Unvergessliche Lesestunden
Der Zugang zu unseren Wurzeln ist der Weg zu uns selbst.
Dies ist mein erstes Buch von Sonja Roos und definitiv nicht mein letztes. Was für eine vielschichtige, tiefgründige und mitreißende Geschichte.
Zur ...
Der Zugang zu unseren Wurzeln ist der Weg zu uns selbst.
Dies ist mein erstes Buch von Sonja Roos und definitiv nicht mein letztes. Was für eine vielschichtige, tiefgründige und mitreißende Geschichte.
Zur Handlung:
Mel ist Witwe und in Schmerz gefangen, als sie sich um ihre Großmutter kümmern muss. Eine Frau, zu der sie nie einen emotionalen Zugang gefunden hat. Kann das gut gehen? Und dann ist da Dr. Berkamp, der Landarzt, der Mel verwirrt und mit Gefühlen konfrontiert, die sie vor Jahren mit ihrem Mann begraben glaubt.
Figuren, die mitten ins Herz springen:
Mel Winter ist 30 Jahre alt und hat vor zwei Jahren ihren geliebten Mann verloren. Unfähig am Leben teilzunehmen, verschanzt sie sich in ihrer Wohnung in Köln.
Ihre Großmutter Lene lebt auf dem alten Gehöft Windhof im Westerwald. Sie ist schweigsam, wirkt ruppig und unnahbar. Doch Mel gelingt es, die Mauern der alten Frau zu durchbrechen, und ich darf einen einfühlsamen, aufopferungsvollen und vom Leben gezeichneten Menschen kennenlernen.
Dr. Noah Berkamp ist mit Herzen Hausarzt und seiner Heimat im Westerwald tief verbunden. In der Liebe hat er nicht viel Glück gehabt, weshalb er sich lange nicht dafür öffnet.
Zur Umsetzung:
Der Schreibstil ist bemerkenswert flüssig zu lesen, bildhaft, aktiv, wie ich es liebe und dabei feinfühlig, stellenweise schonungslos und abgrundtief ehrlich. Es folgt ein beängstigender Prolog und dann bin ich bei Mel und nehme sofort ihre tiefe Traurigkeit wahr. Sie balanciert am Abgrund und der Übergang zum Leben wird von der Autorin großartig eingefangen. Roos hat beim Thema Trauer entweder genial recherchiert oder weiß durch eigene Erfahrungen, welche Phasen man dabei durchleidet.
Authentisch und ohne zu zögern bringt sie mich dazu, diese mit Mel zu teilen, was mir nicht leichtfällt. Sie überschwemmt mich schier. Doch ehe ich darin drohe unterzugehen, nimmt mich Roos an die Hand und zieht mich weiter zu Oma Lene. Und sobald ich bei ihr ankomme, reißt der Spannungsbogen nicht eine Sekunde ab.
Neben Mel ist Oma Lene sehr präsent und ihre eigene Liebesgeschichte schickt mir zuerst Gänsehaut über den Körper und dann wärmt sie mein Herz und bringt mich dazu, nach Taschentüchern zu suchen, die ich beim Lesen immer in Reichweite benötige.
Wow, Lenes Lebensweg berührt mich heftig, und ich habe immer wieder Angst weiterzulesen. Lene hat den 2. Weltkrieg durchleben müssen und das diese Zeit viel Schreckliches mit sich bringt, war zu erwarten. Aber ebenso lese ich Passagen, die mich glücklich machen und mein Herz zum Überquellen bringen.
Gelungen werden Erlebnisse aus der Vergangenheit mit der Gegenwart verwoben, was ich total genieße. Die Kapitel haben eine angenehme Länge. Das Vergangene durchlebe ich aus Sicht des personalen Erzählers, während ich alles andere aus Mels Sichtweise in der Ich-Perspektive im Präteritum erfahre.
Mein Fazit:
„Der Windhof“ ist eine berührende Liebesgeschichte, die zwei Schicksale miteinander verknüpft. Komplexe Figuren lassen mich alles fühlen und stellenweise ist deren Lebensweg nur schwer auszuhalten. Aber es lohnt sich, tapfer zu sein. Im Buch wird es Dunkel und kalt, doch zum Glück folgt auf jede Nacht ein Sonnenaufgang. Diese Hoffnung darf man nie verlieren. Mut, Scheitern, Verlust, Einsamkeit und die große Liebe, all das vereint sich hier und bildet für mich ein exzellentes Leseerlebnis, das ich so rasch nicht vergessen werde. Dieses Buch landet ohne zögern auf meine Highlightliste 2021.
„Der Windhof“ bekommt von mir 5 beeindruckende Sterne von 5 und eine absolute und unbedingte Leseempfehlung.