 16.03.2021

Eher nicht so krass

Krass
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Martin Mosebach weiß mit Worten umzugehen. Doch dahinter steckt zumindest bei seiner Figur Ralph Krass nicht so viel. Die Geschichte beginnt 1988 in Neapel. Herr Krass ist mit einer Truppe dort um sich ...

Martin Mosebach weiß mit Worten umzugehen. Doch dahinter steckt zumindest bei seiner Figur Ralph Krass nicht so viel. Die Geschichte beginnt 1988 in Neapel. Herr Krass ist mit einer Truppe dort um sich eine alte Ruine anzusehen, die er plant zu erwerben und umzubauen. Zu dieser Truppe, deren unumstrittener Anführer er ist, besteht u.a. aus Ludewine, die seine weibliche Begleitung darstellt, aber weder mit ihm noch mit anderen sexuellen Kontakt haben darf, und Mathias Jüngele, der als sein überqualifizierter Assitent fungiert.

Mosebach gliedert seine Geschichte in drei Teile. Zunächst begleitet man wie bereits erwähnt die sehr ungewöhnliche Gruppe in Neapel und bei der Besichtigung der Ruine. Die Gruppenmitglieder lassen sich freimütig und ohne schlechtes Gewissen von Krass aushalten, während letzterer sich in der Rolle des großzügigen Gönners gefällt. Keiner soll Geld in die Hand nehmen müssen, denn er macht es ja schließlich nicht anders, lässt er doch alles durch seinen Assistenten regeln. Im 2. Teil rückt Jüngele in den Vordergrund, er führt eine Art Tagebuch und erzählt nach seiner Rückkehr von seinen Erlebnissen. Bis hierher hat mir der Roman durchaus gefallen. Die Handlung war zwar etwas schwach, doch Mosebach hat mich, v.a. in Form von Jüngele, mit seiner Sprache und den sehr punktgenauen und bissigen Charakterbeschreibungen begeistert. Auf sehr treffsichere Weise bringt er den Kern einer jeden Figur an die Oberfläche und ich musste so manches Mal schmunzeln.

Doch kann kommt Teil 3 und hier verliert mich der Autor ziemlich schnell. Die Handlung springt plötzlich 20 Jahre in die Zukunft und wartet auf mit ziemlich verwirrenden Szenen. Die glorreichen Zeiten sind vorbei und Herr Krass steht nun auf der Seite der Menschen, die auf den hilfebringenden Anruf warten. Ich habe den letzten Handlungsstrang überhaupt nicht verstanden, das Erzählte war ein einziges Fragezeichen. Dass der Verlauf den Beginn der Story nochmal aufgreift hat es da auch nicht runder gemacht.

Fazit: Die tolle Sprache kann über die schwache Handlung leider nicht hinwegtrösten.

Veröffentlicht am 14.03.2021

Konnte mich nicht ansprechen

Otmars Söhne
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In Otmars Söhne geht es eigentlich gar nicht um Otmars Söhne oder zumindest kaum. Ludwigs Vater ist nach seiner Geburt abgehauen, alleine bei seiner Mutter aufgewachsen, lernt diese plötzlich Otmar kennen ...

In Otmars Söhne geht es eigentlich gar nicht um Otmars Söhne oder zumindest kaum. Ludwigs Vater ist nach seiner Geburt abgehauen, alleine bei seiner Mutter aufgewachsen, lernt diese plötzlich Otmar kennen und Ludwig hat plötzlich einen Stiefvater und zwei Stiefgeschwister. Eigentlich heißt Ludwig auch Dolf, doch blöderweise heißt so auch sein Stiefbuder, weshalb ersterer kurzerhand in Ludwig umgetauft wird. Jahre später, Ludwig lebt mittlerweile mit seiner Frau und einer Stieftochter zusammen, trifft er auf einer Geschäftsreise Johan Tromp, einen einflussreichen Shell-Angestellten. Dann ist da auch plötzlich noch Isabelle, sein Jugendschwarm, mittlerweile Journalistin und Ex-Geliebte von Tromp.

Tja, was so gut klingt, war leider gar nicht Meins. Selten habe ich so ein verwirrendes Buch gelesen. Das bisschen, was interessant hätte werden können, wurde dann aber für mich viel zu langweilig erzählt.

Buwalda wechselt hier munter zwischen Zeitebenen und Erzählperspektiven hin und her, so dass man beim Lesen kaum folgen kann. Man gewöhnt sich zwar igendwann daran, trotzdem musste ich v.a. bei den wechselnden Zeitebenen öfters nochmal nachlesen um den Überblick behalten zu können. Das strengt über 630 Seiten ziemlich an und ich möchte gar nicht an die noch fehlenden Folgebände denken. Auch hat er sich mit seinen Figuren nicht wirklich einen Gefallen getan, kaum eine ist sonderlich sympathisch oder fand ich auch nur interessant genug um mehr über sie erfahren zu wollen.

Ludwig selbst ist ein kleiner Perversling, der den Leser genauenstens an seinen Jugendfantasien mit seiner Schwester oder oben genannter Isabelle teilhaben lässt. Noch dazu ist er neidisch auf seine musikbegabten Geschwister, himmelt Stiefvater Otmar an und erhöht ihn zum gottgleichen Wesen und ruht sich irgendwie auf seinem fehlenden Erzeuger und seiner tragischen (?) Kindheit aus. Der dominante Öltyrann Tromp ist ebenfalls recht unsympathisch, spielt sich auf großes und wichtiges Tier auf, er ist der Boss, er hat das sagen und seine Frauen hat er gerne gefügig und idealerweise gefesselt. Isabelle, die einzig interessante Figur, hat sich schon in ihrer Kindheit auf Tromp eingeschossen, warum ist mir nicht ganz klar. Dennoch ist sie wohl die beste Figur in diesem Buch.

Am Ende vergebe ich zwei wohlwollende Sterne, da es einige gute Ansätze gab, wie z.B. Isabelles journalistische Motive und ihr Bemühen, die Korruption im Erdölgeschäft aufzudecken und Isabelle generell ein vergleichsweise interessanter Charakter war, deren Abschnitte man gut lesen konnte. Die übrige Handlung könnte man hier getrost streichen, da eigentlich sowieso nicht allzu viel passiert, außer, dass Männer von ihren sexuellen Fantasien erzählen. Von einem "stilistisch meisterhaften literarischen Universum" oder dem groß angekündigten Roman über "abwesende Väter und Stiefväter, um Identität und Verantwortung, um persönliche Versäumnisse, Sexualität und Schuld" kann ich persönlich hier nichts erkennen.

Veröffentlicht am 10.03.2021

ziemlich langweilig

Sommer der Träumer
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Als ihre Mutter stirbt, sind Erica und ihr Bruder Bobby allein mit dem jähzornigen und gewalttätigen Vater. Da kommt der Brief einer alten Freundin der Mutter gerade recht, die von einem Haus auf der griechischen ...

Als ihre Mutter stirbt, sind Erica und ihr Bruder Bobby allein mit dem jähzornigen und gewalttätigen Vater. Da kommt der Brief einer alten Freundin der Mutter gerade recht, die von einem Haus auf der griechischen Insel Hydra erzählt und sie einlädt den Sommer dort zu verbringen. Zusammen mit ihrem Freund Jimmy, ihrem Bruder Bobby und noch einigen anderen Freunden reist sie also in den Süden und findet sich plötzlich in einer großen Gemeinschaft von Künstlern wieder.

Ich hatte mich sehr auf dieses Buch gefreut, versprechen Klappentext und die ersten Kapitel doch ein Gefühl von Freiheit und sommerlicher Leichtigkeit gepaart mit der nötigen Tiefe. Tja leider entpuppte sich das ganze dann recht schnell als relativ langweilige Erzählung über ein paar Künstler und deren Beziehungsprobleme.

Polly Samson schreibt durchaus flüssig und das Buch lässt sich an wenigen Tagen lesen. Nur leider ist die Handlung furchtbar zähflüssig und mit Erica gibt es noch dazu eine nervige Protagonistin. Ich wurde mit ihr leider überhaupt nicht warm. Sie ist ziemlich naiv und weltfremd und schafft es überhaupt nicht irgendwelche Emotionen in mir zu wecken. Auch die anderen Figuren wurden dadurch ziemlich flach und für mich uninteressant. Ich habe nichts gegen Bücher mit wenig Handlung aber hier plätschert alles nur so vor sich hin und man fragt sich insgeheim, wann sie denn nun bitte alle endlich wieder nach Hause fahren.

Von der Künstlergemeinschaft spürt man beim Lesen auch nur wenig, es geht viel mehr darum, wer da nun was mit wem verbotenerweise oder auch nixht verboten etwas hat, wer über wen in seinem Buch herzieht und zwischendurch versucht Erica noch sehr gezwungen etwas über ihre Mutter herauszufinden.

Am Ende kann ich das ganze nun leider nur als leicht zu lesender aber dabei ziemlich langweiliger sommerlicher Klatsch und Tratsch. Und noch eine Frage zum Schluss: Wer nennt seine Schwestern denn bitte Puppe?

Veröffentlicht am 02.12.2020

Ich hatte mir mehr erhofft

Die zitternde Welt
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Wilhelm ist am Bau der Bagdadbahn beteiligt, er hat sich heimlich aus Wien davon gestohlen nach Anatolien und ist ziemlich überrascht, als seine zurückgelassene Freundin plötzlich vor der Tür steht - hochschwanger. ...

Wilhelm ist am Bau der Bagdadbahn beteiligt, er hat sich heimlich aus Wien davon gestohlen nach Anatolien und ist ziemlich überrascht, als seine zurückgelassene Freundin plötzlich vor der Tür steht - hochschwanger. Damit beginnt die Familiengeschichte von Maria und Wilhelm, die beiden geben sich als Ehepaar aus und leben ein gutes Leben in Anatolien. Maria geniest das Freisein, das sie nun zum ersten Mal erfahren darf. Abseits vom beengten Heim ihrer Eltern blüht sie auf und weiß sich durchzusetzen, sie lässt sich nicht mehr einengen, weder von ihrem Mann noch von sonst jemandem. Doch es kommt wie es kommen muss, das Leben kann nicht immer so gut bleiben, die beiden müssen Anatolien verlassen, ihre Kinder, in Anatolien geboren, können nur unter falschem Namen ausreisen, die Familie verliert ihren Zusammenhalt und die einzelnen Familienmitglieder müssen ins Ungewisse reisen.

Ich muss gestehen, ich hatte hier etwas ganz anderes erwartet. Tanja Paar hat durchaus eine angenehme Art zu schreiben und v.a. die historischen Begebenheiten und Schauplätze rund um den Bau der Bagdadbahn und das Leben in Anatolien fand ich richtig interessant! Paar schildert dem leser hier ein Leben, das ganz anders ist, als unseres und sie lässt Orte voller Farben entstehen. Leider konnten mich jedoch die Figuren überhaupt nicht berühren. Die Geschichte wird oftmals sehr verworren erzählt, immer wieder gibt es große Zeitsprünge, wo ich mir mehr Tiefe gewünscht hätte. Abseits vom historisch interessanten passiert auch leider nicht allzu viel interessantes in diesem Buch. Der Leser begleitet die einzelnen Familienmitglieder auf ihrem Weg aber auch hier fehlt es mir irgendwie an Tiefe, ihre Schicksale waren mir selbst am Ende noch ziemlich egal. Auch von den Nebencharakteren sticht keiner so wirklich hervor. Interessante Ansätze, aus denen man etwas hätte machen können, werden oft nicht weiter verfolgt, was ich ziemlich schade fand.

Am Ende hätte ich es wahrscheinlich besser gefunden, wenn sich die Autorin vielleicht auf einen Aspekt konzentriert hätte, das leben in Anatolien und Maria als vorausschauende Frau oder das Leben der Kinder und ihre Erlebnisse während des 1. Weltkriegs bzw. danach. Dieses Buch findet sicherlich seine Liebhaber, meins war es leider nicht.