Rettungsanker contra Einsamkeit
Bevor ich dich sah„Bevor ich dich sah“ ist das Debüt von Autorin Emily Houghton. Ein Schicksalsschlag verändert das Leben von Alice. Der Weg in ein neues Leben ist weit.
Die 31jährige Alice Gunnersley kommt mit schweren ...
„Bevor ich dich sah“ ist das Debüt von Autorin Emily Houghton. Ein Schicksalsschlag verändert das Leben von Alice. Der Weg in ein neues Leben ist weit.
Die 31jährige Alice Gunnersley kommt mit schweren Verbrennungen ins St.-Francis-Hospital. Bald landet sie auf der Moira-Gladstone-Rehastation. Ihr Krankenhausbettnachbar ist ausgerechnet der 28jährige Alfie Mack. Er lässt nicht locker, um Alice nach einer langen Zeit des sturen Schweigens endlich zum Reden zu bringen.
Alice hadert mit ihrem Schicksal und schottet sich von allen ab. Sie verhindert sogar, dass ihr Notfallkontakt und beste Freundin Sarah von den schlimmen Ereignissen erfährt. Das Krankenhauspersonal stößt bei Alice auf eine Mauer, und es scheint niemanden zu geben, der diese einreißen kann. Der größte Teil der Geschichte spielt auf der Moira-Gladstone-Station und wird in zwei Perspektiven aus Sicht von Alice und Alfie erzählt. Der Fokus liegt auf Dialogen, gegensätzlichen Charakteren und Emotionen. Alfie ist der Sonnenschein auf der Rehastation und sorgt für Unterhaltung. Dabei hat er selbst mit einem Schicksalsschlag zu kämpfen, der sein Leben verändert. Die langsame Annäherung zwischen Alice und Alfie berührt. Auf Wunsch von Alice darf niemand sie sehen. Immer ist sie von Vorhängen umgeben. Nur das Personal und der Arzt dürfen zu ihr. Während sie weiterhin schweigt, nimmt das Leben um sie herum seinen Lauf. Das Geplänkel und die gegenseitigen Neckereien der Zimmergenossen haben Unterhaltungswert. Die resolute und großherzige Krankenschwester Angles versucht alles, um die Genesung ihrer Patienten zu fördern. Ihre Schützlinge gehen durch sämtliche Emotionen wie Verzweiflung, Wut, Scham, Trauer, Schuld und kämpfen um Würde und Selbstwertgefühl. Jeder hat seine eigene Geschichte. Längst hat Alfie Freunde gewonnen und ist der Liebling der Station. Nicht alles mag sich nah an der Realität bewegen. Gibt es wirklich so große Krankenhauszimmer mit männlichen und weiblichen Patienten? Vorhänge sorgen für Privatsphäre. Auch drücken die Krankenschwestern oft ein Auge zu. Es geht um gegenseitige Verständnis, Aufmunterung, Freundschaft und Liebe. Manche Zimmergenossen kommen ab der Hälfte des Buches zu kurz. Wie geht es außerhalb des Krankenhauses weiter? Die Spannung steigt. Unnötige Verzögerungen inklusive nicht genutzter Kontaktmöglichkeiten stellen die Geduld auf die Probe. Das Ende kommt abrupt. Ein paar Seiten mehr wären schön gewesen.
Die kreative Gestaltung und Farbwahl setzt Hauptfigur und Titel perfekt in Szene. Das Cover hat viel Anziehungskraft und passt gut zur Geschichte. „Bevor ich dich sah“ macht Mut, sich trotz eines schweren Schicksalsschlags zurück in ein neues Leben voller Glück und Lebensfreude zu kämpfen. Jeder braucht Menschen, die ihn lieben und für einen da sind. Ein warmherziges und empfehlenswertes Buch.