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Veröffentlicht am 03.07.2021

„Vergib deinen Feinden, aber vergiss niemals ihre Namen.“ (John Fitzgerald Kennedy)

Die fremde Spionin
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Die 10-jährige Ria wird jäh von ihrer jüngeren Schwester Jolanthe getrennt und sowohl ihrer Familie als auch ihrem Umfeld beraubt, als die DDR-Staatssicherheit ihre Eltern als Volksverräter inhaftiert. ...

Die 10-jährige Ria wird jäh von ihrer jüngeren Schwester Jolanthe getrennt und sowohl ihrer Familie als auch ihrem Umfeld beraubt, als die DDR-Staatssicherheit ihre Eltern als Volksverräter inhaftiert. Sie wächst in einer Pflegefamilie in Ostberlin auf und hat keinerlei Möglichkeit, mit ihrer Schwester in Kontakt zu treten. In Ria wird der Gedanke nach Rache immer größer, vor allem aber möchte sie unbedingt ihre Schwester wiederfinden. Durch einen Wink des Schicksals erhält Ria, die inzwischen im Ministerium für Außenhandel arbeitet, 1961 vom BND die Möglichkeit, als Spionin für den Westen zu arbeiten, wobei sich Ria natürlich auch Unterstützung bei der Suche nach ihrer Schwester erhofft. Die Arbeit als Spionin fordert Rias ganze Aufmerksamkeit, damit sie bei ihrer Arbeit nicht enttarnt wird und in die Fänge des DDR-Regimes gerät. Doch leider gelingt es ihr nicht, unsichtbar zu bleiben, so dass ihr schon bald sowohl die Stasi als auch der KGB mit seinem effektiven Top-Agenten Sorokin auf den Fersen sind. Wird Ria ihre Schwester wiederfinden?
Titus Müller hat mit „Die fremde Spionin“ einen fesselnden Roman als Auftakt für seine neue Trilogie vorgelegt, der nicht nur mit exzellent recherchiertem historischem Hintergrund, sondern auch mit atemberaubender Spannung den Leser von Beginn an in Atem hält. Der flüssige, bildgewaltige und teils recht dramatisch anklingende Erzählstil Müllers lässt keine Wünsche offen und schickt den Leser auf eine Zeitreise zurück in die jüngste deutsche Vergangenheit, wo das Land zwar schon geteilt, die Mauer jedoch noch nicht errichtet war. An der Seite von Ria Nachtmann erlebt der Leser nicht nur originalgetreu das Leben im DDR-Regime mit, sondern wird nahezu hineinkatapultiert in die undurchsichtige und berechnende Welt der Geheimdienste, die ihre Agenten wie auf einem großen Schachbrett hin- und herschieben, um den Gegner matt zu setzen. Durch geschickte Perspektivwechsel lernt der Leser aber auch die Seite von Sorokin kennen, so dass er sich gut in beide Hauptprotagonisten hineinversetzen kann. Müller ist ein wahrer Erzählkünstler, der Fiktion mit Wahrheit so gekonnt verbindet, dass der Übergang fließend ist und den Leser sofort davon überzeugt, dass alles genauso stattgefunden haben kann. Dabei lässt er neben erfundenen Protagonisten damalige politische Größen wie Kennedy, Ulbricht, Schalck-Golodkowski oder Erich Honecker auftreten, was die Geschichte nur noch authentischer macht. Überraschende Wendungen sowie das undurchsichtige Katz- und Maus-Spiel der verschiedenen Geheimdienste machen die Handlung nicht vorhersehbar, so dass der Spannungsbogen auf sehr hohem Niveau bis zum Ende gehalten wird, und der Leser wunderbar miträtseln kann, wie die tiefgründig konzipierte Geschichte wohl enden wird.
Die Charaktere sind sehr facettenreich ausgearbeitet, Ihnen wurde regelrecht Leben eingehaucht. Authentische menschliche Eigenschaften machen sie für den Leser glaubwürdig, der ihnen als unsichtbarer Schatten folgt und dabei Geschichte leibhaftig miterlebt. Ria ist aufgrund ihres Lebenslaufs eine zerrissene Persönlichkeit. Viel zu naiv und unbedarft geht sie an ihre Aufgaben als Agentin heran, bringt sich mehr als einmal in Gefahr, doch wächst sie an ihren Aufgaben und dem Leser immer mehr ans Herz. Sorokin wirkt wie ein eiskalter Killer, der stringent seine Aufträge erledigt, doch auch er ist aus Fleisch und Blut, kann Gefühle zulassen, die man ihm nicht zutrauen würde. Hähner wirkt eher wie ein Mensch denn wie ein Geheimdienstoffizier, denn er zeigt Verantwortung. Die übrigen Protagonisten sind ebenfalls sehr gut gezeichnet und tragen zur Spannung der Geschichte maßgeblich bei.
„Die fremde Spionin“ lässt mit einer sehr gut ausgeklügelten Handlung nicht nur den kalten Krieg wieder lebendig werden, sondern hält den Leser mit rasantem Tempo in atemloser Spannung, während er bei der Lektüre ein Wahnsinnskopfkino sowie eine Achterbahn der Gefühle durchlebt. Absolute Leseempfehlung für alle, die Geschichte leibhaftig miterleben wollen!!!

Veröffentlicht am 26.06.2021

"Leute, die alles bedenken, ehe sie einen Schritt tun, werden ihr Leben auf einem Bein verbringen." (Anthony de Mello)

Menschen im Hotel
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1920er Jahre Berlin. Das Grand Hotel im Herzen der Stadt öffnet seine Pforten für allerlei illustre Gäste aus unterschiedlichen Gesellschaftsschichten, die sich dort einmieten und deren Schicksal an einem ...

1920er Jahre Berlin. Das Grand Hotel im Herzen der Stadt öffnet seine Pforten für allerlei illustre Gäste aus unterschiedlichen Gesellschaftsschichten, die sich dort einmieten und deren Schicksal an einem Wendepunkt befindet. Die in die Jahre gekommene Balletttänzerin Grusinskaja hängt ihren glanzvollen Zeiten hinterher, während sie sich in ihrem Zimmer vor der Welt versteckt. Unternehmer Preysing steht mit seiner Fabrik kurz vor dem Bankrott und hofft auf einen besonderen Geschäftsabschluss, der ihn zurück auf die Gewinnerstraße bringt. Sein Lohnbuchhalter Kringelein wirft derweil mit Geld nur so um sich, denn eine unheilbare Krankheit zeigt ihm auf, wie kurz das Leben ist. Der charmante Baron von Gaigern ist hochverschuldet und verdingt sich als Trickbetrüger. Und Dr. Otterschlag, vom Krieg auf grausame im Gesicht entstellt, verbringt die Tage in der Lobby, während er auf das Leben schimpft und sich in Selbstmitleid suhlt….
Vicki Baum hat mit ihrem im Jahr 1929 erschienenen Roman „Menschen im Hotel“ ein sehr interessantes Gesellschaftsportrait der Weimarer Republik vorgelegt, in dem sie auf geschickte, atmosphärische und pointierte Weise die unterschiedlichsten Charaktere mit ihren Wünschen, Träumen, Desillusionen, Schicksalsschlägen und Enttäuschungen proträtiert und dabei auch die Unterschiede zwischen den verschiedenen Gesellschaftsschichten aufzeigt. Mit flüssig-leichtem, teils poetischem Erzählstil bringt Baum den Leser erst ins Grand Hotel, wo er in luxuriösem Ambiente und während das übliche geschäftige Treiben in einer Hotellobby seinen Gang geht, auf die Akteure trifft, deren Leben ihm nach und nach dargeboten wird. Dabei erlaubt Baum dem Leser auch einen Blick durchs Schlüsselloch und hinter die Fassade, um die Protagonisten besser kennenzulernen und auch von ihren Schicksalsschlägen, Gedanken- und Gefühlsleben einen Eindruck zu erhalten. Die Autorin versteht es dabei perfekt, nicht nur das Hotelpersonal unauffällig mit in ihre Geschichte einzubinden, sondern vor allem auf das Zusammentreffen ihrer Hauptakteure hinzuarbeiten, das am Ende dazu führt, dass in deren Leben kein Stein mehr auf dem anderen bleibt, Entscheidungen gefällt werden, deren Tragweite sich erst final erkennen lässt. Obwohl sehr unterhaltend und pointiert erzählt, erweckt die Handlung den Anschein, als wäre sie mitten aus dem Leben gegriffen und könnten auch im 21. Jahrhundert auf der Tagesordnung stehen. Die Einzelschicksale, die nach und nach miteinander verwebt werden und voneinander abhängig sind, fast eine Schicksalsgemeinschaft werden, spiegeln auf interessante Art die Sehnsüchte oder verpassten Gelegenheiten wieder.
Die Charaktere sind sehr detailliert und lebendig ausgestaltet, sie stehen stellvertretend für die unterschiedlichsten Gesellschaftsschichten. Mit ihren glaubhaften menschlichen Eigenschaften können sie den Leser schnell überzeugen, der ihnen bei ihrem Treiben über die Schulter sieht und ihre Schicksale verfolgt. Buchhalter Kringelein, vorher ein Erbsenzähler, wird durch einen persönlichen Schicksalsschlag auf einmal großzügig und bringt sein Geld unter die Leute. Ihm ist alles egal geworden, er lebt nur noch für den Moment. Die alternde Balletttänzerin Grusinskaja kann sich bisher nicht damit abfinden, auf einmal nicht mehr gefragt zu sein. Ihr ganzes Leben war ein Tanz, bei dem ihr die Welt zusah, nun spürt sie die Einsamkeit und leidet unter der Unbedeutsamkeit. Preysing leidet unter Bluthochdruck, der sich durch den schlimmen Stand seines Unternehmens noch verschlimmert hat. Er wäre lieber bei seiner Familie, als sich ums Geschäft zu kümmern. Von Gaigern nutzt seinen Charme und sein Aussehen, um die Frauen zu umgarnen und sie um ihr Geld zu bringen. Dabei ist ihm jedes Mittel recht. Und Dr. Ottenschlag hat seinen Lebensmut verloren, seit er im Krieg verletzt wurde.
„Menschen im Hotel“ ist zu Recht ein Meisterwerk. Sowohl damals wie heute so zielsicher, treffend, atmosphärisch-dicht, unterhaltsam und vor allem tragisch. Baum hält dem Leser den Spiegel vor: Wer davon bist du? Absolute Leseempfehlung für einen Roman mit Botschaft!

Veröffentlicht am 20.06.2021

Und die Sterne sind dafür da, um nach ihnen zu greifen...

Gut Greifenau - Sternenwende
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1929. Während die Wirtschaftskrise Deutschland fest im Griff hat und auch vor Gut Greifenau nicht Halt macht, unterwandern die Nationalsozialisten mit ihren menschenverachtenden Parolen die Gesellschaft. ...

1929. Während die Wirtschaftskrise Deutschland fest im Griff hat und auch vor Gut Greifenau nicht Halt macht, unterwandern die Nationalsozialisten mit ihren menschenverachtenden Parolen die Gesellschaft. Katharina wird vom Schicksal doppelt hartgetroffen, und in ihrer Trauer muss sie sich dann auch noch gegen ihren Schwiegervater Gustav behaupten. Konstantin setzt alle Hebel in Bewegung, um Greifenau vor dem Ruin zu retten, dafür ist er sogar bereit, seine Seele an die Nazis zu verhökern, was für Ehefrau Rebecca geradezu unerträglich ist und die Ehe der beiden auf eine harte Probe stellt. Zur Ablenkung konzentriert Rebecca sich darauf, ihre Kinder und auch Katharina liebevoll zu umsorgen, die aus Berlin aufs Gut gekommen ist. Zwischen Gutsverwalter Albert und Katharina entwickelt sich bald eine enge Freundschaft, wobei sie auch Alberts gutgehütetes Geheimnis entdeckt. Bei den Dienstboten geht es ebenfalls hoch her, denn Berta ist wieder da und nicht allein…
Mit „Gut Greifenau-Sternenwende“ legt Hanna Caspian den Abschlussband ihrer 6-teiligen historischen Familiensaga rund um das Gut in Hinterpommern vor und überrascht den Leser einmal mehr mit einer Achterbahn der Gefühle sowie jeder Menge spannender Entwicklungen, bevor er sich von all den inzwischen liebgewonnenen Charakteren leider unwiederbringlich verabschieden muss. Der flüssige, farbenprächtige und mit vielen Emotionen angereicherte Erzählstil lässt den Leser schnell wieder auf Greifenau einziehen, um sich dort sowohl an die Fersen der Gutsherrschaften als auch an die der Bediensteten zu heften und ihnen bei ihren Entscheidungen und Erlebnissen über die Schulter zu blicken. Im Zeitraum von 1929 bis 1932 erlebt man so einschneidende Ereignisse wie die Wirtschaftskrise und ihre Folgen auf die Bevölkerung, aber auch der immer stärker werdende Einfluss der Nazis, die auch an den Gutsbewohnern nicht spurlos vorbeigehen. Caspians größte Stärke sind neben ihrer historischen Recherche vor allem ihre wundervoll ausgearbeiteten Charaktere sowie die Darstellung der zwischenmenschlichen Beziehungen untereinander. Die Figuren wirken wie aus dem Leben gegriffen, ihre Sorgen und Nöte sowie ihr Handeln und Tun sind nachvollziehbar und gerade deshalb fühlt man sich als Leser sowohl mit ihnen, als wäre man selbst ein Teil von ihnen. Während der Lektüre rauscht die Handlung wie ein Kinofilm vor dem inneren Auge ab, jagt den Leser durch ein Meer von Emotionen, während man entweder die Augen verdreht, Tränen verdrückt, Gänsehautmomente erlebt oder auch die eine oder andere Verwünschung ausstößt. Alles ist so plastisch, dass man es fast mit Händen greifen kann und man sich am Ende des Buches verwundert die Augen reibt, wenn man wieder in der Realität auftauchen muss.
Die Charaktere wurden Band für Band glaubhaft weiterentwickelt, wobei man bei einigen das Gefühl hat, sie werden sich nie ändern. Trotzdem liebt man sie als Leser und möchte sie einfach nicht missen, allen voran die schreckliche Feodora, die immer wieder auf die Füße fällt, obwohl sie einem ständig auf die Nerven fällt. Katharina hat sich von Beginn an ins Herz geschlichen und verweilt dort ebenso bis zum Schluss wie Rebecca. Mit Konstantin muss man warm werden, er ist ein Mann, der seine guten und schlechten Phasen hat. Aber auch Alexander, Berta, Gustav, Albert und viele andere lassen des Lesers Herz höher schlagen mit ihren Schicksalen.
Selten gab es eine Buchreihe, die das konstant hohe Niveau des Einführungsbandes durchgängig halten konnte. Doch hier holt die Autorin ihr geballtes Können aus der Schublade und überrascht den Leser mit Verwicklungen, Spannung und Intrigen in jedem Band aufs Neue. Der Leser kann es am Ende eines jeden Buches kaum erwarten, die Fortsetzung in die Finger zu kriegen, um weiterhin am Gutsleben teilzuhaben, während der historische Hintergrund so lebendig und greifbar mit eingebunden ist, dass man Geschichte leibhaftig miterleben kann. Mit „Gut Greifenau-Sternenwende“ geht eine Ära zuende, ein fabulöser Lesegenuss, den man sich nicht besser wünschen könnte. Absolute Leseempfehlung – diese Serie ist Königsklasse! Chapeau mit Sternenschweif!!!!

Veröffentlicht am 19.06.2021

Der Wind dreht sich...

Der Bund der Familien
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1938. Nach seinem Schlaganfall erweckt es den Anschein, als erholt sich Wilhelm Lehmann nur mäßig. Nur Paul-Friedrich weiß, wie es wirklich um ihn steht und kauft Wilhelms Firmenanteile für den Wert von ...

1938. Nach seinem Schlaganfall erweckt es den Anschein, als erholt sich Wilhelm Lehmann nur mäßig. Nur Paul-Friedrich weiß, wie es wirklich um ihn steht und kauft Wilhelms Firmenanteile für den Wert von 5 Reichsmark. Als die Familie davon erfährt, fällt sie aus allen Wolken, vor allem Leipold, der nichts gegen den rechtmäßigen Verkauf unternehmen kann, dabei ist gerade er der Grund für Wilhelms momentane Lage. Währenddessen verliebt sich Wilhelmine von Falkenbach in einen Widerstandskämpfer, der sich von jetzt auf gleich in Luft auflöst und sie zurücklässt. Derweil muss sich ihr Bruder Gustav der besonderen Aufmerksamkeit des Gauleiters stellen, der ihm und der Familie aufgrund einer augenscheinlich prekären Situation schaden will. Überhaupt werden die Zeiten am Starnberger See rauer, nicht nur aufgrund der politischen Lage…
Ellin Carsta hat mit „Der Bund der Familie“ den dritten Teil ihrer historischen Falkenbach-Saga veröffentlicht, in der dem Leser nicht nur die immer stärker werdende Macht der Nazis ins Gesicht weht, sondern auch die Spannungen innerhalb der Familie immer weiter zunehmen. Mit flüssig-bildhaftem und empathischem Erzählstil lädt die Autorin den Leser zu einer Zeitreise ins vergangene Jahrhundert ein, wo er sich am malerischen Starnberger See wieder unter die Familienmitglieder der von Falkenberg und Lehmann mischt und dabei wieder einige Geheimnisse und Intrigen zu Tage fördert. Die Beziehung zwischen Wilhelm und seinem Sohn Leopold ist weiterhin sehr angespannt, was sich durch den Verkauf der Firmenanteile an Paul Friedrich nur noch weiter verstärkt. Neben dem von der Autorin exzellent recherchierten historischen Hintergrund beherrschen vor allem die zwischenmenschlichen Beziehungen unter den Protagonisten sowie deren Geheimnisse die Handlung und treiben die Spannung während der immer schwieriger werdenden politischen Lage immer weiter in die Höhe. Auch die Nazis haben sich in Starnberg eingenistet und machen der Bevölkerung mit ihren Verleumdungen, Gerüchten und ihrer Intrigenschmiederei das Leben mehr als schwer, so dass man selbst als Leser kaum noch weiß, wem wirklich zu trauen ist und ob gerade innerhalb der Familien der Zusammenhalt so stark ist, dass sie sich davon nicht irritieren lassen. Der Spannungslevel ist wieder gut dosiert und liegt auch in diesem Teil wieder sehr hoch.
Die Charaktere wurden glaubhaft weiterentwickelt und wandeln mit ihren persönlichen Eigenheiten lebendig durchs Kopfkino des Lesers, der ob der Ereignisse mitfiebert und rätselt. Wilhelm ist der geborene Schachspieler, der seinen Sohn durch seinen Coup schachmatt setzt, wohlwissend, dass die Querelen innerhalb der Familie damit noch nicht vorbei sind. Paul Friedrich ist ein cleverer Geschäftsmann, der jede Chance nutzt, die sich ihm bietet. Er ist mit seinem Pokerface undurchschaubar und der Strippenzieher im Hintergrund. Dabei verliert er neben seinen Zielen auch die Familien nicht aus den Augen, wobei er auch seinen Vorteil im Blick hat. Leopold ist ein Egoist, der immer noch nicht gelernt hat, seinen Mann zu stehen und Verantwortung zu übernehmen. Irma überrascht durch ihre intelligente und fürsorgliche Art, wobei sie genau weiß, welche Knöpfe sie drücken muss, um Erfolg zu erzielen. Aber auch Wilhelmine, Gustav, Elisabeth und weiter Protagonisten tragen zum Unterhaltungswert dieser Geschichte bei.
Auch mit „Der Bund der Familie“ kann Carsta wieder überzeugen und lässt den Leser am Fortgang der von Falkenbergs und Lehmanns hautnah teilhaben. Wie gebannt kleben die Finger an den Buchseiten, um nur ja nichts zu verpassen. Absolute Leseempfehlung für einen guten Mix aus Geheimnissen, Intrigen, Familiengeschichte vor historischem Hintergrund!

Veröffentlicht am 13.06.2021

Eine Ärztin mit Herz und Verstand

Zu Befehl, Frau Doktor!
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1890 Texas. Nach einer blutrünstigen Schlacht am Wounded Knee Creek satteln vier befreundete Kavalleristen um, quittieren ihren Dienst und nutzen fortan als „Hangers Reiter“ ihre Fähigkeiten nur noch dazu, ...

1890 Texas. Nach einer blutrünstigen Schlacht am Wounded Knee Creek satteln vier befreundete Kavalleristen um, quittieren ihren Dienst und nutzen fortan als „Hangers Reiter“ ihre Fähigkeiten nur noch dazu, um die Welt vor Banditen und allem Unbill zu schützen. Als einer von ihnen bei einem Auftrag angeschossen wird, wird dieser von ihrem Anführer Matthew Hanger in die in Purgatory ansässige Arztpraxis gebracht. Schon bald macht Matthew große Augen, als er sich Dr. Josephine Burkett gegenüber sieht, denn er hatte eigentlich mit einem Mann gerechnet. Bald schon schwirrt ihm Dr. Jo ständig im Kopf herum und er genießt das Wortgeplänkel mit ihr regelrecht. Nachdem der Verletzte von seinen Wunden kuriert ist, müssen die vier Reiter Dr. Jo zu Hilfe eilen, deren Bruder von Banditen für die Erpressung von Lösegeld entführt. Schon bald befinden sich alle in großer Gefahr, denn die Banditen scheuen vor nichts zurück…
Karen Witemeyer hat mit „Zu Befehl, Frau Doktor!“ einen sehr unterhaltsamen und gefühlvollen Roman vor historischer Kulisse vorgelegt, der den Leser von Beginn an zu fesseln weiß. Der flüssige, bildhafte und mit reichlich Humor gewürzte Erzählstil beamt den Leser in den Wilden Westen Ende des 19. Jahrhunderts, wo er nicht nur alsbald Kommandant Matt Hanger mit seinen drei Kameraden kennenlernt, sondern vor allem die Ehre hat, in Dr. Josephine Burkett einer starken und unabhängigen Frau zu begegnen, die sich mit Hingabe um ihre Patienten kümmert und zusätzlich um die Anerkennung in ihrem Beruf kämpfen muss, weil sie eine Frau ist. Spritzige Wortgefechte zwischen Dr. Jo und Matt lassen schon bald die Funken zum Leser überspringen, während die beiden ganz langsam ihre Gefühle füreinander entdecken. Die Autorin ist bekannt dafür, ihre Rollen mit starken und selbstsicheren Frauen zu besetzen, während sie gleichzeitig unterschwellig darauf hinweist, wie hart diese um ihre jeweilige Position kämpfen und sich durchsetzen müssen, weil sie sich in einer von Männern dominierten Welt bewegen. Bildhafte Kampfszenen lassen das Kopfkino ebenso anspringen wie die Verarztung des verletzten Wallace. Die sich entfaltende Liebesgeschichte wird fein dosiert mit der Handlung verwebt und spiegelt nebenbei die damaligen gesellschaftlichen Gepflogenheiten wieder. Auch der christliche Aspekt wurde mit der Geschichte verbunden, denn Werte wie Vertrauen in Gott, Nächstenliebe sowie Vergebung werden hier hervorgehoben.
Die Charaktere sind sehr lebendig in Szene gesetzt und überzeugen durch ihre glaubwürdigen Ecken und Kanten, die sie dem Leser schnell ans Herz wachsen lassen. Dieser folgt ihnen gern, um an ihrer Seite ein Abenteuer zu erleben und mit ihnen zu fiebern. Josephine Burkett ist eine selbstbewusste und patente Frau, die nicht nur mit ihren Fähigkeiten als Ärztin punktet, sondern auch ein schlagfertiges Mundwerk besitzt, das sie wie eine Waffe einzusetzen weiß. Matthew Hanger ist ein pflichtbewusster und verantwortungsvoller Mann, der neben Selbstsicherheit auch Fürsorge ausstrahlt. Auch er trägt das Herz auf der Zunge und ist um keine Antwort verlegen. Wallace ist ein Charmebolzen, der gern flirtet und das Leben aufgrund seines jungen Alters etwas leichter sieht. Jos Bruder Charlie ist ein selbstsüchtiger Taugenichts, der durch seine Taten andere immer wieder in Gefahr bringt. Aber auch die anderen Protagonisten tragen ihren Anteil an dieser spannenden und abwechslungsreichen Geschichte.
„Zu Befehl, Frau Doktor!“ ist eine sehr gelungene Mischung aus historischem Abenteuer- und Liebesroman, der den Leser von der ersten Seite an gefangen hält und dabei ein wunderbares Kopfkino in Gang bringt. Ein spannender Pageturner, der eine absolute Leseempfehlung verdient hat!