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Veröffentlicht am 26.09.2021

Eine Familiengeschichte voller Höhen und Tiefen

Wellenflug
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Constanze Neumanns Roman "Wellenflug" basiert auf der Geschichte ihrer eigenen Vorfahren, beginnend vor etwa 150 Jahren, als der jüdische Stoffhändler Isidor Eisner, Sohn eines armen Bäckers, ...

Constanze Neumanns Roman "Wellenflug" basiert auf der Geschichte ihrer eigenen Vorfahren, beginnend vor etwa 150 Jahren, als der jüdische Stoffhändler Isidor Eisner, Sohn eines armen Bäckers, aus Oberschlesien nach Leipzig kommt und dort mit seiner ebenfalls aus seiner Heimat stammenden jungen Frau eine Familie gründet. Seine Geschäfte entwickeln sich sehr gut und er möchte möglichst wenig mit seiner Herkunft und auch seiner jüdischen Religion zu tun haben. Langfristig zieht es ihn auch in die große Stadt Berlin, weshalb er geschäftliche und private Beziehungen dorthin knüpft und seine Tochter Anna auch mit dem Sohn des Berliner Industriellen Louis Reichenheim verheiratet.

Anna, die gerne den großbürgerlichen Haushalt führt und später auch deren (ungeliebte) Schwiegertochter Marie stehen im Mittelpunkt der weiteren Handlung. Marie, ist ein ganz anderer Typ als ihre Schwiegermutter und kommt aus ärmlichen Verhältnissen. Dennoch oder gerade deswegen verliebt sich Annas ältester Sohn Heinrich, der selbst einen recht unkonventionellen Lebenswandel pflegt, in sie, was dessen Familie nicht gut heißt und ihn quasi verstößt.

In beide Frauen kann man sich, trotz aller Unterschiede, gut hineinversetzen. Anna musste schon früh einige schwere Schicksalsschläge verkraften und ist geprägt durch ihren Vater, dem der gesellschaftliche Aufstieg so wichtig war, da kann man nachvollziehen, dass sie für ihren Sohn nur das Beste möchte und ihr Marie daher als nicht standesgemäß erscheint. Marie wirkt zunächst noch recht naiv, das wandelt sich aber im Verlauf der Geschichte. Auf jeden Fall wirken beide Frauen sehr authentisch und die Höhen und Tiefen in ihrem Leben werden sehr eindrucksvoll dargestellt.

Der Schreibstil der Autorin ist gut lesbar, anfangs hatte ich nur leichte Probleme, bei all den Namen noch durchzublicken, zumal es dazwischen auch noch Rückblicke gab. Man merkt auch, dass Constanze Neumann sehr sorgfältig recherchiert hat, was die historischen Hintergründe und die Familiengeschichte angeht, für diesen, ihr persönlich sehr wichtigen Roman.


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Veröffentlicht am 12.09.2021

Beeindruckende Persönlichkeiten ihrer Zeit

Flucht nach Patagonien
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Der Roman beginnt im Jahr 1937 mit der Schiffspassage von Europa nach Patagonien. Eugenia Errázuriz, eine Pariser Kunstmäzenin der damaligen Zeit, die unter anderem auch Coco Chanel förderte, reist gemeinsam ...

Der Roman beginnt im Jahr 1937 mit der Schiffspassage von Europa nach Patagonien. Eugenia Errázuriz, eine Pariser Kunstmäzenin der damaligen Zeit, die unter anderem auch Coco Chanel förderte, reist gemeinsam mit dem jüngeren jüdischen Innenarchitekten Jean-Michel Frank (der mit Anne Frank verwandt war), da er sie dabei unterstützen soll, das erste Grand Hotel der Anden zu bauen. Dabei handelt es sich aber zugleich um einen Vorwand, um Europa zu verlassen, wo die Nationalsozialisten immer mehr Einfluss bekommen und beginnen gegen Menschen nichtarischer Herkunft und Andersdenkende vorzugehen.

Der Roman spielt auf mehreren Zeitebenen, einerseits während der Schiffspassage, andererseits gibt es Rückblicke, durch die man mehr über das bisherige Leben der beiden Hauptpersonen erfährt und so auch mehr über ihren Charakter und was sie geprägt hat.

Mir waren beide Persönlichkeiten bis jetzt nicht bekannt, obwohl sie zu ihrer Zeit durchaus eine gewisse Berühmtheit erreicht hatten. Es ist auf jeden Fall beeindruckend, wie sie mit der schlimmen Situation umgehen und was Eugenia Errázuriz unternimmt, damit beide sicher vor den Nationalsozialisten sind. Es ist auch interessant, einmal aus der Perspektive von Angehörigen der Pariser Künstlerszene mitzuerleben, wie sich ihr Leben durch den aufkeimenden Nationalsozialismus nach und nach veränderte.

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Veröffentlicht am 12.09.2021

Die Geschichte hinter dem Teehandel Ronnefeldt

Die Teehändlerin
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Da ich sehr gerne Tee trinke (wenn auch hauptsächlich Kräutertees, welche man früher wohl eher selbst gesammelt und nicht teuer gekauft hat) war mir die Teemarke Ronnefeldt bereits ein Begriff, allerdings ...

Da ich sehr gerne Tee trinke (wenn auch hauptsächlich Kräutertees, welche man früher wohl eher selbst gesammelt und nicht teuer gekauft hat) war mir die Teemarke Ronnefeldt bereits ein Begriff, allerdings wusste ich nichte über die Geschichte des Unternehmens, was sich durch die Lektüre des Romans ändern sollte.

Im Mittelpunkt des Romans, der auf wahren Begebenheiten beruht, stehen der Teehändler Tobias Ronnefeldt und noch viel mehr seine Frau Friederike, die gerade mit dem fünften Kind schwanger ist, als er 1838 zu einer mehrmonatigen Forschungsreise nach China aufbricht und sie mit dem Geschäft und den Kindern in Frankfurt zurücklässt. Um den Laden soll sich eigentlich ein Prokurist kümmern, der sich dann aber als wenig vertrauenswürdig entpuppt, sodass Friederike weitgehend auf sich allein gestellt ist, privat wie geschäftlich.

Ich fand es sehr interessant, in die Vergangenheit einzutauchen und mehr über die Geschichte der Ronnefeldts, das Leben in der damaligen Zeit und den Teehandel zu erfahren. Dass ein Mann seine schwangere quasi freiwillig so lange alleine lässt, ist aus heutiger Sicht kaum vorstellbar, ebenso wie man sich kaum noch vorstellen kann, wie wenig Mitspracherecht Frauen hatten. Umso stärker muss Friederike Ronnefeldt gewesen sein. Durch den anschaulichen Schreibstil der Autorin und die ergänzende Karte kann man sich gut in die Handlung hineinversetzen. Das Personenregister ist ebenfalls hilfreich.

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Veröffentlicht am 27.08.2021

Eine Spitzenköchin zwischen den Fronten

Die Frauen von New York - Glanz der Freiheit
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Der erste Band einer Romanreihe über "Die Frauen von New York" spielt während und kurz nach dem Zweiten Weltkrieg. Im Mittelpunkt der Handlung steht die talentierte Jungköchin Lily Rose, die eigentlich ...

Der erste Band einer Romanreihe über "Die Frauen von New York" spielt während und kurz nach dem Zweiten Weltkrieg. Im Mittelpunkt der Handlung steht die talentierte Jungköchin Lily Rose, die eigentlich aus wohlhabenderen Verhältnissen stammt, sodass ihre Mutter wenig begeistert davon ist, dass sie als Köchin arbeitet und nicht möglichst bald heiratet. Unterstützung erhält sie aber durch ihre Großmutter, die ihre Leidenschaft für's Kochen und gutes Essen teilt. Als immer mehr männliche Köche in den Krieg ziehen müssen, erhält Lily Rose sogar die Chance Küchenchefin zu werden, gleichzeitig ist es aber auch eine große Herausforderung, trotz der Rationierung Spitzenküche zu bieten und zudem vermisst sie ihren, im Krieg verschollenen, Kollegen Tom, mit dem sie kurz vor dessen Einberufung zusammengekommen ist.

Mir hat der Roman gut gefallen. Das Cover und der Titel erkennen, dass die Geschichte Anfang oder Mitte des vergangenen Jahrhunderts in New York spielt. Dass die Protagonistin eine Spitzenköchin ist und dies die Handlung prägt, wird aber leider nicht ersichtlich. Lily Rose ist mir auf jeden Fall sehr sympathisch, wie sie mit fairen Mitteln für ihren Traum kämpft, im Restaurant Karriere zu machen und sich privat nicht von ihrer Mutter bevormunden lässt. Man erfährt auch viel über die Hierarchien und Abläufe in einer Spitzenküche, wie sie heute oft wohl noch recht ähnlich sind. Außerdem ist es interessant, mehr darüber zu erfahren, wie aufgrund der Rationierungen improvisiert werden musste, um trotz allem Mangels Spitzenküche bieten zu können. Auch Tom und Lilys Chef wirken sympathisch, wie sie Lily akzeptieren und unterstützen, obwohl eine Frau in einer derartigen Position damals einfach noch nicht als normal angesehen wurde. Der Schreibstil der Autorin ist angenehm lesbar und so, dass man sich gut in Lily und die damalige Zeit hineinversetzen kann.

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Veröffentlicht am 23.07.2021

Familiengeheimnisse

Das letzte Bild
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Anja Jonuleit befasst sich in ihrem aktuellen Roman mit einem der bekanntesten und mysteriösten norwegischen Kriminalfälle, der Isdal-Frau, einer verbrannten Frauenleiche, die 1970 im norwegischen Isdal ...

Anja Jonuleit befasst sich in ihrem aktuellen Roman mit einem der bekanntesten und mysteriösten norwegischen Kriminalfälle, der Isdal-Frau, einer verbrannten Frauenleiche, die 1970 im norwegischen Isdal gefunden wurde. Bis heute konnte sie nicht identifiziert werden, neuere wissenschaftliche Untersuchungsmethoden lieferten aber Indizien, dass sie aus Deutschland stammen könnte, ihre Kindheit vielleicht sogar nur einige Kilometer von meinem eigenen Wohnort verbracht hat.

Anja Jonuleit verknüpft die aus den Ermittlungen bekannten Fakten mit einer fiktiven Geschichte. Schriftstellerin Eva sieht beim Bäcker ein Phantombild auf einer großen deutschen Boulevardzeitung, das ihr und ihrer Mutter (in jungen Jahren) total ähnlich sieht. Es zeigt die Isdal-Frau. Evas Mutter gibt sich zunächst ahnungslos, gibt dann aber zu, dass sie eine Zwillingsschwester hatte, die in den Wirren des Zweiten Weltkrieges verschwunden ist und auch ein DNA Test bestätigt Evas Verwandtschaft mit der Toten, die im Roman Marguerite genannt wird. Sie macht sich daraufhin auf den Weg nach Bergen, um dort mehr über die Isdal-Frau in Erfahrung zu bringen und stößt dort irgendwann auch auf den Geschichtsprofessor Laurin, in dessen Familie es ebenfalls einige Geheimnisse gibt.

Auf einer zweiten Zeitebene wird Marguerites Geschichte erzählt, wie sie als junge Erwachsene beginnt, nach ihrer Mutter und Schwester zu suchen und so schließlich in Norwegen landet, wo sie als kleine Kinder einige Zeit mit ihrer Mutter lebten, wobei Marguerite sich nicht mehr an die Ortsnamen erinnert und mit Unterstützung eines italienischen Fotografen im Land umher reist, auf der Suche nach Orten, die ihr bekannt vorkommen. Dabei benutzt sie immer wieder andere Identitäten, wenn sie in Hotels übernachtet.

Eva versucht, teilweise auch mit Hilfe von noch lebenden Zeitzeugen, zu rekonstruieren, wo ihre verstorbene Tante überall war und ob die Polizei vielleicht doch etwas Wichtiges übersehen hat, was mehr darüber verrät, warum sie auf so grausame Weise sterben musste. Dabei erfährt sie auch immer mehr über die Lebensgeschichte ihrer Mutter und ihrer Großmutter.

Anja Jonuleit ist es sehr fesselnd gelungen, Fiktion und Fakten miteinander zu verknüpfen und der Roman bleibt so bis zuletzt spannend. Auch die deutsche und die norwegische Geschichte zur Zeit des Nationalsozialismus spielen dabei eine Rolle, was ich sehr interessant fand. Ich hatte bis jetzt noch nicht von der Isdal-Frau gehört, obwohl sie mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit auch aus Franken stammt. Die Lebensgeschichte der Marguerite im Roman ist auf jeden Fall sehr spannend und man kann sich vorstellen, dass sich alles so zugetragen haben könnte, wie von der Autorin konstruiert. Viele der norwegischen Orte sind mir auch von eigenen Reisen bekannt, was noch einmal einen zusätzlichen Reiz ausmachte. Der Schreibstil von Anja Jonuleit ist anschaulich und gut lesbar, die verschiedenen Zeitebenen sorgen für zusätzliche Spannung und dafür, dass man sich gut in Eva und Marguerite hineinversetzen kann.

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