Mental Load
"Kaputte Herzen kann man kleben" ist der neue Roman von Kristina Günak, einer deutschen Autorin, welche die norddeutsche Küstenlandschaft gerne zum Schauplatz ihrer Romane macht.
Hebamme Luisa ist alleinerziehend. ...
"Kaputte Herzen kann man kleben" ist der neue Roman von Kristina Günak, einer deutschen Autorin, welche die norddeutsche Küstenlandschaft gerne zum Schauplatz ihrer Romane macht.
Hebamme Luisa ist alleinerziehend. Ihr Ex entzieht sich seinen Verpflichtungen, wo er kann. Als Luisas Rücken die Notbremse zieht, muss sie mit ihrer kleinen Tochter eine Auszeit nehmen: bei der exzentrischen Tante in St. Peter-Ording. Die geschickten Hände des verschlossenen Physiotherapeuten Tom helfen ihr wieder auf die Beine, doch die Seele will nicht recht nachziehen. Bis sie am Strand auf ein Grüppchen Frauen trifft, das es sich zum Motto gemacht hat, fünfe gerade sein zu lassen. Und auch Tom ist auf einmal nicht mehr so verschlossen ...
Das hübsche Cover atmet maritimes Flair und stimmt auf St. Peter Ording ein, der vielsagende Titel passt perfekt zu einem humorvollen, locker-leicht geschriebenen Frauenroman, in dem die Liebe nicht zu kurz kommen darf.
Was das Setting betrifft, hat Kristina Günak eine gute Wahl getroffen. St. Peter Ording ist ein beliebter Ferienort an der Nordsee; die kleine Gemeinde im Kreis Nordfriesland in Schleswig-Holstein ist vielen Leserinnen aus eigener Anschauung (oder aus den einschlägigen Frauenromanen) vertraut. Mit vielen stimmungsvollen Bildern fängt Kristina Günak die landschaftliche Schönheit von St Peter Ording ein und lädt zu einer wunderschönen literarischen Traumreise an einen Sehnsuchtsort ein.
Der neue Roman "Kaputte Herzen kann man kleben" kreist um "Mental Load", die unsichtbare Denkarbeit von Frauen. Auch die in München lebende alleinerziehende, berufstätige Protagonistin Luisa zählt zu den Frauen, die immer an alles denken müssen. Als angestellte Hebamme in einem großen Klinikum steht sie unter starkem Druck, effizient arbeiten zu müssen; eine selbstbestimmte Tätigkeit als freie Hebamme in einem eigenen Geburtshaus ist ihr nicht möglich. Auf die finanzielle Unterstützung durch den leiblichen Vater ihrer Tochter kann sie nicht bauen, auch die Betreuung ihres schulpflichtigen Kindes liegt allein in ihren Händen. Aufgrund dieser extrem hohen (Arbeits-) Belastung reagiert sie psychosomatischen (Rücken-) Beschwerden; sie ist an ihre Grenzen gekommen, steht vor einem Burnout und braucht mit ihrer lebhaften kleinen Tochter eine längere Auszeit auf dem Bauernhof ihrer exzentrischen Tante.
Leider bin ich mit Luisa nicht richtig warmgeworden. Für meine Geschmack ist sie ein sperriger Charakter. Auch wenn ich ihre physischen und psychischen Probleme verstehen und nachempfinden kann, erscheint sie mir etwas zu passiv und wehleidig. Sie kann ihre Probleme klar benennen, verschließt aber die Augen vor der naheliegenden Lösung. Auch an ihrem passiv-aggressiven, schroffem Benehmen ihrer hilfsbereiten Tante Mimi und den anderen Bewohnern des Bauernhofes gegenüber habe ich mich regelmäßig gestoßen.
Dennoch hat mir meine Lektüre gut gefallen. Auch wenn es sich um einen klassischen Frauenroman handelt, liefert Kristina Günak viele wichtige Denkanstöße, unsere soziale Realität und das eigene Leben kritisch unter die Lupe zu nehmen. (Frauen-) Freundschaften, Hilfsbereitschaft und Solidarität sollten keine Fremdwort in unserer heutigen Gesellschaft sein. Insoweit ist es eine schöne Lektüre für zwischendurch, nicht nur für den Strandkorb.