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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 09.09.2021

Eine faszinierende Grundidee, eine sehr mäßige Umsetzung

Die verschwundenen Studentinnen
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Die Psychotherapeutin Mariana hat den Tod ihres Mannes noch nicht verwunden, als ihr schon neue Sorgen ins Haus stehen: Eine Kommilitonin ihrer Nichte Zoe ist ermordet worden, möglicherweise schwebt auch ...

Die Psychotherapeutin Mariana hat den Tod ihres Mannes noch nicht verwunden, als ihr schon neue Sorgen ins Haus stehen: Eine Kommilitonin ihrer Nichte Zoe ist ermordet worden, möglicherweise schwebt auch Zoe in Gefahr. Mariana eilt nach Cambridge, um ihr beizustehen – und nach dem Mörder zu suchen. Denn es soll nicht bei diesem einen Todesfall bleiben. Bald schon weckt der rätselhafte Literaturprofessor Edward Fosca Marianas Interesse, oder vielmehr: ihr Misstrauen. Denn alle toten Studentinnen waren in seinem Seminar, standen ihm, wie man sagt, recht nahe. Sollte er einen antiken Kult wiederbelebt haben, der Menschenopfer fordert? Mariana setzt alles daran, die Morde aufzuklären, um Zoe zu beschützen. Und bringt sich dabei selbst in höchste Gefahr.

Ach, er klang so vielversprechend, dieser Roman: ein atmosphärischer Schauplatz, ein enigmatischer Kult, eine gebrochene Hauptfigur, die eine Mission verfolgt. Und tatsächlich hat das seine Momente, vor allem bei den literarischen Anspielungen, die ich mit großem Genuss gelesen habe. Doch leider, leider erschöpft sich die Qualität dieses „Psychothrillers“ – der bedauerlicherweise weder in Sachen „Psycho“ noch in Sachen „Thriller“ seine Genrebezeichnung verdient – darin. Die Sprache ist eher schlicht, an vielen Stellen geradezu unbeholfen und wird dem akademischen Ambiente nicht ansatzweise gerecht. Besonders lästig war in diesem Kontext der inflationäre Gebrauch von Parenthesen; hier hätte ein etwas intensiveres Lektorat dem Text sicherlich gutgetan. Doch auch die Story und ihre Protagonistin wollten mich nicht überzeugen: Die Geschichte verliert sich, insbesondere am Anfang, in allzu vielen Details (Marianas Kindheits- und Jugendgeschichte), die man sehr gut hätte straffen können, um nicht zu sagen: müssen. Und auch Mariana selbst ist, ich kann es nicht einfach sagen, eine entsetzliche Nervensäge. Weder sind ihre Verdächtigungen, Thesen und Schlussfolgerungen nachvollziehbar, noch vermag sie als Psychologin zu überzeugen, im Gegenteil. Alles in allem war es für mich eine enttäuschende Lektüre. Deshalb: leider keine Leseempfehlung.

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Veröffentlicht am 13.07.2021

Konnte mich leider weder inhaltlich noch sprachlich überzeugen

Sturmvögel
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Es ist ein entbehrungs- und herausforderungsreiches, aber auch ereignisreiches Leben, auf das die sechsundachtzigjährige Emmy zurückblicken kann. Geboren und aufgewachsen auf Amrum, ist ihre Kindheit nicht ...

Es ist ein entbehrungs- und herausforderungsreiches, aber auch ereignisreiches Leben, auf das die sechsundachtzigjährige Emmy zurückblicken kann. Geboren und aufgewachsen auf Amrum, ist ihre Kindheit nicht nur von den Gezeiten geprägt, sondern auch von der wiederkehrenden Not und der gestrengen Großmutter Alma. In den Zwanzigerjahren verschlägt es sie ins pulsierende Berlin, wo sie sich als Dienstmädchen verdingt und den vornehmen Hauke kennenlernt. Ihre Ehe ist nicht ganz so, wie Emmy sich eine lebenslange Liebe vorstellt, doch der Zweite Weltkrieg, die drei gemeinsamen Kinder und das Schicksal selbst lassen eine Trennung nicht zu – auch nicht, als Emmy ihrer wahren großen Liebe begegnet.
Als jetzt, im Jahr 1994, ihre erwachsenen Kinder im Keller auf rätselhafte Akten stoßen, die vermuten lassen, dass Emmy weitaus vermögender ist, als ihr bescheidenes Rentnerinnendasein preisgibt, muss Emmy sich noch einmal Herausforderungen stellen – und das tut sie, die Willensstarke und Unbeirrbare, anders, als ihre es sich in ihren kühnsten Träumen ausmalen …

„Sturmvögel“ verfügt im Grunde über viele gute Zutaten für eine fesselnde Lektüre: eine starke, freigeistige weibliche Hauptfigur, familiäre Verwicklungen, zwei verschiedene Zeitebenen und einen vielschichtigen historischen Hintergrund. Das und die Tatsache, dass die Verfasserin Manuela Golz sich – wie wundervoll! – vom Leben ihrer eigenen Großmutter hat inspirieren lassen, machen es mir umso schwerer zu sagen, dass der Roman leider nicht meine Erwartungen erfüllen konnte. Ich war fest gewillt, ihn zu mögen – doch der Funke wollte einfach nicht überspringen. Und das lag hauptsächlich an der sprachlichen und inhaltlichen Aufbereitung dieser an sich vielversprechenden Grundidee:

Auf der Vergangenheitsebene passiert verhältnismäßig viel auf verhältnismäßig wenig Seiten, was nicht nur zu Lasten des Ort- und Zeitkolorits, sondern auch der Handlungs- und Figurenzeichnung geht. Dadurch bleibt die Handlung bedauerlicherweise allzu oberflächlich, die Figuren wirken blass, eindimensional und wenig greifbar. Vielleicht hätte man der Geschichte einfach mehr Raum geben müssen, um sich hinreichend entfalten zu können. Auch sprachlich vermochte „Sturmvögel“ mich nicht ganz zu überzeugen, da hätte ich mir ein etwas umfassenderes Lektorat gewünscht. Der Erzählstil ist oftmals flapsig und unterkomplex, die Sprache stilistisch uninspiriert, die Aussagen bisweilen schaurig banal.

Deshalb kann ich persönlich leider keine Empfehlung aussprechen.

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Veröffentlicht am 28.02.2020

Weder sprachlich noch inhaltlich wirklich überzeugend. Leider.

Die Wälder
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Die Ärztin Nina erfährt, dass Tim, ihr Freund aus Kindertagen, unerwartet gestorben ist. Zuvor hat Tim unzählige Male versucht, sie zu erreichen. Nina soll Tims Schwester finden, die vor vielen Jahren ...

Die Ärztin Nina erfährt, dass Tim, ihr Freund aus Kindertagen, unerwartet gestorben ist. Zuvor hat Tim unzählige Male versucht, sie zu erreichen. Nina soll Tims Schwester finden, die vor vielen Jahren spurlos verschwunden ist. Nina nimmt diese Aufgabe auf sich – doch dazu muss sie sich den Ängsten ihrer Vergangenheit stellen. Denn der Weg in ihre alte Heimatstadt führt durch die Wälder, in denen Tims Schwester einst verschwand …

(++Achtung, (kleiner) Spoiler ++)

„Die Wälder“ verfügt im Grunde genommen über alle Zutaten, die man für einen Thriller braucht. Ein rätselhafter Vermisstenfall, ein Kindheitstrauma, eine bedrohliche Kulisse, verschiedene Handlungsebenen, verlorene und wiedergefundene Freundschaften, ein bisschen Coming-of-Age und eine Protagonistin, die sich alldem stellen will bzw. muss. Doch die Zutaten allein machen noch keinen Festschmaus – wie in diesem Roman, leider. Die Geschichte ist konstruiert, der vermeintlich erschütternde Vorfall aus der Vergangenheit bei näherer Betrachtung irgendwie gar nicht so erschütternd, die Auflösung entsetzlich banal, und der Zusammenhang zwischen den beiden Handlungsebenen erschließt sich versierten Thriller- bzw. Krimileser*innen auch ziemlich rasch. Dazu kommen Wendungen und Handlungselemente, die teils unfreiwillig komisch („Tims Geist“? Echt jetzt?!) und teils für den Fortlauf der Handlung völlig irrelevant sind (Das verborgene Camp). Und auch in sprachlicher Hinsicht vermag „Die Wälder“ leider nicht zu überzeugen, weder syntaktisch noch rhetorisch. Da sind beispielsweise die streckenweise ellenlangen, verschachtelten und holprigen Sätze und so manche verunglückte Metapher, z. B.:

„Winnie, die, wie jeder wusste, die Schlauste von ihnen war, versuchte wie immer, Peter dazu zu bringen, um die Autogrammkarte zu spielen, auf die er so stolz war, aber Peter war natürlich nicht blöd genug, seinen wertvollsten Besitz einzusetzen. […] Dann verteilten sie sich auf die verschiedenen Zimmer des kleinen Häuschens am Waldrand und spielten mit den Walkie-Talkies, die Kantes Onkel ihnen geschenkt hatte, nachdem sie sich bitterliche darüber beschwert hatten, dass ihre Eltern sich weigerten, ihnen eigene Handys zu kaufen.“ (S. 67).

„Die Tulpen im Vorgarten hatten ihre roten und gelben Köpfe bereits weit geöffnet und tranken die Morgensonne in großen Schlucken.“ (S. 89)

Bei den Vergleichen sieht es leider auch nicht besser aus, sie sind leider wenig originell: Da gibt es Gedanken, „die herumflatterten wie Tauben“ (S. 337), und ein Hund, der einer Spur „mit der Präzision eines Uhrwerks“ (S. 351) folgt, und einen Raum, der „surrte wie von einem riesigen Bienenschwarm bevölkert“ (S. 409).

Ich habe bei Thrillern und Krimis keinen allzu hohen Anspruch an sprachliche Feinheiten – in diesem Genre stehen für mich die Handlung und die Spannung im Vordergrund –, doch für meinen Geschmack war in diesem Buch weder das eine noch das andere gegeben. Und so kann ich leider keine Leseempfehlung aussprechen.

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Veröffentlicht am 26.11.2019

Fürchterlich belanglos

Die untalentierte Lügnerin
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„Die untalentierte Lügnerin“ ist der dritte Buchpreis-Longlist-Roman, den ich gelesen habe. Doch während mich „Das flüssige Land“ förmlich gefangen nahm und „Vater unser“ sogar zu meinen diesjährigen Lese-Highlights ...

„Die untalentierte Lügnerin“ ist der dritte Buchpreis-Longlist-Roman, den ich gelesen habe. Doch während mich „Das flüssige Land“ förmlich gefangen nahm und „Vater unser“ sogar zu meinen diesjährigen Lese-Highlights gehört, konnte ich mit Eva Schmidts Roman einfach nicht warmwerden.

Worum geht’s? Maren hat ihre Schauspielausbildung abgebrochen und kehrt, psychisch angeschlagen, zurück zu ihrer Mutter und dem Stiefvater in deren luxuriöses Domizil am See. Ihre kapriziöse und ebenfalls labile Mutter versucht sich als Künstlerin, der Stiefvater, ein wohlhabender Unternehmer, fungiert in erster Linie als Finanzier seiner Frau und der Stieftochter, der leibliche Vater ist Musiker in Wien und nur sporadisch verfügbar, der eine Bruder lebt in Finnland, der andere studiert in München. Maren weiß nichts mit sich anzufangen, ist auf der Suche nach sich selbst, trifft eine alte Freundin und ihren Ex wieder, beginnt, als Museumswächterin zu arbeiten, zieht zu Hause aus, weil sie und die Mutter sich ohne Unterlass in den Haaren liegen, zieht in die Firmenwohnung des Stiefvaters ein, stellt fest, dass er offenbar ein Doppelleben führt, zieht wieder aus … blaaablaaablaaa.

Man merkt: Weder Maren noch ihre Geschichte konnten mich berühren, und ich räume gerne die Möglichkeit ein, dass das an mir lag. Der Verlag preist diesen Roman als „Psychogramm ohne Psychologie“ an – was zu verstehen für mich bereits eine echte Herausforderung darstellt, wie ich gerne eingestehe. Offenbar reichen meine geistigen Kapazitäten nicht aus, um den tieferen Sinn dieses psychologiefreien Psychogramms zu ergründen, denn ich habe aus dem Buch nichts weiter herauslesen können als die trübsinnige, fürchterlich belanglose Geschichte einer wenig sympathischen, verwöhnten Göre, die dumpf vor sich hin brütet und durch ihr Leben mäandert, die sich erst verloren hat und sich nun sucht, ohne sich zu finden, und die sich den Großteil ihrer Probleme selbst zuzuschreiben hat. Jesses, ging die mir auf den Zeiger! (Und: Nein, die leicht verbrämte Auflösung über den Charakter von Marens offensichtlich sehr speziellem Verhältnis zu ihrem Stiefvater am Ende des Romans war auch keine große Überraschung.) Ergo: Von mir leider keine Empfehlung.

[Rezensionsexemplar]

Veröffentlicht am 04.11.2019

Guter Anfang - mehr auch nicht

Something she lost
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Auf der Halloween-Party, die Michael und Jillian alljährlich besuchen, ist noch alles in Ordnung: Sie treffen Freunde, Geschäftspartner und Kollegen, man lacht, trinkt, amüsiert sich. Doch der Heimweg ...

Auf der Halloween-Party, die Michael und Jillian alljährlich besuchen, ist noch alles in Ordnung: Sie treffen Freunde, Geschäftspartner und Kollegen, man lacht, trinkt, amüsiert sich. Doch der Heimweg verändert alles: Jillian, offensichtlich betrunkener als gut für sie ist, fällt sofort in Tiefschlaf, und auch Michael am Steuer fühlt sich zusehendes benommener. In letzter Sekunde kann er einem Mädchen am Straßenrand ausweichen. Erschrocken bietet er der Kleinen an, sie heimzufahren – doch das Haus, zu dem sie ihn lotst, wirkt verlassen und seit Jahrzehnten unbewohnt. Plötzlich verschwindet das Mädchen, nicht ohne Michael ein rätselhaftes „Komm und finde mich“ zuzurufen. Am nächsten Morgen ist Michael versucht, alles als einen schlechten Traum abzutun, doch das Mädchen lässt ihm keine Ruhe. Er macht sich tatsächlich auf, ihrer Aufforderung Folge zu leisten und ‚sie zu finden‘, doch das Haus und die Straße, die dorthin führt, ist nicht wiederzufinden. Zudem verändert sich Jillian mit jedem Tag mehr: die einstmals liebenswürdige, freundliche Frau wird zusehends gehässiger, feindseliger, gewalttätiger. Hat diese unselige Halloweennacht etwas damit zu tun?

George R. R. Martin, der Autor der „Game of Thrones“-Reihe, hält das Buch laut Klappentext für „wunderbar atmosphärisch und angsteinflößend“, Stephen King meint gar, es sei „ein brillanter Roman voll übernatürlicher Spannung“. Ich würde den beiden, die ich als Autoren durchaus schätze, wirklich gern zustimmen – aber ich kann es leider nicht. „Something She Lost“ hat im Grunde genommen alle Zutaten, die es für einen spannenden (Horror-)Roman braucht: Eine undurchdringliche Nacht (und es ist auch noch Halloween!), ein verlassenes großes Haus, das am nächsten Tag wie vom Erdboden verschluckt zu sein scheint, ein kleines Mädchen in Not und die drastische Persönlichkeitsveränderung der geliebten Ehefrau (wer denkt da nicht an Besessenheit?). Und tatsächlich fängt das Buch sehr vielversprechend und spannend an: Jillians todesähnlicher Schlaf, Michaels plötzliche Benommenheit, die zunehmend beklemmende Autofahrt über verlassene Straßen, das kleine, zarte Mädchen, das düstere Haus … doch leider wird diese anfängliche, gut konstruierte Spannungskurve mit jeder Seite flacher und flacher und flacher. Jillians Wandlung kommt eher plump daher, natürlich bekommt Michael ganz, ganz schnell Probleme in seinem Job, weil er sich mehr der Suche nach dem kleinen Mädchen widmet als seinem Projekt (und ich meine, wirklich schnell: Nach zwei, drei Tagen wird die berufliche Situation für den angeblich geschätzten Art Director schon brenzlig. Plausibel?!), schließlich tauchen auch noch gruselige Weibsbilder am Wegesrand auf, die Michael eine Heidenangst einjagen, die für mich als Leserin allerdings eine gewisse unfreiwillige Komik aufwiesen, und die Erklärung des Ganzen – ja, es ist etwas Übersinnliches, das darf es bei einem dem Horrorgenre zugeordneten Roman aber natürlich auch sein – war vergleichsweise schwach. Nach einem gelungenen Start letztlich leider ein Rohrkrepierer. Schade!