Ein zu großer Hype für ein zu kleines Buch. Seltsame Erzählmethoden zerstören leider das Werk.
"Ben ist krank, ohne wirklich krank zu sein. Der Platz hinter seiner Nase ist durchs Weinen gewachsen und stößt von innen gegen seine Augen. Eigentlich müsste er aufstehen. Doch er traut sich nicht. Gestern ...
"Ben ist krank, ohne wirklich krank zu sein. Der Platz hinter seiner Nase ist durchs Weinen gewachsen und stößt von innen gegen seine Augen. Eigentlich müsste er aufstehen. Doch er traut sich nicht. Gestern ist sein Bruder gestorben."
Zuerst einmal kurz und knapp zum Inhalt: Der kleine Jonas ist gestorben und lässt seine Mutter und seinen älteren Bruder Ben zurück. Die Beiden versuchen nun, mit dem Verlust klarzukommen, jeder auf seine Art. Aber als Ben nach einer Weile merkt, dass seine Mutter nicht mehr mit ihrem Leben bzw. dem Leben als solches klar kommt, hilft er ihr bei der Trauer. Eine sehr traurige Geschichte mit einem schönen Ende.
Nun zu meiner Meinung! Quick and dirty: Sehr gehyptes Buch mit einer schönen Idee, die Umsetzung war jedoch nicht mein Fall. Ganz ehrlich: Ich kann den Hype um das Buch nicht verstehen. Natürlich ist es eine sehr anrührende Geschichte und eine tolle Idee, aber meiner Meinung nach hat doch die Erzählweise nicht so gut gepasst. Aber mal von vorne. Die Geschichte beginnt damit, dass Bens Bruder Jonas gestorben ist. Nun muss er trotz seinen 12 Jahren erst einmal verstehen, was das bedeutet. Seine Mutter versinkt immer weiter in ihrer Trauer; die Lücke, die Jonas hinterlassen hat, versucht sie zunächst mit allerhand Tätigkeiten zu schließen, nachdem das aber alles nichts hilft, muss Ben Trauerhilfe leisten. Zwischen Penis-Abenteuern mit seinem Freund Chrisse und Winnetou-Geschichten muss er seine eigene Trauer bewältigen und dabei muss Ben seiner Mutter unter die Arme greifen, damit sie sich nicht in ihrer Trauer verliert. Dabei wechselt die Erzählperspektive zwischen den Charakteren hin und her, wobei man weder Bens noch Ruths Gedankengänge zu fassen bekommt, sondern alles aus der allwissenden Erzählperspektive berichtet bekommen, die ich etwas seltsam fand. Es hat sich also nicht wirklich die Perspektive verändert, sondern nur die Art der Erzählung. Während diese bei Ruths Anteil der Geschichte völlig in Ordnung war, wurde bei Ben eine „vereinfachte“ Form gewählt, die wohl ein wenig seine Gedankengänge widerspiegeln sollte, die ich allerdings einfach nur merkwürdig fand.
"„[Die Figur auf dem Sarg] soll uns daran erinnern, dass der liebe Gott einen Engel gebraucht hat. Und dafür hat er sich Jonas ausgesucht.“ Fauler Gott. Fauler Kackgott."
Natürlich ist er erst 12, aber Ben kam mir doch ein wenig unreif vor. Ihm hat einiges an Grundverständnis gefehlt, teilweise wirkte er doch sehr kindisch und mutterfixiert, und dabei geht mit 12 doch langsam die Zeit des gegen-die-Eltern-Rebellierens los. Ansonsten fand ich die äußeren Gegebenheiten ziemlich interessant: Das Buch spielt in Westdeutschland in den 70er Jahren, und in die Richtung und über diesen Zeitabschnitt, vor allem nicht in Deutschland, habe ich noch nichts gelesen.
Die Richtung, in die Ruth sich zusehends entwickelt hat, hat mir gar nicht gut gefallen, aber ich möchte hier natürlich nicht zu viel verraten. Storymäßig ist nach Jonas‘ Tod bei Ruth nicht allzu viel passiert (verständlich), Ben hat jedoch die ersten Schritte in Richtung Teenager-Leben gewagt, und ich hatte das Gefühl, als sei sein Charakter auch ein wenig ausgefleischter als der von Ruth.
Sie hat erwartet, in der Trauer um ihren Sohn zu etwas Wesentlichem vorzudringen. Doch stattdessen brachte die kränkende Normalität der letzten Wochen nur Überdruss hervor und die matte Erkenntnis, dass Jonas nicht mehr da ist. Ruths Leben ist zum Stillstand gekommen und in eine Anhäufung leerer Augenblicke von nagender Belanglosigkeit zerfallen.
Alles in allem kann man festhalten, dass „Ein fauler Gott“ eine sehr schöne und traurige Idee angepeilt hat, sie meiner Meinung nach allerdings durch den Erzählstil etwas verschossen hat. Außerdem kann ich noch sagen, dass ich eigentlich nie das Gefühl hatte, ein trauriges Buch zu lesen, das einen runterzieht, obwohl es um das Betrauern des Bruder bzw. des Sohnes geht. Aber leider war das Buch für mich nur eine 2/5. Vielleicht habe ich am „Hype-Effekt“ vorbeigelesen, vielleicht ist es einfach nur nicht meins. Schade.
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