Ein Flugzeugabsturz raubt der 25-jährigen Kim ihren Verlobten Jack und lässt sie in ein tiefes Loch fallen. Sie hat keinen Lebensmut mehr und reist nach Cornwall in die Nähe des Unglücksortes, um dort an den Klippen Jack nahe zu sein. Das Schicksal lässt sie den Weg der 86-jährigen Janet kreuzen, die sich um Kim kümmert und in ihr Cottage mitnimmt, wo sie die junge Frau bittet, einige Zeit bei ihr zu bleiben. Janet händigt Kim ein sehr altes Tagebuch aus ihrem Familienbesitz aus, aus dem Kim die Geschichte der taubstummen Leandra Simmons erfährt, die ebenfalls vom Schicksal gebeutelt wurde und doch ihr Glück fand. Wird Kim aus der alten Geschichte neuen Mut schöpfen?
Corina Bomann hat mit „Ein Zimmer über dem Meer“ einen unterhaltsamen Roman vorgelegt, der über unterschiedliche Zeitebenen das berührende Schicksal zweier Frauen in den Vordergrund stellt. Mit flüssig-leichtem, bildhaftem und gefühlvollem Erzählstil wird der Leser an die Seite von Kim gestellt, wo er nicht ihre Gefühls- und Gedankenwelt sowie ihren großen Verlust kennenlernt, sondern auch auf Reisen geht, um die schicksalsträchtigen Erfahrungen zu verarbeiten, damit sie gestärkt wieder am Leben teilhaben kann. Bomann hat nicht nur ein Händchen dafür, die Landschaft Cornwalls so farbenfroh zu beschreiben, dass man diese während der Lektüre vor dem inneren Auge vorbeiziehen sieht. Auch die zwischenmenschlichen Beziehungen sind sehr empathisch und gefühlvoll umgesetzt, so dass sich für den Leser alles gut nachvollziehen lässt und sich in die Protagonistinnen hineinversetzen kann. Dabei offenbart sich so manches Gefühlsbarometer. Die Handlung erstreckt sich über zwei Zeitebenen, wobei der eine die Gegenwart rund um Kim wiederspiegelt, während der andere 200 Jahre in der Vergangenheit das Schicksal der taubstummen Leandra offenbart. Während Kim durch die alte Janet gerettet und umsorgt wird, ist es bei Leandra ein Leuchtturmwärter, der ihr zum Schicksal wird. Beide Frauen, obwohl durch Jahrhunderte getrennt, haben den Lebensmut verloren und erleben durch Begegnungen eine Wende, die sie verändert. Auch wenn die Handlung manchmal offensichtlich ist, schafft es Bomann, mit geschickt eingestreuten Wendungen der Geschichte Spannung zu verleihen.
Ihren Charakteren hat Bomann mit glaubhaften Ecken und Kanten Leben eingehaucht, wodurch sie den Leser an sich ziehen, ihn nahe an sich heranlassen und er so mit ihnen einiges durchmacht. Kim ist nicht nur verzweifelt und fühlt sich allein, sondern hat ihren Lebensmut verloren. Sie braucht jemanden, an dessen Schulter sie sich ausweinen kann und der ihr Mut zuspricht. Die alte Janet ist da genau die Richtige, denn mit ihrer Lebensweisheit und Warmherzigkeit gibt sie Kim Halt und stärkt sie durch ihre Unterstützung. Leandra ist eine Frau, die den Widerständen trotzt und gerade aufgrund ihrer Einschränkungen nicht den Mut verliert. Aber auch Jake und Christian spielen wichtige Rollen in dieser anrührenden Geschichte.
„Ein Zimmer über dem Meer“ ist ein bittersüßer Roman über Schicksalsschläge, die Kraft der Liebe und den Mut, dem Leben entgegenzusehen. Verdiente Leseempfehlung für eine fesselnde Geschichte!