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Veröffentlicht am 30.07.2021

Ein guter Auftakt der Reihe mit Jonah Colley

Die Verlorenen
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Mit dem Buch „Die Verlorenen“ eröffnet Simon Beckett seine neue Thriller-Reihe mit Jonah Colley. Mit gemischten Gefühlen habe ich den Polizisten einer bewaffneten Spezialeinheit der Londoner Polizei in ...

Mit dem Buch „Die Verlorenen“ eröffnet Simon Beckett seine neue Thriller-Reihe mit Jonah Colley. Mit gemischten Gefühlen habe ich den Polizisten einer bewaffneten Spezialeinheit der Londoner Polizei in dem Roman begleitet. Denn Jonah ist kein Superbulle, der alle Hindernisse aus dem Weg räumt und das Verbrechen blitzschnell bekämpft. Im Gegenteil: er wurde oft selbst angegriffen und sogar von der Polizei als Verdächtiger ins Visier genommen.

Trotzdem ist der gutmütige Protagonist mir sehr sympathisch. Er zögert nicht, als sein Ex-Freund Gavin ihn unerwartet telefonisch um ein Treffen und um Hilfe bittet. Jonah fährt zum Treffpunkt und findet dort nur die Leiche seines Freundes und drei weitere in Plastikfolie eingewickelte Tote. Auch er selbst kommt nicht ungeschoren davon; wurde angegriffen und fast zu Tode geprügelt. Seitdem läuft er auf Krücken. Seine Behinderung hält ihn jedoch nicht davon ab, seinen Mitmenschen zu Hilfe zu eilen. Egal, ob es Gavins Witwe oder seine Ex-Frau ist.

Er kann immer noch nicht über den Verlust seines vierjährigen Sohnes Theo hinwegkommen. Theo ist vor zehn Jahren von einem Spielplatz spurlos verschwunden, der Fall wurde nie aufgeklärt. Jonah gibt sich selbst die Schuld dafür, weil er zu der Zeit auf Theo aufpassen sollte. Damals ist auch seine Ehe zu Bruche gegangen und die Freundschaft mit Gavin wurde abrupt beendet. Der Anruf von Gavin weckt in Jonah die Hoffnung auf neue Erkenntnisse im Theos Fall.

Am Anfang überschlagen sich die Ereignisse und der Spannungsbogen steigt enorm. Aber auch im weiteren Verlauf ist der Thriller sehr spannend und aufregend. Neue dramatische Ereignisse und Charaktere sorgen für einige Gänsehautmomente, einige falsch ausgelegte Spuren täuschen perfekt. Fast bis zum Schluss ist es unklar, was mit Theo damals wirklich passiert ist und warum Gavin gerade jetzt Jonah um Hilfe gebeten hat.
Ich habe den Thriller gerne gelesen und fühlte mich sehr gut unterhalten. Dazu hat auf jeden Fall der wunderbare Schreibstil des Autors beigetragen: dynamisch, flüssig, fesselnd.

Zum Schluss bleiben noch einige Fragen offen, deren Aufklärung offensichtlich im nächsten Band der Reihe erfolgen würde. Auf die Fortsetzung bin ich sehr gespannt.

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Veröffentlicht am 26.07.2021

Es tut dem Herzen gut

Nelkenblatt
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Elsa und Pina stehen beide am Wendepunkt ihres Lebens. Die betagte Elsa hat gerade eine Herzoperation hinter sich, die Ärzte geben ihr nicht mehr viel Zeit, sie will aber nicht in ein Pflegeheim. Deswegen ...

Elsa und Pina stehen beide am Wendepunkt ihres Lebens. Die betagte Elsa hat gerade eine Herzoperation hinter sich, die Ärzte geben ihr nicht mehr viel Zeit, sie will aber nicht in ein Pflegeheim. Deswegen übernimmt jetzt Pina ihre Rundumbetreuung und zieht in Elsas Haus ein.

Pina wurde von Luzia, Elsas Tochter, als die Betreuerin für ihre Mutter ausgesucht. Elsa ist sofort von der jungen Migrantin angetan, als diese auf ihre Frage: „Weiß Pina, wie zerbrechlich Nelkenblätter sind?“ – antwortet: „So zerbrechlich wie ein Herz.“ <(Seite 8)

Elsa weiß, dass sie am Ende ihres Lebensweges steht und will diese Zeit sinnvoll und so angenehm wie möglich nutzen. Sie viel mehr über Pina und ihre Familie erfahren. Sie will wissen, warum Pina ihre Heimat verlassen hat, und ob Pina bereits geliebt hat oder jetzt jemanden liebt. Auch Pina interessiert sich für Elsas Lebensgeschichte, ihre Familie, ihre Liebesbeziehungen und stellt viele Fragen. Die beiden Frauen vertrauen ihren Erinnerungen und Gedanken einander an und kommen sich sehr nah.

Der „Nelkenblatt“ von Yusuf Yeşilöz ist ein kurzer aber sehr intensiver Roman. Der letzte Weg einer todkranken Frau und der Neuanfang in der Fremde wurden hier lebhaft thematisiert. In den Gesprächen der Frauen wurden ihre tiefsten Gedanken und Gefühle offenbart, die sonst keiner von ihren Angehörigen kennt.

Elsas Entscheidung, die ihr verbliebene Zeit in der gewöhnten Umgebung und mit ihren Vertrauten zu verbringen, ist verständlich und überzeugend. Die offenen Gespräche mit Pina geben ihr Kraft und Ruhe, tun ihrem kranken Herzen gut.

Auch Pina, die um ihre verstorbene Mutter trauert, schöpft Kraft aus dieser Begegnung. Die Gespräche mit Elsa erleichtern ihr die Verarbeitung ihrer schmerzhaften Erlebnisse.

Sehr behutsam geht Yusuf Yeşilöz mit der Geschichte von Elsa und Pina um. Seine Erzählung ist ruhig und umsichtig, die Atmosphäre des nahliegenden Abschieds und anstehenden Veränderungen greifbar nah.

Die Geschichte hat mich berührt und nachdenklich gemacht. Sie wird noch lange in meiner Erinnerung bleiben.

Das Buch bekommt von mir 4 Sterne und eine klare Leseempfehlung.

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Veröffentlicht am 21.07.2021

Begegnungen, die das Schicksal beeinflussen

Schicksal
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Das Hörbuch „Schicksal“ erschien am 31.05.21 im OSTERWOLDaudio Verlag. Der Roman von Zeruya Shalev wurde von Maria Schrader und Eva Meckbach gelesen. Die Sprecherinnen sprechen für Rachel und Atara, die ...

Das Hörbuch „Schicksal“ erschien am 31.05.21 im OSTERWOLDaudio Verlag. Der Roman von Zeruya Shalev wurde von Maria Schrader und Eva Meckbach gelesen. Die Sprecherinnen sprechen für Rachel und Atara, die beiden Hauptprotagonistinnen des Buches.

Die neunzigjährige Rachel taucht in die Erinnerungen an ihre Jugend und an den Kampf in der Untergrundmiliz gegen die britische Besatzungsmacht ein. Die fünfzigjährige Atara erzählt über ihre zwei Ehen, über ihre inzwischen erwachsenen Kinder und die daraus resultierenden Probleme.

Rachel und Atara verbindet miteinander die Beziehung zu Meno, dem ersten Mann von Rachel und dem Vater von Atara. Auch die Geheimnisse und Lügen aus der Vergangenheit beeinflussen das Leben der beiden Frauen, denn beide wurden in Ungewissheit gelassen.

Ich konnte die Stimmen der beiden Frauen gut unterscheiden, denn die betagte Rachel spricht meistens ruhig über ihre gemeinsame Zeit mit Meno, ihre Jugendliebe und den Mitkämpfer bei Lechi, über die gemeinsame Ideale und Ziele. Rachel ist enttäuscht, weil Meno - ohne ihr ein Wort zu sagen - sie verlassen hat und weil ihre Träume und Visionen über den freien Staat Israel sind zerplatzt.

Die meistens unzufriedene, genervte Atara schimpft in Gedanken mit ihrem Mann Alex, führt nervenaufreibende Gespräche mit ihren Kindern, ist ständig in Sorgen und dementsprechend ist ihre Stimme oft aufgeregt und schrill.

Die Sprecherinnen des Hörbuches können diese unterschiedlichen Stimmungen und Empfindungen der Protagonistinnen wiedergeben; ich hatte oft das Gefühl Rachel und Atara direkt zuzuhören. Gekonnt vermitteln die beiden Sprecherinnen auch die Atmosphäre des jeweiligen Schauplatzes des Romans. Es hat mir großen Spaß gemacht dem Verlauf der Geschichte zu lauschen.

Das Hörbuch „Schicksal“ dauert 576 Minuten, die Ausgabe ist gekürzt. Ich bewerte das Hörbuch mit 4 Sternen und empfehle es allen, die gerne den Geschichten lauschen

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Veröffentlicht am 21.07.2021

Schicksalhafte Entscheidungen

Schicksal
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Zwei unterschiedliche Protagonistinnen spielen in dem Roman von Zeruya Shalev entscheidende Rolle. Die eine von ihnen ist die betagte Rachel, die in den Erinnerungen an ihre Jugend und an den Kampf in ...

Zwei unterschiedliche Protagonistinnen spielen in dem Roman von Zeruya Shalev entscheidende Rolle. Die eine von ihnen ist die betagte Rachel, die in den Erinnerungen an ihre Jugend und an den Kampf in der Untergrundmiliz gegen die britische Besatzungsmacht versinkt. Die andere ist Atara, die Tochter von Meno, der zusammen mit Rachel bei Lechi war.

Rachel und Meno lebten für ihre Idee, sie träumten von einem freien Staat Israel, in dem Juden und Araber friedlich zusammenleben könnten. Sie liebten einander und haben spontan geheiratet. Eines Tages hat Meno ohne ein Wort zu sagen seine geliebte Rachel verlassen. Nach der Scheidung haben sie sich aus den Augen verloren.

Atara ist Menos Tochter aus seiner zweiten Ehe. Aus unerklärlichen Gründen hat Meno sie immer wieder schikaniert und misshandelt. Erst kurz vor seinem Tod hat sie über Rachel erfahren und jetzt will sie diese Frau unbedingt kennenlernen.

In einem aber sind die beiden Frauen gleich: beide hadern sie mit ihrem Schicksal, beide sind mit ihrem Leben unzufrieden, beide suchen nach Antworten über die Geheimnisse und Lügen aus der Vergangenheit. Und beide hoffen, dass sie einander helfen können.

Rachel und Atara erzählen ihre Geschichten, geben offen ihre Gedanken und Gefühle preis. Zeruya Salev kann die Erzählungen der beiden Frauen meisterhaft darstellen. Ich hatte oft das Gefühl selbst den beiden Frauen zuzuhören; der aufgeregten, in ihrer Ehe unzufriedenen Atara, die in Gedanken mit ihrem Mann Alex schimpfte oder wenn sie sich unnötig Sorgen um ihre erwachsenen Kinder machte. Und auch der enttäuschten Rachel hörte ich aufmerksam zu, der Frau, die von ihrem geliebten Meno so sehr verletzt wurde, und die über den „Verlust der Vision, für die sie gekämpft hatten“ (64) nicht hinwegkommen konnte.

Ich bin in der Gedankenwelt der beiden Frauen versunken und viele von ihren Meinungen konnte ich bedingungslos teilen. Manchmal staunte ich auch über ihre Handlungen, trotzdem empfand ich sie als authentisch und nachvollziehbar. Mit großem Interesse habe ich über den Kampf von Lechi oder israelischen Bräuche und Traditionen gelesen; davon hätte ich gerne mehr in diesem Buch lesen wollen. Auch die Gespräche mit Achami, dem jüngsten Sohn von Rachel, fand ich sehr interessant.

Der lebendige Sprachstil der Autorin hat mich überzeugt; je nach dem um welches Ereignis und die erzählende Person es sich gerade handelt, ist er intensiv, dynamisch oder auch poetisch:
„ihr gemeinsames Leben erscheint ihr plötzlich wie Zwangsarbeit in einem Bergwerk: stickig, die meiste Zeit dunkel, und doch blitzen manchmal wunderschöne Diamanten auf.“ (153)

„Schicksal“ von Zeruya Shalev ist, wie der Titel des Buches selbst verrät, ein Roman über das Schicksal, das oft erbarmungslos zuschlägt und gleichzeitig neue Wege öffnet, neue Chancen offenbart. Und über die Menschen, die mit den kompromisslosen Schicksalsschlägen fertig werden müssen, die neuen Wege erforschen und sich bietenden Chancen ergreifen. Über die Menschen, die ihr Leben leben, die Entscheidungen treffen und Konsequenzen ihres Handels tragen müssen.

Ich kann den Roman allen Liebhaber*innen der anspruchsvollen Literatur empfehlen.

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Veröffentlicht am 18.07.2021

Lebendige Bilder der deutschen Nachkriegszeit

Die Geschichte einer unerhörten Frau
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Zufällig erfährt Augusta Fink über dubiose Machenschaften und die unzähligen Lügen ihres Mannes. Sie fühlt sich betrogen und reicht die Scheidung ein, was von ihrer Familie und vielen Bekannten argwöhnisch ...

Zufällig erfährt Augusta Fink über dubiose Machenschaften und die unzähligen Lügen ihres Mannes. Sie fühlt sich betrogen und reicht die Scheidung ein, was von ihrer Familie und vielen Bekannten argwöhnisch beäugt wurde. Ungeachtet dessen zieht sie mit ihren zwei Kindern nach Köln um. Trotz aller Schwierigkeiten und Hindernisse ist sie bereit als eine geschiedene Frau und alleinerziehende Mutter einen Neuanfang zu wagen.

In ihrem Buch „Die Geschichte einer unerhörten Frau“ erzählt Hanne Hippe über das Leben einer Frau, die ungeachtet der Konventionen der Fünfzigerjahre in Deutschland ihren eigenen Lebensweg selbständig bestreiten wollte. Die Geldveruntreuung, die ihr Mann begangen hat sowie seine zahlreichen außerehelichen Eskapaden waren für die perfekte Ehefrau und Mutter Grund genug für die Scheidung und einen Neuanfang mit ihren zwei Kindern. Gussy, wie ihr Ex-Mann sie nannte, nahm alle Hürden auf sich und kämpfte um ihr Glück und die bessere Zukunft für ihre zwei Kinder.

Diese scheinbar naive, von der eigenen Mutter und Schwester schikanierte Frau, ist in Wahrheit eine starke Persönlichkeit. Das hat sie bereits 1945 bei ihrer Flucht aus Breslau bewiesen, als sie sich alleine ohne ihren Mann nach Westen durchschlagen musste.

Dieser Roman ist für mich jedoch viel mehr als ein Porträt einer „unerhörten“ mutigen Frau. Es ist ein sehr interessantes lebendiges Bild der deutschen Nachkriegszeit. Diese raue Zeit war alles andere als friedlich, wurde unter anderem von der Flucht und Vertreibung aus Schlesien geprägt, von der amerikanischen und russischen Besatzung beeinflusst, von der Trauer und nicht zuletzt von der Hoffnung begleitet. Der Roman erzählt auch über das Leben in der DDR, über das Leben in Fünfziger- und Sechzigerjahren in Westdeutschland sowie über die Rolle der Frau in der Familie und in der Gesellschaft. All diese Ereignisse bestimmen das Schicksal von Gussy und ihren Ex-Mann Hermann; Einiges wurde aus der Sicht von ihrer Tochter Eva erzählt.

In dem Nachwort verrät die Autorin, dass sie einige Ereignisse aus dem Leben ihrer Angehörigen in diese Geschichte eingeflochten hat. Ich kann mir vorstellen, dass viele Leserinnen, die die Fünfziger- und Sechzigerjahre nicht nur aus Erzählungen kennen, großen Gefallen an diesem Buch finden würden. Ich fand den Roman sehr interessant und würde ihn allen Leserinnen empfehlen, die mehr über die Nachkriegszeit in Deutschland erfahren wollen.

Ich bedanke mich bei dem Goldmann Verlag für das Rezensionsexemplar.

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