Die fremde Königin
Die fremde KöniginIn „Die fremde Königin“ widmet sich Rebecca Gablé zum zweiten Mal der deutschen Geschichte zur Zeit Ottos I. Seit dem Ende des vorherigen Romans „Das Haupt der Welt“ sind zehn Jahre vergangen. Bei der ...
In „Die fremde Königin“ widmet sich Rebecca Gablé zum zweiten Mal der deutschen Geschichte zur Zeit Ottos I. Seit dem Ende des vorherigen Romans „Das Haupt der Welt“ sind zehn Jahre vergangen. Bei der „fremden Königin“, um die es in diesem zweiten Buch geht, handelt es sich um keine geringere als um Adelheid von Burgund,die später eine Ehe mit Otto I. eingeht.
Alles beginnt mit Adelheids Flucht aus der Gewalt des Markgrafen Berengar von Ivrea, der sie, nach dem Tod ihres Mannes Lothar von Italien, gefangen hielt, weil er beabsichtigte, die junge Witwe mit seinem Sohn Adalbert zu verheiraten.
Die Handlung des Romans dreht sich in erster Linie um die Entstehung dieser mächtigen Verbindung und um das Leben und Wirken des Königspaars und hält sich eng an die historischen Tatsachen. Die Leser begleiten Otto und Adelheid über einen Zeitraum von knapp elf Jahren, bis zu ihrem Italienzug und der Krönung zum Kaiserpaar. Es ist eine ereignisreiche Zeit bis dahin, denn Otto muss nicht nur die Grenzen seines Reichs gegen immer wiederkehrende Einfälle der Ungarn und slawischer Volksstämme schützen, sondern es kommt auch ständig zu Spannungen innerhalb der Familie, denn durch die Heirat mit Adelheid sieht Ottos ältester Sohn Liudolf sein Anrecht auf die Thronfolge gefährdet. Gefahr droht ihm in dieser Hinsicht auch durch Ottos Bruder Heinrich, der ständig intrigiert und einen viel zu starken Einfluss auf den König hat. Diese politischen Geschehnisse und Verwicklungen sowie Ottos Beschlüsse und Reaktionen darauf kann der Leser aus nächster Nähe mitverfolgen. Nicht nur im Roman, sondern auch von Historikern belegt, ist bei vielen Entscheidungen Ottos ein maßgeblicher Einfluss Adelheids anzunehmen. Sie ist eine starke, interessante Persönlichkeit und ging nicht umsonst als eine der mächtigsten Frauen in die deutsche Geschichte ein.
Aber wie man es von Frau Gablé gewohnt ist, hat auch ihr neuester Roman wieder einen fiktiven, ganz besonderen Helden. Diesmal ist es Gaidemar, der Bastard, der zu Ottos Panzerreitern gehört und ausgesandt wurde, um Adelheid bei ihrer Flucht vor Berengar zu helfen und sie in Sicherheit zu bringen. Von da an ist er der Vertraute der Königin und ihr treuester Gefolgsmann, nicht gerade zur Freude Ottos, dem der junge Mann ein Dorn im Auge zu sein scheint. Was dahinter steckt und dass diese Vorbehalte ihren Ursprung in familiären Verbindungen haben, erfährt man erst im Lauf der Geschichte ausführlicher. Gaidemar vereint alle Eigenschaften, die man sich von einem Helden der damaligen Zeit erwartet. Er ist bescheiden und tapfer, ein Raubein mit einem großen Herzen, kurz gesagt, ein Ritter ohne Furcht und Tadel. Er ist im Roman meine Sympathiefigur, und sein Schicksal ging mir stets besonders nahe.
Wie meist in den Romanen der Autorin, so sind die fiktiven Charaktere neben den historischen Persönlichkeiten in der Minderzahl. Die Kombination aus Realem und Erdachtem ist wieder bestens gelungen, und entstanden ist ein mitreißender Roman mit hohem Unterhaltungswert, zugleich aber auch mit einem großen Fundus an geschichtlichem Wissen. Wie die Teile eines großen Puzzles, so greifen auch hier wahre und erfundene Begebenheiten harmonisch ineinander und bilden ein perfektes Ganzes, und so kommt es nicht von ungefähr, dass Gaidemar mit den Großen der Geschichte auf Du und Du ist und sich sein Lebensweg mit den realen historischen Daten perfekt ergänzt.
Ich habe schon viele Romane von Rebecca Gablé gelesen, und ich liebe sie alle, denn von ihrem eindrucksvollen Schreibstil bin ich immer wieder fasziniert. Sie haucht den Charakteren Leben ein, und für trockene Geschichtsdaten schafft sie eine farbige Atmosphäre. Da gibt es bewegende Momente, aber auch der für die Autorin typische feine, hintergründige Humor kommt nicht zu kurz. Einfach nur von „Kopfkino“ zu sprechen, wäre bei Frau Gablés Romanen stark untertrieben, denn hier bekommt man einen wahren Monumentalfilm für die Phantasie geliefert und sitzt quasi in der vordersten Reihe.
Wie schon von früheren Romanen der Autorin gewohnt, findet man auch diesmal eine lange Personenliste im Buch. In einem ausführlichen Nachwort geht Frau Gablé noch auf ein paar Besonderheiten ein und informiert über Dichtung und Wahrheit. Jürgen Speh hat auch diesmal die ausdrucksvollen Illustrationen gezeichnet, die eine Bereicherung des Buchdesigns darstellen und mittlerweile einfach dazu gehören.