Profilbild von SotsiaalneKeskkond

SotsiaalneKeskkond

Lesejury Star
offline

SotsiaalneKeskkond ist Mitglied der Lesejury

Melde dich in der Lesejury an, um dich mit SotsiaalneKeskkond über deine Lieblingsbücher auszutauschen.

Anmelden

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 26.07.2021

Ein emotionaler und bewegender Roman

Dreieinhalb Stunden
0

Es ist der Tag des Mauerbaues. Noch ahnt niemand, was nur die Zuständigen in den obersten Stellen wissen. Die DDR wird abgeriegelt, sodass niemand mehr ungesehen hinein- oder herauskommt. Und so beginnt ...

Es ist der Tag des Mauerbaues. Noch ahnt niemand, was nur die Zuständigen in den obersten Stellen wissen. Die DDR wird abgeriegelt, sodass niemand mehr ungesehen hinein- oder herauskommt. Und so beginnt auch am Münchner Hauptbahnhof der Tag wie jeder andere. Der Interzonenzug D-151 verlässt planmäßig den Bahnhof in Richtung Berlin-Ost, voll mit DDR-Bürgern, die auf den Weg zurück in ihre Heimat sind. Auf dem Weg zwischen München und der Grenze kommen dann allerdings doch Gerüchte die schnell zur Gewissheit werden, dass dies vielleicht die letzte Möglichkeit ist, das sozialistische Regime hinter sich zu lassen und einen Neuanfang zu wagen. Und so bleiben den Menschen an Bord des Zuges nur noch wenige Stunden in denen sie die Weichen für ihr komplettes weiteres Leben stellen.

Das Thema des Buches ist unglaublich interessant und ich muss sagen, dass meine hohen Erwartungen erfüllt wurden. Der Schreibstil ist angenehm, rasant und zur Geschichte passend, sodass man wirklich gut durch die Geschichte kommt. So habe ich das Buch an einem Tag in einem Rutsch durchgelesen. Toll fand ich vor allem die Atmosphäre des Buches. Es beginnt schon mit einer diffusen und unterschwellig düsteren Atmosphäre und Unruhe ganz am Anfang des Buches, die sich immer weiter steigert und aufbaut, wodurch auch die Spannung immer mehr zunimmt, bis sie ihren Höhepunkt kurz vor der Grenze, beim letzten Halt im Westen erreicht. Danach, das Ende des Buches, kam für mich ein ernüchtertes und leeres Gefühl auf. Gefühlstechnisch hat das Buch hier definitiv einiges bewirkt. Wo ich zu Beginn des Buches noch ein wenig skeptisch war, ist, dass die Kapitel sehr kurz sind, und man durch die ständigen Personenwechsel immer einen anderen der Protagonisten begleitet. ich hatte die Befürchtung, dass dadurch der Geschichte ein wenig der Tiefgang fehlen würde und ich nicht diesen Zugang zu den Protagonisten finden würde, den ich mir erhofft hatte. Allerdings blieben meine Befürchtungen unbegründet. Ich habe mich trotzdem hervorragend mit den Protagonisten verbinden können und gerade dieses etwas Fremde und Unbekannte zeichnet die Protagonisten in meinen Augen auch schließlich aus, da man sie ja nur für mehrere Stunden während einer Bahnfahrt begleitet. Man fühlt sich, als währe man selbst einer der Mitreisenden und lerne die anderen genauso erst kennen, wie die verschiedenen Protagonisten untereinander. Generell finde ich es unglaublich spannend, sich als Leser selbst in diese Position zu setzten und sich die frage zu stellen, was man selbst in der damaligen Situation getan hätte.

Insgesamt finde ich das Buch nicht nur unglaublich spannend und historisch wertvoll, sondern auch unglaublich berührend. Die Geschichte hat mich wirklich mitgenommen und zum Nachdenken angeregt. Insofern kann ich das Buch wirklich jeden weiterempfehlen, der sich mit der Deutsch-Deutschen Geschichte auseinandersetzen möchte.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 23.07.2021

Eine grandiose Geschichte

Der Panzer des Hummers
0

Der Tod der Mutter hat dazu geführt, dass sich die Kinder der Familie Gabel auseinanderleben. Ea, die älteste Schwester, hat ihr Weg fort aus Dänemark nach San Francisco geführt, von wo aus sie versucht ...

Der Tod der Mutter hat dazu geführt, dass sich die Kinder der Familie Gabel auseinanderleben. Ea, die älteste Schwester, hat ihr Weg fort aus Dänemark nach San Francisco geführt, von wo aus sie versucht über ein Medium Kontakt zu ihrer Mutter aufzunehmen, was allerdings nicht so klappt, wie sie es sich erhofft hat. Sidsel, die jüngere Schwester, versucht ihr Leben als alleinerziehende Mutter und ihren Job als Kuratorin an einem Kopenhagener Museum unter einen Hut zu bringen, während Niels sich aus der Konventionalität ausgeklinkt hat, und versucht, sich als Plakatierter durchzuschlagen. Die Vergangenheit, die sie hinter sich gelassen zu haben schienen, holt sie dabei mehr und mehr ein.

Anfangs war ich ein wenig skeptisch, wie mir der Stil und Aufbau des Buches gefallen wird. Die Kapitel wechseln sich immer aus der Sicht von Sidsel, Ea, Niels und Beatrice, einer weiteren wichtigen Person des Romans ab, immer wieder unterbrochen von Berichten der Mutter aus dem Jenseits. Allerdings muss ich sagen, dass ich mich sehr schnell an den Aufbau gewohnt habe, und die übernatürlichen Elemente, wenn es um die Mutter geht, einen gewissen Charme haben. Auch sprachlich macht das Buch einiges her. Zwar ist der Schreibstil nicht gerade einfach und sehr gewöhnungsbedürftig, aber wunderschön: bunt und lebhaft,, voller Metaphern und Allegorien. Sprachlich ist das Buch wirklich ein Hochgenuss. Was mich bei weitem aber am meisten begeistern konnte, sind die Protagonisten und Protagonistinnen. Wir haben mit Niels, Ea, Sidsel und Beactrice, 4 komplett unterschiedliche Charaktere, doch in jeder davon konnte ich einen Teil von mir selbst wiedererkennen. So wird man beim Lesen automatisch zum nachdenken angeregt, reflektiert sich selbst und seine eigene Familiensituation. Außerdem sind die Protagonisten unglaublich facettenreich und authentisch. Ich habe selten so gut ausgearbeitete Figuren in Büchern gesehen, bei denen ich sage, dass ich denen ihr Leben zu 100% abkaufe. Bei der Gestaltung der Charaktere in ihren Buch hat Caroline Albertine Minor mich wirklich vom Hocker gerissen. Nichtsdestotrotz muss man anerkennen, dass es sich bei dieser Geschichte um ein Buch handelt, dass nicht für jeden geeignet ist, allerdings hat sie genau meinen Nerv getroffen und wenn man sich wirklich auf das Buch einlässt und mit ihm Zeit verbringt, erkennt man, welchen unglaublichen Mehrwert es bietet.

Im Nachhinein betrachtet ist das Buch für mich ein wirkliches Highlight, auch wenn ich es nicht uneingeschränkt weiterempfehlen kann. Doch wer sich auf einen anspruchsvollen Schreibstil und eine wunderbar komplexe und vielseitige Geschichte einlassen will, macht bei diesem Buch definitiv keinen Fehler.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 21.07.2021

Band 1 der Waringham-Saga

Das Lächeln der Fortuna
0

England im 14. Jahrhundert: Nachdem der Vater des zwölfjährigen Grafensohns Robin einer Intrige zum Opfer fällt und als Verräter angeklagt und hingerichtet wird, sieht dieser sich plötzlich als Waise einem ...

England im 14. Jahrhundert: Nachdem der Vater des zwölfjährigen Grafensohns Robin einer Intrige zum Opfer fällt und als Verräter angeklagt und hingerichtet wird, sieht dieser sich plötzlich als Waise einem Leben in Armut gegenüber. Nur der neue Earl von Waringham, ein alter Freund von Robins Vater erklärt sich dazu bereit, sich um den Jungen zu kümmern, und bei sich als Knappen aufzunehmen. Diesem gefällt allerdings Mortimer, dem Sohn des neuen Grafen, ganz und gar nicht, da dieser in Robin einen Konkurrenten um die Gunst und Anerkennung seines Vaters sieht. Robin sieht sich zunehmend den Sticheleien und Anfeindungen Mortimers ausgesetzt und das Leben auf der einst väterlichen Burg wird immer mehr zur Qual. Robin hält es nicht mehr aus und lässt den verlorenen Besitz und seinen Todfeind hinter sich, um woanders sein Glück zu versuchen, denn Robin hat nicht aufgegeben, und will den Besitz seines Vaters wieder in seine Hände bringen und dessen schändlichen Tod rächen und die Ehre der Familie wiederherstellen. Im Laufe der Jahre schafft es Robin, wieder in der Welt des Adels und am englischen Hof Fußzufassen und findet im Duke of Lancaster einen Freund fürs Leben, mit dem er fortan politische Triumphe und Siege auf den Schlachtfeldern feiern kann. Doch als ein neuer unfähiger König den englischen Thron besteigt, droht das einst so mächtige England im Chaos zu versinken. Beim Versuch dies zu verhindern sieht sich Robin schließlich auch wieder seinem Erzfeind aus Kindertagen gegenüber.

Aufgrund dessen, dass ich bereits zwei andere Bücher der Autorin gelesen habe und deshalb mit ihrem Schreibstil und ihrer Art Geschichten zu erzählen durchaus vertraut bin, konnte mich die Dicke des Buches mit über 1000 Seiten nicht abschrecken. Wie zu erwarten kam ich auch wunderbar durch das Buch und die Seiten flogen nur so dahin. Rebecca Gablé ist einfach eine Meisterin ihres Faches. Sie schafft es, den Leserinnen und Lesern mit einer gewagten Verknüpfung der realen englischen Geschichte und der fiktiven Familie der Waringhams zu verzaubern und für die Geschichte Englands und des Mittelalters zu begeistern. Man taucht ein in den dekadenten englischen Hof zu Zeiten Edward III. und seines Nachfolgers und bekommt die ganzen Machtspiele zwischen den mächtigen Familien, deren Mitglieder man in der Geschichte immer wieder kennenlernt, wunderbar präsentiert. Aber auch die gesellschaftlichen Entwicklungen Englands und Europas sind meiner Meinung nach ausschlaggebend dafür, dass das Buch aus historischer Sicht gesehen rundum informativ ist, und die Leserinnen und Leser in einem großen Maße über das damalige Leben aufklärt. Wo andere Autorinnen und Autoren in ihren Geschichten ihren Leserinnen und Lesern historische Fakten bröckchenweise zuwerfen, bekommt man von Rebecca Gablé ein in historischer Sicht rundum Abgeschlossenes Bild der Geschichte präsentiert, ohne dass man aber von der Wucht der Fakten erschlagen zu werden droht. Besonders gefreut habe ich mich darüber, in welchem Ausmaß der Hundertjährige Krieg mit Eingang in die Geschichte erhält und ich wieder neues darüber mitnehmen konnte, da dieser Konflikt neben The Anarchy einer der für mich persönlich interessantesten Auseinandersetzungen des europäischen Mittelalters ist. Da ich bereits zuvor "Der König der purpurnen Stadt" , das chronologisch gesehen wenige Jahre vor "Das Lächeln der Fortuna" spielt, gelesen habe, lässt sich sehr schön erkennen, wie gut die Autorin über mehrere Werke verteilt immer wieder diesen für Westeuropa von fundamentaler Bedeutsamkeit seienden Konflikt behandelt. Ich hoffe, dass im nächsten Teil der Waringham-Saga damit fortgefahren wird, obwohl ich mir eigentlich ziemlich sicher bin, dass dem so ist. Wie auch schon in den anderen Büchern der Autorin sind auch hier wieder die Protagonisten sehr interessant und vor allem facettenreich gezeichnet. Besonders Robin wirkt auf mich sehr authentisch, auch wenn ich ihn nicht ganz so sympathisch gefunden habe, wie andere Charaktere in der Geschichte. In meinen Augen ist es auch gut, dass die Autorin zwar ein umfangreiches Repertoire an Nebencharakteren aufweisen kann, von denen die meisten auch noch historische Persönlichkeiten sind, denen Rebecca Gablé Leben und eine eigene Persönlichkeit eingehaucht hat, ohne dass es zu viele davon gibt, und man den Überblick über die handelnden Personen verliert. Einzig und allein finde ich nur, dass das Ende ein wenig zu langatmig geraten ist. Vor allem was den direkten Vergleich zu den vorherigen tausend Seiten angeht, hat die Geschichte hier am Ende deutlich an Fahrt verloren und ich blieb in meinem Lesefluss ein wenig stecken. Allerdings muss man sagen, dass dies nur ein minimaler Kritikpunkt ist, der im insgesamten der Freude an der Geschichte keinerlei Abbruch getan hat.

Schlussendlich hat die Autorin mit der Geschichte ein außerordentlich lesenswertes Buch geschaffen, dass es zusammen mit "Die Säulen der Erde" von Ken Follett geschafft hat, mich für die englische Geschichte, vor allem aber für das Mittelalter in England zu begeistern. Deshalb kann ich das Buch wirklich uneingeschränkt an alle weiterempfehlen, die gerne historische Romane lesen, oder diese für sich entdecken wollen, auch wenn der Umfang von über 1000 Seiten auf den einen oder anderen abschreckend wirken mag.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 16.05.2021

Beeindruckend kritisch

Der ehemalige Sohn
0

Der sechzehnjährige Weißrusse Zisk steht mitten im Leben, als er bei einem tragischen Unfall so schwer verletzt wird, dass er ins Koma fällt. Niemand glaubt mehr daran, dass Zisk jemals wieder erwachen ...

Der sechzehnjährige Weißrusse Zisk steht mitten im Leben, als er bei einem tragischen Unfall so schwer verletzt wird, dass er ins Koma fällt. Niemand glaubt mehr daran, dass Zisk jemals wieder erwachen wird. Nicht seine Mutter, die Ärzte, seine Freunde oder seine Freundin. Nur seine Großmutter Elvira glaubt fest daran, dass er eines Tages wieder das Leben wird führen können, aus dem er gerade erst so brutal gerissen wurde. So umsorgt sie ihm und erzählt ihm davon, was sich in Weißrussland verändert - oder auch nicht. Doch letztendlich, nach 10 Jahren geschah, woran alle immer gezweifelt hatten. Zisk erwacht aus dem Koma. Doch ebenso wie Zisk dürfte auch das Land 10 Jahre lang in einem tiefen Schlaf versunken sein, denn die politischen Verhältnisse sind immer noch gleich, wie an dem Tag, an dem Zisk den tragischen Umfall erlitt.

Ich muss sagen, dass ich wirklich begeistert bin. Der Schreibstil hat mich schon auf den ersten paar Seiten einnehmen können. Er ist recht direkt und vor allem intensiv. Ich als Leser konnte direkt in die Geschichte eintauchen und man bekommt die gesellschaftlichen und politischen Umstände Weißrusslands so direkt mit, als würde man selbst direkt davon betroffen sein. Gefallen hat mir dabei auch der Sarkasmus, den der Autor an den Tag legt. Neben dem besonderen Schreibstil konnte mich auch die im Buch herrschende Spannung überzeugen. Immer wieder kam es zu äußerst spannenden Situationen, die besonders intensiv beschrieben wurden. Sprachlich aufgefallen ist mir auch noch, dass ein großer Teil der Handlung auf Monologen basiert, wodurch man einen sehr direkten Einblick in die Gedanken der Protagonisten bekommt und darin, wie diese die Situation im Land empfinden. Auch die Charakterzeichnung der Protagonisten ist meiner Meinung nach sehr gut gelungen. Jeder von ihnen symbolisiert einen gewissen Teil der belarussischen Gesellschaft wieder. Bei dieser Rollenzuteilung hat der Autor es auch geschafft, dass die Charaktere nicht übertrieben wirken, sondern sehr authentisch gestaltet sind. Das für mich aber spannendste an dem Buch ist aber der politische Bezug, den der Autor zu seiner früheren Heimat nimmt. Man erfährt auf eine erschreckende und direkte, aber auch durchaus sarkastische Art und Weise, welch schreckliche Umstände die Leute in Weißrussland gefangenhalten. Gerade diese Zustände in Weißrussland haben mich sehr zum Nachdenken angeregt, und ich bin wirklich froh, in einer recht gesunden Demokratie leben zu können.

Das Buch hat mich wirklich begeistern können, und ich kann das Buch wirklich von ganzem Herzen weiterempfehlen, da es sowohl sprachlich als auch vom Inhalt her etwas ganz besonderes ist.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 31.08.2024

Eine Flucht vor der Realität

Kamnik
0

Der junge Anton möchte das Elend des slowenischsprachigen Südkärnten, in dem er aufgewachsen ist, hinter sich lassen und versucht sich als Auswanderer in Argentinien durchzuschlagen. Gleichzeitig bricht ...

Der junge Anton möchte das Elend des slowenischsprachigen Südkärnten, in dem er aufgewachsen ist, hinter sich lassen und versucht sich als Auswanderer in Argentinien durchzuschlagen. Gleichzeitig bricht August Kamnik auf eine ganz andere Art und Weiße aus der kärntner-slownischen Heimat aus. Jahre Später hat Anton es zu einem geregelten Leben geschafft, dem nicht viel fehlt, auch wenn immer wieder Schatten der Vergangenheit in die Gegenwart eindringen.

Vom Klappentext war ich als gebürtiger Kärntner sofort angesprochen, als ich das Buch gebraucht gefunden habe, hatte jedoch ein wenig Bauchschmerzen, da ich vom Autor bereits das 2022 erschienene Vegetarianer gelesen hatte, was mir leider als sehr langatmig, wenn auch thematisch interessant in Erinnerung geblieben ist. Und so hatte ich die Befürchtung, dass auch hier der äußerts spannende inhaltliche Kontext durch sprachliche Schwere erdrückt zu werden droht. Dem war allerdings nicht so. Das Buch nimmt stellenweise regelrecht sogar Fahrt auf und man kommt in einem guten Tempo voran, und vor allem die Dialoge und das immer wieder einfließende Slowenisch haben mir sehr gut gefallen.

Thematisch deckt das Buch sehr viele Themengebiete ab, ohne sich auf eines zu sehr zu versteifen und dieses sehr ausführlich zu beschreiben. So wird einerseits der Alltag und die Schwierigkeiten der Auswanderer:innen in den 1920ern beschrieben und auch die wirtschaftlichen Disparitäten der Zwischenkriegszeit fließen am Rande immer wieder in die Geschichte mit ein. Hauptthema ist dennoch eindeutig die Germanisierung des ursprünglich slowenischsprachigen Unterkärntens. So haben wir mit Antons Bruder einerseits ein Beispiel für die Menschen, die zwar nicht aktiv dagegen ankämpften, dennoch sich ihre slowenischsprachige Identität bewahrten. Anton hingegen hält nicht sehr viel von den nationalen Strömungen des 20. Jahrhunderts. Er möchte das mit Armut und sozialer Wertlosigkeit verbundene Slowenisch hinter sich lassen. Er will einfach nur Argentinier sein, ein neues Land, ein neues Leben. Doch rasch muss er feststellen, dass die meisten Auswanderer:innen die Gesinnungen von Zuhause mitgebracht haben. Die Deutschen bleiben unter ihresgleichen und die Österreicher unterwerfen sich zumeist auch hier dem Deutschnationalismus, der gerade im Trend liegt. Der Wunsch Antons mag durchaus nachvollziehbar sein, ist für mich persönlich dennoch verachtenswert. So unterwirft er sich ja trotzdem nur der deutschnationalen Stimmung im Land, in dem er einen Bruch zu den slowenischen Wurzeln tut, nur weil diese als minderwertig tituliert werden.

Noch viel verachtenswerter sind aber diejenigen wie Kamnik, die nemčurji, die es in der Zeit vor und nach dem Krieg zu Hauf gab. Menschen, die eindeutig slowenische Wurzeln haben, diese verleugnen um sich einer moralisch verwerflichen politischen und gesellschaftlichen Strömung anzubiedern. Verachtenswert. Und so gibt es auch im Kärnten des 21. Jahrhunderts noch genug Menschen, die sich immer wieder lautstark am Slowenenhass beteiligen, deren Nachnamen gerade aber auf solch eine Abstammung hinweißt. Und so fragt man sich oft, ob diese Menschen einfach nur dumm sind, oder ob ihnen die unabstreitbare Herkunft gar nicht bewusst ist.

Wie dem auch sei, gibt das Buch nicht nur einen guten Abriss über die Veränderungen, die Kärnten in der Zwischenkriegszeit durchmachte, sondern hat in vielen Aspekten immer noch Bedeutungspunkte für die Situation im 21. Jahrhundert, nicht nur was die Situation der Kärntner Slowen:innen angeht, sondern politische und gesellschaftliche Stömungen allgemein.

Für mich persönlich ein sehr intesantes und bedeutsames Buch, das sehr viel zum Nachdenken aber auch zum Verzweifeln anregt.


Im Übrigen möchte ich noch kurz meinen Unmut über das Cover äußern, dass weder inhaltlich passend ist, noch auf ästhetische Art und Weise überzeugen kann.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere