Liebe Daffy,
erinnerst du dich noch an meine Empfehlung von Redwood Love. Es beginnt mit einem Blick? Meine Reise ging jetzt zurück nach „Redwood“ und ich habe die Geschichte von Gabby und Flynn in Kelly Morans Redwood Love. Es beginnt mit einem Kuss, 2018 im Rowohlt Verlag erschienen, erleben dürfen. Dieses Buch hat mich noch mehr am Lesen gehalten, als der erste Teil, weshalb ich dir unbedingt davon erzählen möchte.
Man kennt ja den Ausspruch: „Aus Freundschaft wird Liebe“. Das ist das Mantra für den zweiten Teil von Redwood Love. In der Grundschulzeit zog die Familie Cosette nach „Redwood“ und Gabby kam neu zu Flynn O'Grady in die Klasse. Das Mädchen bemerkte, dass Flynn taub war und stellte ihre Eltern vor die Tatsache, Gebärdensprache lernen zu wollen, um sich mit dem Jungen unterhalten zu können. Jetzt, Jahre später, sind sie noch immer die besten Freunde und arbeiten sehr eng zusammen. Flynn ist, wie sein Vater vor ihm, Tierarzt geworden und führt gemeinsam mit seinen Brüdern Drake und Cade die Praxis in der Kleinstadt. Gabby ist Tierarzthelferin und arbeitet hauptsächlich als Flynns Assistentin. Ihre Aufgabe liegt vor allem in den Hausbesuchen, wobei Gabby für Flynn dolmetscht. Was ihr aber nicht nur bei der Arbeit in Fleisch und Blut übergegangen ist, sondern auch ganz natürlich in jeder Situation von ihr übernommen wird. Ein Paar, das man sich nicht besser und vertrauensvoller wünschen könnte. Würden die beiden ihre Gefühle füreinander nicht unterdrücken, um ihre Freundschaft nicht zu gefährden. Doch es ist genauso schwer für eine Freundschaft, wenn beide eigentlich mehr möchten, sich nur nicht trauen.
Kelly Moran hat eine wunderbare Gruppe an Menschen geschaffen, die wir im Laufe der Trilogie nach und nach besser kennen lernen, indem wir Zeit mit ihnen verbringen. Nachdem wir Avery und Cade dabei begleitet haben, wie sie sich verlieben, sind wir in der Handlung bei Band zwei zeitlich nach dem ersten Buch. Wir haben „Redwood“ schon im Schnee erlebt und nun erwacht die Stadt langsam und der Frühling zeigt sich. Ob bewusst oder unabsichtlich gewählt, empfand ich es als eine sehr schöne Parallele zu der aufkeimenden Liebe von Flynn und Gabby. Das Potenzial war schon lange vorhanden und doch werden sie sich ihrer Liebe erst nach und nach bewusst, sind jedoch zu schüchtern, um ihre Freundschaft mit einem Knall in eine Beziehung umzuwandeln. Wie das Aufblühen der ersten Blumen im Frühjahr.
Die Idee, dass aus einer jahrelangen Freundschaft mehr wird, hat Kelly Moran nicht erfunden, klar. Sie tut aber auch nicht so. Gabby und Flynn verbringen gerne Zeit miteinander, essen Pizza und schauen Filme. Den ersten Film, den wir mit ihnen schauen dürfen, ist – passender konnte es gar nicht gewählt sein – Harry und Sally (S. 19). Ich finde es ausgesprochen gelungen, wenn Autoren ihre Werke bewusst im bestehenden Kanon verankern und den LeserInnen mit kleinen Hinweisen zeigen, sie wissen ganz genau, dass sie das Rad nicht neu erfunden haben.
Gabby und Flynn waren mir schon im ersten Teil sehr sympathisch und ich konnte es kaum erwarten zu lesen, wie sich ihre Geschichte entfalten würde. Ich finde es sehr schön, dass wir die Geschichten von Kelly Moran immer in abwechselnden Sichtweisen erleben. So werden diese Liebesgeschichten nicht zu einem identifizieren mit nur einer Figur und der andere bleibt „love interest“. Die jeweiligen Emotionen und Gedanken tragen dazu bei, Handlungen wunderbar nachvollziehen zu können und auch Meinungsverschiedenheiten nicht als albern und unnötig zu erleben. Jede Figur hat ihren Standpunkt, den wir verstehen können.
Es hatte mich bei Cade und Avery extrem gestört, dass sie von Anfang an nur Verlangen empfunden haben und die anhaltenden sexuellen Anspielungen in den jeweiligen Gedanken, waren etwas ermüdend. Wie ich in meinem letzten Brief schon sagte, hat sich das aber in eine tolle Richtung entwickelt. Doch hinsichtlich dessen, habe ich mich in Flynns und Gabbys Geschichte wohler gefühlt, da ich die Bedenken, die sich mit dem Bewusstwerden der Verliebtheit abwechselten, besser verstehen konnte.
Es hat mir in diesem Buch dahingehend besser gefallen, dass die Freundschaft von Flynn und Gabby sie auf eine Art vom anderen denken lassen, die sowohl respektvoll war, aber auch das aufkeimende Verlangen war gut dargestellt.
Ich finde es nicht immer einfach, eine Freundschaft in Büchern nachzuvollziehen. Meist wird es einfach nur behauptet. Vor allem bei Frauenromanen. Da trinken die Mädels einen Sekt und bequatschen das Thema Männer und wir sollen daraus schließen, es sind die allerbesten Freundinnen. In „Redwood“ wird die Freundschaft gezeigt. Wir sind nicht nur dabei, wenn die Freunde im „Shooters“ – das ist die Bar – sind und einen fröhlichen Abend verbringen. Es geht sehr viel darum, dass die O'Grady-Brüder über die Frauen sprechen und die Gruppe rund um Gabby, Avery, Zoe und Brent über die Männer. Aber innerhalb dieser Gespräche werden nicht nur alberne Ratschläge erteilt, sondern auch zugehört und Mimik gedeutet. Das macht für mich Freundschaft aus. Dass man den anderen versteht und nicht mit Albernheiten und Unpassendem auf Probleme reagiert. Doch noch schöner wurde die Freundschaft zwischen Flynn und Gabby dargestellt. Es wurde nicht nur behauptet, Gabby sei für Flynn die Stütze und Vertrauensperson. Kelly Moran zeigt es uns, wenn Gabby trotz Streit daran denkt, für Flynn in Gebärdensprache zu übersetzen, wenn die beiden zusammen arbeiten und Gabby all die Aufgaben übernimmt, die das Gehör fordern. Dabei ist sie nie überheblich, sondern sich ihrer Position bewusst, dass er teilweise von ihr abhängig ist. Und während ich diesen Satz schreibe, weiß ich, dass sowohl Flynn, als auch Gabby entsetzt wären. Obwohl Gabby so wichtig für Flynns Alltag ist, möchten beide die Behinderung nicht als Einschränkung sehen und dass Flynn nicht unabhängig agieren könnte.
Kommen wir damit zu dem Thema Taubheit. Es spielt eine zentrale Rolle in der Geschichte und sollte deshalb einen eigenen Absatz verdienen. Wenn man bedenkt, dass die meisten Liebesromane oder -filme perfekte, gesunde Protagonisten haben, ist die Redwood Love-Reihe ein gelungener frischer Wind. Es geht nicht darum, die Behinderungen und seelischen Schicksalsschläge als Einschränkung zu sehen und die ProtagonistInnen zu einem Material von Mitleid der Leserschaft werden zu lassen. Auch wenn es mir teilweise zu einfach ist, dass keinerlei Fehler passieren und alle Hauptfiguren wissen, was sie zu sagen oder tun haben, damit sich alle wohl fühlen. Es macht die Bücher trotzdem super sympathisch, dass Depressionen, Behinderungen oder Demenz als ein ganz normaler Teil des Lebens dargestellt werden, wodurch wir die Stärke der Figuren nur noch mehr zu schätzen lernen. Wie ich oben schon ansprach, Flynn möchte nicht bemitleidet werden, sondern deutlich machen, er ist ein unabhängiger Mann, der seinen Traum wahr gemacht hat, Tierarzt zu werden.
Vor dem Lesen habe ich mir vorgestellt, wie die Autorin wohl die Taubheit darstellen wird. Zumal wir das Buch nicht nur aus Gabbys Sicht lesen. Ich hatte mit sehr vielen Beschreibungen anderer Sinneseindrücke gerechnet. Dass ich durch die Flynn-Kapitel auch mehr auf die Kleinigkeiten achten würde, wie etwas riecht, schmeckt, sich anfühlt. Als eine Person, die hören kann, verlasse ich mich selbstverständlich auf diesen Sinn und lasse mir vielleicht etwas entgehen, was sich viel besser sehen, als hören ließe? Ich kann es nicht beantworten, doch leider hat Kelly Moran es auch nicht geschafft, diese Chance im Roman zu ergreifen. Es wäre vom Schreibstil eine eins mit Sternchen gewesen, hätten wir aus Gabbys Sicht viel mit allen fünf Sinnen erfahren und bei Flynns Kapiteln eben einen anderen Fokus, den Gehörlose ganz sicher haben. Wie bei Avery und Cade habe ich sprachlich kaum Unterschiede zwischen den Sichtweisen ausgemacht und es war nicht auf den ersten Blick ersichtlich, wer gerade erlebt. Ich habe auch das ein um andere Mal gedacht, dass Sätze genau gleich immer wieder auftauchen. Als seien sie aus einer Biografie der Figuren kopiert und eingefügt. Wir haben immer wieder erfahren, was Flynn erotisch findet, doch leider ist es anstrengend, wenn man an einer emotionalen Stelle im Buch, nochmal zurückblättern möchte, um nachzusehen, ob der Satz wirklich eins zu eins gleich war, wie man es schon gelesen hat. Hier möchte ich aber deutlich sagen, dass ich nicht weiß, ob es nicht an der deutschen Übersetzung liegen könnte und es im Original Tracking you (2017) anders geschrieben wurde.
Ebenfalls müsste ich mich bei meinem nächsten Kritikpunkt näher mit dem Thema auseinander setzen, um ein vollendetes Urteil fällen zu dürfen. Mir ist aufgefallen, dass Flynn seit Geburt an taub ist; ich meine sogar, dass in Teil eins davon die Rede war, er sei taub-stumm auf die Welt gekommen. Ist es für taube Menschen möglich, Lippen zu lesen? Für jemanden, der seinen Hörsinn nach und nach verliert bzw. hören konnte und durch einen Unfall schlagartig taub wird, natürlich. Dieser Mensch hat die Laute aber auch schon einmal gehört, vielleicht sogar selbst gebildet und weiß, wie die Lippenbewegungen zu den jeweiligen Worten aussehen. Wie gesagt, hier müsste ich weiter recherchieren. Ich wollte es nur als Einleitung für einen Satz nehmen, der mir seltsam erschien:
„Brent schaltete das Licht im Innenraum ein, damit Flynn seine Lippen lesen konnte. Brent beherrschte die Gebärdensprache, aber für einen Großteil seines Vokabulars gab es einfach keine Gesten.“ (S. 39)
Es erschließt sich mir nicht, wie ein tauber Mensch ein Wort von den Lippen ablesen soll, das für ihn nie in Gebärdensprache übersetzt wurde, die sprechende Person buchstabiert es ihm aber auch nicht, damit sich eine Vorstellung davon bilden könnte. Das passiert nämlich an einigen Stellen im Buch, dass für Flynn Worte buchstabiert werden, wenn er sie nicht erkannt hat. Es ist meckern auf hohem Niveau und doch hat es mich gestört.
Genauso die Tatsache, dass Flynn mit Gabby spricht. Ich finde es unfassbar schön gemacht, dass durch diese Szenen wieder einmal deutlich wird, wie eng die Beziehung der beiden ist. Nur bei Gabby traut sich Flynn zu sprechen. Es wird behauptet, er könnte es, es fiele ihm aber sehr schwer, er würde langsam und mit einer eigenen Aussprache sprechen. Das wird einmal erklärt, als er ihren Namen sagt und wie es in seiner Artikulation klingt, doch danach spricht er die kompliziertesten Worte und lange Sätze und man liest es natürlich ganz normal. Flynns Schwierigkeiten und der Wille, mit Gabby verbal zu kommunizieren, kommen nicht so rüber, wie ich es mir gewünscht hätte. Außerdem hatte ich das Gefühl, einige Szenen wurden an mehreren Tagen geschrieben, denn Gabby scheint entweder sehr vergesslich zu sein oder es wurde für sie vergessen, was direkt davor passiert ist. Flynn spricht mit Gabby über ein Foto, dann frühstücken sie direkt im Anschluss, Flynn gebärdet ein paar Sätze und spricht dann wieder laut, woraufhin Gabby denkt: „Oh. Seine Stimme.“ (S.275) Er hat ja den ganzen Morgen schon gesprochen, nur drei Sätze lang nicht.
Du denkst nun sicher, ich sei von dem Buch nicht so begeistert gewesen und suche Fakten, um es kritisieren zu können. Das Gegenteil ist der Fall. Ich konnte das Buch nicht aus der Hand legen und habe die halbe Nacht durchgelesen, so sehr war ich von Gabbys und Flynns Geschichte gefesselt. Die beiden sind, meiner Meinung nach, super sympathisch; ich kann mich ausgezeichnet mit Gabby identifizieren, was die Geschichte nur noch aufregender gemacht hat. Meine kleinen Kritikpunkte sollen nur beleuchten, warum ich dem Buch keine volle Punktzahl gegeben habe, wie ich es einem Buch normalerweise geben würde, das ich schneller beenden wollte, als ich den Titel ausgesprochen habe. Das Buch ist nicht perfekt und doch ist Kelly Morans „Redwood“ mir mittlerweile so ans Herz gewachsen, dass ich die Stadt mit ihrer Atmosphäre zu meinen Wohlfühlorten zählen würde. Ich habe bei anderen Rezensionen schon häufiger gelesen und gehört, dass es mit Gilmore Girls verglichen wird. Du weißt, wie schwer es ist, mich davon zu überzeugen, dass etwas besser oder gleichwertig wie „Stars Hollow“ sein könnte. Und ja, ich kann Redwood Love nicht damit vergleichen. Ich verstehe, warum andere es so sehen, aber ich kann das nicht. Ein Punkt ist sicher, dass ich Gilmore Girls ohne Bedenken mit einer 6-Jährigen gucken würde, doch Redwood Love – egal, welches Buch der Reihe – ist dann doch für ältere Jugendliche und Erwachsene geschrieben worden. Es gibt explizite Szenen, die eine 6-Jährige nicht zu lesen hat, aber ich weiß auch nicht, ob jede 12-Jährige damit zurecht käme. Das liegt ganz sicher immer an der subjektiven Wahrnehmung und auf welchem Stand die Mädels und Jungs in diesem Alter sind. Sprich: Ich empfehle das Buch ab 16 Jahren. Unabhängig davon, ist es für alle, die sich wohlfühlen wollen, von Tieren und Tierärzten lesen möchten und es mögen, unterschiedliche Charaktere kennen zu lernen.
Redwood Love. Es beginnt mit einem Kuss ist eine wundervolle, gemütliche Liebesgeschichte, die dich in eine tolle Stadt entführt und gar nicht mehr gehen lässt. Der Verlag hat den Büchern richtig schöne Cover gegeben, die die Stimmung widerspiegeln und gleichzeitig ein Hingucker im Bücherregal sind. Außerdem bin ich von der Papierqualität beim Lesen einfach begeistert.
Zum Glück darf ich noch ein letztes Mal nach „Redwood“ zurückkehren, um dem ältesten O'Grady-Bruder über die Schulter zu schauen. Ich bin gespannt, wie sich die Geschichte rund um Drake und Zoe entfaltet, zu welcher Jahreszeit wir „Redwood“ erleben werden und wie die Reihe zu einem Ende finden mag.
Ich bin bereits auf der Rückreise in die Kleinstadt, daher ein schneller Gruß,
deine Daisy