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Veröffentlicht am 08.05.2017

Unter Strom

Die letzten Tage der Nacht
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Ende des 19ten Jahrhunderts tobt in den USA ein Krieg. Der Stromkrieg nämlich. Thomas Edison mit seinem Gleichstrom auf der einen, George Westinghouse mit dem Wechselstrom auf der anderen Seite. Wer kann ...

Ende des 19ten Jahrhunderts tobt in den USA ein Krieg. Der Stromkrieg nämlich. Thomas Edison mit seinem Gleichstrom auf der einen, George Westinghouse mit dem Wechselstrom auf der anderen Seite. Wer kann sich durchsetzen und das Land erhellen? Und wer darf sich wirklich als Erfinder der Glühbirne sehen? Zwischen den zwei Größen, Paul Caravath, frischgebackener Anwalt, der Licht in den juristischen Dschungel bringen will. Ein Fall von wahnwitziger Größe.

Graham Moore hat mich mit seinem Werk wirklich vollends überzeugt. Er erzählt die Geschichte des Stromkriegs sehr unterhaltsam, lässt aber gleichzeitig immer wieder physikalische Zusammenhänge einfließen, die so aufbereitet sind, dass man sie auch als Laie gut versteht. Der Autor hält sich soweit möglich an die historischen Fakten, so unglaublich die dem Leser manchmal auch scheinen mögen. Ich habe viel über Edison, Westinghouse und auch Tesla gelernt, und so manche Vorstellung wurde ein bisschen gerade gerückt. Das Ganze erzählt Moore sehr ansprechend und kurzweilig, seine Interpretation der Person Caravaths trägt dazu ebenfalls eine Menge bei. Der ist sehr sympathisch, und man kann sich gut in ihn hineinversetzen: erster Job als Anwalt und dann gleich so ein Großprojekt. Manchmal konnte er einem leidtun ; ) Auch die New Yorker Society hat Moore sehr gekonnt skizziert und bietet so dem Leser ein authentisches Bild jener Zeit. Authentisch sind auch die Zitate großer Erfinder (alter und neuer), die der Autor jedem Kapitel voranstellt.
Insgesamt ein gelungenes Werk, das ein wichtiges Kapitel der Geschichte äußerst unterhaltsam aufbereitet. Man darf auf weitere Bücher des Autors gespannt sein.

Veröffentlicht am 16.04.2017

The walking dead

Der Freund der Toten
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Mitte der 70er Jahre wird das verschlafene irische Dörfchen Mulderrig plötzlich gehörig wachgerüttelt: Mahony, ein junger Hippie, ist auf der Suche nach seinen Wurzeln. Diese Wurzeln sind dem Dorf nicht ...

Mitte der 70er Jahre wird das verschlafene irische Dörfchen Mulderrig plötzlich gehörig wachgerüttelt: Mahony, ein junger Hippie, ist auf der Suche nach seinen Wurzeln. Diese Wurzeln sind dem Dorf nicht nur sehr peinlich, sondern sollten eigentlich auch die ganze Zeit hübsch in der Erde versteckt bleiben. Genau wie die Toten, die Mahony sehen kann.

Man könnte meinen, ähnliche Familiendramen mit etwas Gruselfaktor gäbe es zuhauf. Könnte man. Man darf aber nicht den außergewöhnlichen Erzählstil der Autorin vergessen, der macht dieses Buch nämlich zu etwas ganz Besonderem. Jess Kidd belebt jeden Stein und jeden Baum; allerdings nicht auf die Herr-der-Ringe-Ent-Art, sondern eher wie es vielleicht ein Dichter der Romantik getan hätte. Äste beugen sich über Kinder, Holzwürmer singen, Flussinseln schlafen, Sonnenlicht folgt den Leuten auf Schritt und Tritt. Dieser Erzählstil schafft eine unglaublich dichte und lebendige Atmosphäre, die mich begeistert hat. Die Autorin kann jedoch nicht nur mitreißend erzählen, sondern auch ihr irisches Dörfchen mit allerlei Marken beleben. Egal ob der ungeliebte Pfarrer oder die alte, aber mit allen Wassern gewaschene Mrs Cauley, ich fand sie großartig gezeichnet und an den richtigen Stellen etwas überspitzt dargestellt. Denn Kidd beweist Humor und eine spitze Feder. Auch die Toten, die mit Mahony kommunizieren können, fügen sich hervorragend in die Geschichte ein, ohne dass diese zu sehr ins Gruselgenre abdriftet. Es handelt sich eigentlich um völlig normale Menschen, die halt den kleinen Schönheitsfehler haben, tot zu sein. Einziger (kleiner) Kritikpunkt meinerseits ist die Tatsache, dass Mahony sich sofort zum Schwarm sämtlicher (!) Dorffrauen entwickelt. Das war mir zu übertrieben, aber vielleicht wollte die Autorin ein bisschen Freie-Liebe-Feeling der Hippies in die Geschichte bringen. Doch das tat dem Lesegenuss keinen Abbruch und so hat sich „Der Freund der Toten“ schon jetzt zu einem meiner Jahreshighlights gemausert.

Veröffentlicht am 07.04.2017

To bee or not to bee

Die Geschichte der Bienen
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Drei Familien, drei Orte, drei verschiedene Zeiten. William bläst im Jahre 1852 Trübsal, weil die aufsteigende Forscherkarriere ins Stocken geraten ist. Forschungen am hauseigenen Bienenstock könnten der ...

Drei Familien, drei Orte, drei verschiedene Zeiten. William bläst im Jahre 1852 Trübsal, weil die aufsteigende Forscherkarriere ins Stocken geraten ist. Forschungen am hauseigenen Bienenstock könnten der Karriere wieder Flügel verleihen. George ist im Jahre 2007 damit beschäftigt, den Junior ins brummende (und summende) Familiengeschäft einzuweisen, die Imkerei. Doch der will seine Flügel selbst erproben und steckt seine Nase lieber in der Unibibliothek in Bücher. Für Bücher hat Tao im Jahre 2098 keine Zeit, als professionelle Bestäuberin liegt das Wohl und Wehe der jährlichen Ernte in ihren Händen. Denn 2098 gibt es keine Bienen mehr, und ohne sie bleibt die mühselige Arbeit an den Menschen hängen. Die sind zwar bienenfleißig, kommen jedoch schnell an ihre Grenzen.

Maja Lunde hat einen wunderbaren Roman geschaffen, der dem Leser einen tiefen Blick in den Bienenstock erlaubt. Braun-gelb und geflügelt sind ihre wichtigsten Protagonisten, die Tiere, die sich als Konstante durch die drei Handlungsstränge ziehen. Man lernt vieles über die Insekten, Lunde verpackt die Informationen aber in kleine Häppchen, die sich hervorragend in die Handlung einfügen. Die Bedeutung der Bienen für die Landwirtschaft und damit ihre Bedeutung für den Menschen spielt eine große Rolle. Nachdenkliche Töne lässt die Autorin anklingen, aber auch warnende. Der Handlungsstrang um Tao malt ein düsteres Bild einer bienenlosen Welt und die Warnung senkt sich dem Bienenstachel ähnlich ins Fleisch des Lesers. Doch das Buch wartet nicht nur mit beklemmender Endzeitthematik auf, sondern weiß auch zu unterhalten. Alle drei Geschichten sind liebevoll ausgearbeitet, die Charaktere echt und glaubwürdig. Die Eltern-Kind-Beziehung steht immer im Fokus (ein interessanter Gegenpol übrigens: im Bienenstock ist der Einzelne nichts, für die eigene Familie jedoch alles), man sieht diese im Wandel der Zeit gegenüber gestellt. Die Figuren wirken in ihren jeweiligen Epochen authentisch, und ich habe eigentlich alle drei sehr gemocht. Die verschiedenen Handlungsstränge wirken nicht mühsam zusammen zwischen die Buchdeckel gequetscht, sondern weisen genug Gemeinsamkeiten auf um ein großes Ganzes zu bilden. Sprachlich hat mich die Autorin ebenfalls überzeugt, sie trifft immer den richtigen Ton, von anklagend bis (honig-)süß. Ihr Erzählstil, zusammen mit ihrer hervorragend konzipierten Geschichte, haben mich dann auch an den Seiten kleben lassen, sodass ich dieses Buch sehr genossen habe und jetzt nicht nur Lust auf ein Honigbrot habe, sondern sehr gespannt auf die kommenden Romane der Autorin bin.

Veröffentlicht am 02.04.2017

Gelungener Abschluss (4,5 Sterne)

Das Labyrinth der Lichter
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Ein wichtiger Minister verschwindet in der Hochzeit der spanischen Franco-Ära spurlos. Pikanterweise ist der Verschwundene niemand anders als Mauricio Valls, ehemaliger Gefängnisdirektor von Montjuïc. ...

Ein wichtiger Minister verschwindet in der Hochzeit der spanischen Franco-Ära spurlos. Pikanterweise ist der Verschwundene niemand anders als Mauricio Valls, ehemaliger Gefängnisdirektor von Montjuïc. Die junge Alicia Gris wird auf seinen Fall angesetzt und muss dementsprechend zurück nach Barcelona; in die Stadt, die ihre Vergangenheit verbirgt. Die Spuren sind schwer zu lesen, doch wenns ums Lesen geht, kommt man in Barcelona an ihr nicht vorbei: der Buchhandlung Sempere und Söhne, die weit mehr zu bieten hat als käufliche Lektüre. Schnell sind die Semperes wieder mitten im Geschehen…

Mit „Das Labyrinth der Lichter“ beendet Zafón seinen Zyklus um den Friedhof der vergessenen Bücher. Im Vorwort wird man darauf hingewiesen, dass es nicht zwingend notwendig sei, die anderen Bände vorher gelesen zu haben. Meiner Meinung nach lässt man sich jedoch einige Aha-Momente durch die Lappen gehen, wenn man hiermit neu in die Reihe einsteigt. Es werden viele lose Enden verknüpft und allerlei bekannte Gesichter begegnen dem Leser auf den Seiten, sodass ich schon denke, dass dem Neu-Leser der Einstieg mit diesem Band schwer fallen dürfte.
Qualitativ knüpft Zafón mühelos an die vorherigen Bände an. Er beschreibt Barcelona und Umgebung so detailliert und fängt auch die Stimmung der jeweiligen Orte unglaublich gut ein, sodass der Leser sofort ein stimmiges Bild vor Augen hat. Auch seine Figuren sind dem Autor authentisch gelungen, zugegebenermaßen hat man von einigen natürlich schon ein grobes Bild aus den vorherigen Bänden, aber auch neue Personen wie Vargas oder Alicia werden gut eingeführt. Alicia ist eine sehr interessante Protagonistin, die sich nicht leicht in die Karten schauen lässt und deswegen als etwas mysteriöse Figur für Zafóns geheimnisvolle Geschichte hervorragend geeignet ist. Denn geheimnisvoll ist es schon, das Verschwinden von Valls und auch sonst hat der Autor wieder einige Rätsel und Überraschungen für den Leser vorbereitet. Wieder einmal beweist Zafón, dass Spannung und Humor nicht zwangsweise bedeuten, dass man auf tiefsinnige, poetische Betrachtungen verzichten muss; trotzdem ist sein Stil sicherlich nicht jedermanns Sache. Mich hat dieser vierte Band wieder mitgenommen und verzaubert, auch wenn sich einige kleine Längen eingeschlichen haben.

Veröffentlicht am 26.03.2017

Getrieben

Die Zeit der Ruhelosen
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Ein Elitesoldat, der nach seinem Einsatz in Afghanistan mit sich und der Welt zu kämpfen hat. Ein erfolgreicher Geschäftsmann, dem der Erfolg zwischen den Händen zu zerrinnen droht. Ein aufstrebender Politiker, ...

Ein Elitesoldat, der nach seinem Einsatz in Afghanistan mit sich und der Welt zu kämpfen hat. Ein erfolgreicher Geschäftsmann, dem der Erfolg zwischen den Händen zu zerrinnen droht. Ein aufstrebender Politiker, der die Fallstricke der eigenen Herkunft nicht sehen will. Eine Journalistin, die am Puls der Zeit arbeitet und dabei den eigenen Puls nicht mehr zu fühlen scheint. Jeder ist getrieben, von den eigenen Wünschen, dem Druck der Gesellschaft, der Vorgabe „erfolgreich“ zu sein. Von „leben“ war nicht die Rede.
Karine Tuil hat in ihrem mitreißenden Gesellschaftsroman verschiedene brandaktuelle Themen aufgegriffen, die sich trotz ihrer Diversität zu einem großen Ganzen verbinden lassen. Sie streift mit dem Leser durch die Amtszimmer von Paris, lässt Einblicke in das Leben von großen Geschäftsmännern zu und zeigt gleichzeitig das Leben des „kleinen Mannes“, der an vorderster Front gekämpft hat und dafür mit nichts zurück in den normalen Alltag geworfen wird. Ihre Charaktere sind sehr lebendig geraten, vielschichtig und spielen mit so manchen Vorurteilen. Vorurteile, gegen die sie einen ähnlich erfolgreichen Kampf kämpfen wie einst Don Quijote gegen seine berühmten Windmühlen. Tuils Roman ist kein Wohlfühlroman, es werden harte Fakten und unbequeme Wahrheiten auf den Tisch gelegt, erzählt in einem nüchternen Ton, der seinen Teil zu der fast soghaften Wirkung der Geschichte beiträgt. Klug geschrieben, authentisch erzählt und geschickt konstruiert; Die Zeit der Ruhelosen bereitet dem Leser so manchen ruhelosen Moment, gilt es doch viele Denkanstöße zu verarbeiten. Ein Roman, der unterhält und bewegt.