Solider Reihenauftakt
SternstundeDas mit glänzendem Golddruck veredelte Cover sah so einladend aus, dass ich unbedingt mehr über diesen am Originalschauplatz in Berlin-Zehlendorf spielenden Roman von Autorin Corina Bomann erfahren wollte, ...
Das mit glänzendem Golddruck veredelte Cover sah so einladend aus, dass ich unbedingt mehr über diesen am Originalschauplatz in Berlin-Zehlendorf spielenden Roman von Autorin Corina Bomann erfahren wollte, welcher den Auftakt zu ihrer beim Penguin Verlag erschienenen Buchreihe "Die Waldfriede-Saga" bildet und auf rund 600 Seiten einen Bogen von 1916 bis ins Jahr 1929 spannt.
Wir erleben die von zahlreichen Hindernissen und Intrigen geprägte Anfangszeit der neu gegründeten Klinik Waldfriede unter Leitung von Herr Dr. Louis Conradi, wo auch die junge Krankenschwester Hanna nach einem schweren Schicksalsschlag einen Neuanfang wagt.
Der Schreibstil ist recht ruhig und angenehm, oftmals sehr detailreich; hin und wieder erschien mir die Story ein wenig langatmig. Erzählt wird in der dritten Person, wobei wir sowohl in Hannas als auch Dr. Conradis Gedanken und Gefühle einen Einblick erhalten. Hanna ist eine sympathische, anfangs leicht naive, äußerst gutmütige Frau, die sich aufgrund eines traumatischen Erlebnisses kaum mehr in der Lage sieht, ihrer Arbeit nachzugehen. "Was taugte eine Krankenschwester, die nicht jeden Kranken pflegen konnte?" Sie hat ein Faible für Technik, was sich als entscheidendes Kriterium erweist, als man ihr einen neuen Job anbietet, der auch einen Röntgenkurs beinhalten wird. Hanna zögert keine Sekunde, denn im Sanatorium Friedensau hält sie nichts mehr. - "Manche Kolleginnen tuschelten bereits hinter ihrem Rücken und behaupteten, dass sie sich nur vor der Arbeit mit den Soldaten drücken wollte." Ihr neuer Vorgesetzter, Dr. Conradi, ist sehr verständnisvoll und freundlich – allerdings ist er auch nur ein - verheirateter - Mann, was ihm im Laufe der Handlung zum Verhängnis zu werden droht. Neben Patientenschicksalen gingen mir vor allem die Geschehnisse um den Klinikhund Prinz zu Herzen.
Angereichert mit (größtenteils persönlichen) Dramen wie boshaften Kolleginnen und Kollegen, Verrat oder verbotenen Gefühlen, entfaltet sich die Geschichte im gemächlichen Tempo. Ich muss gestehen, dass die Entwicklung der zwischenmenschlichen Beziehungen für mich insgesamt spannender war als das an sich unheimlich interessante Setting, von dem ich mir etwas mehr Atmosphäre erwartet hatte. Auch die Schilderung der Nachkriegszeit blieb für mich – im Vergleich mit anderen historischen Romanen – eher schwach, hätte gerne einen Hauch intensiver eingefangen werden können. Manche Intrigen scheinen im Sande zu verlaufen und ließen mich mit unbeantworteten Fragen zurück; ich gehe jedoch stark davon aus, dass in den Folgebänden weiter darauf eingegangen werden wird.
Der christliche Glaube der Adventisten, über den mir zuvor noch nichts bekannt gewesen war, ist ein zentraler Bestandteil der Handlung. Viele im Roman erwähnten Personen und beschriebenen Ereignisse basieren auf wahren Begebenheiten und wurden von der Autorin aus der echten Chronik des Krankenhauses entnommen, welchem sie (nach einem persönlichen Aufenthalt) gerne ein Denkmal setzen möchte. Ihre intensive Recherche und Auseinandersetzung mit der Entstehungsgeschichte des Hauses ist deutlich spürbar.
Fazit: 3 ½ Sterne und eine klare Empfehlung für alle Fans von historischen Romanen und Geschichten mit Krankenhaus-Setting.