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Veröffentlicht am 09.08.2021

Einfach mal stranden und den Erzählungen lauschen...

Inselzeiten
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"Inselzeiten" ist eine kleine Liebeserklärung an Rügen und Hiddensee, die mit vielen Sagen, Mythen und verbalen Seitenhieben auf politisches Zeitgeschehen einen Streifzug über beide Eilande ermöglicht, ...

"Inselzeiten" ist eine kleine Liebeserklärung an Rügen und Hiddensee, die mit vielen Sagen, Mythen und verbalen Seitenhieben auf politisches Zeitgeschehen einen Streifzug über beide Eilande ermöglicht, den man so garantiert noch nicht erlebt hat.

Holger Teschke erzählt dabei Wissenswertes von der Entstehung der Inseln bis hin zum touristischen Anziehungspunkt, weiß Schauriges und Gruseliges ebenso zu berichten, wie auch Romantisches oder Aberwitziges (ich liebe die Anekdote mit der Bademantelkampagne).

Da ist von Opfersteinen die Rede, von Nixen und Meermännern und Störtebeker darf ebenso wenig fehlen wie Thomas Mann oder Lenin. Alle haben sie ihre Spuren auf den Inseln hinterlassen und Holger Teschke weiß, wie man diese sichtbar macht und zu einer spannenden, aufschlussreichen und faszinierenden Entdeckungstour zusammenführt, die man ganz gewiss in keinem Reiseführer der Welt findet.

Man lernt den Herzschlag der Inseln kennen, fühlt, wie die Insulaner sich mit ihrer Heimat verbunden fühlen und ihren Anker ausgeworfen haben, damit sie nicht von einem noch so heftigen Sturm ihren Wurzeln entrissen werden.

Ergänzt werden die wundervollen Geschichten mit eindrucksvollen Fotografien, die die Inseln von einer ganz anderen Seite zeigen - verwundbar, geheimnisvoll, mystisch, voller Widersprüche und doch liebenswert. Ich hätte mir mehr Farbbrillanz und Strahlkraft für die Aufnahmen gewünscht, damit sie beim Betrachten auch tatsächlich die ganze Faszination versprühen können, die von ihnen ausgeht. So büßen sie ein wenig von ihrer Ausdrucksstärke ein, was ich schade finde.

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Veröffentlicht am 30.07.2021

Buchgewordenes Pendant zum Gesellschaftsspiel

Deutschlandreise
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Oft sind sie einem schon begegnet, die Hinweisschilder an der Autobahn zu Gedenkstätten, Sehenswürdigkeiten, Kulturschätzen und Unesco-Welterbestätten. Aber ganz ehrlich, wer ist tatsächlich schon einmal ...

Oft sind sie einem schon begegnet, die Hinweisschilder an der Autobahn zu Gedenkstätten, Sehenswürdigkeiten, Kulturschätzen und Unesco-Welterbestätten. Aber ganz ehrlich, wer ist tatsächlich schon einmal von der Autobahn abgefahren und hat sich auf direktem Weg zu genau diesen Sehenswürdigkeiten begeben? Ich jedenfalls nicht. Und damit genau das beim nächsten Mal nicht mehr passiert, hat der Bruckmann Verlag "Deutschlandreise" veröffentlicht, um die 100 beeindruckendsten Kulturschätze gleich neben der Autobahn den Reisenden schmackhaft zu machen.

Das Lesen des Buches fühlt sich irgendwie so an, als würde man in das beliebte Gesellschaftsspiel eintauchen und mit jeder Seite neu würfeln. Wo wird der nächste Zug/die nächste Reise hingehen? Auf 5 unterschiedlichen Routen durch Deutschland lernt man nicht nur die Gegenden kennen, sondern auch die Geschichte und Geschichten, die hinter den Sehenswürdigkeiten stecken.

Bekannte Gesichter, die die Orte geprägt haben (was wäre Emden ohne Otto, Nürnberg ohne Albrecht Dürer, Friedrichshafen ohne Graf Zeppelin), Bauwerke, die zum Träumen einladen (Schloss Neuschwanstein, Schloss Sanssouci, Dresdner Zwinger, Dornröschenschloss Sababurg) und einmalig schöne Landschaften, (Spreewald, Weinanbaugebiet Kaiserstuhl, Oberes Mittelrheintal) - auf jeder Seite wartet etwas Neues, Aufregendes und Entdeckenswertes, denn alle vorgestellten Reiseziele haben das gewisse Etwas, um ihnen nicht nur einen flüchtigen Blick bei der Vorbeifahrt auf der Autobahn zu gönnen. Die Texte sind kurz, aber präzise und werden mit farbenprächtigen Aufnahmen ergänzt. Man kommt richtig auf den Geschmack, tatsächlich den Hinweisschildern zu folgen und einen Bummel durch schöne Altstädte zu unternehmen, moderne Architektur kennenzulernen, und spannende Neuentdeckungen zu machen.

Ein wenig vermisst habe ich die genaueren Tourdaten, denn es sind immer nur grobe Übersichten auf den Routenkarten angezeigt. Aber ein wenig Neugier und Vorfreude bei der Planung gehört dazu, um in das Abenteuer Deutschlandreise zu starten.

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Veröffentlicht am 24.07.2021

In diesem Dorf lebt man nach dem Prinzip :Nichts hören, nichts sehen, nichts sagen

Nebeleck
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Der Einödhof Nebeleck ist Schauplatz einer brutalen Mordes. Während Ulrike Kork versucht, irgendwie mit ihren Ermittlungen voran zukommen und Licht ins Dunkel zu bringen, stößt sie immer mehr auf eine ...

Der Einödhof Nebeleck ist Schauplatz einer brutalen Mordes. Während Ulrike Kork versucht, irgendwie mit ihren Ermittlungen voran zukommen und Licht ins Dunkel zu bringen, stößt sie immer mehr auf eine Wand des Schweigens. Die Dörfler halten zusammen wie Pech und Schwefel. Und dann ist da auch noch Peter König, der Dorfarzt, der als Halbgott in Weiß geachtet und verehrt wird. Ulrike weiß nicht recht, wie sie ihn einzuordnen hat. Als der Dorfschlosser sich selbst richtet und in seinem Abschiedsbrief ein Geständnis ablegt, scheint zunächst alles glasklar, aber Ulrike will sich mit dieser einfach Lösung nicht zufrieden geben...


Elisabeth Nesselrode hat mit "Nebeleck" ihr Debüt veröffentlicht und ich muss sagen, dass dieser Roman Lust auf mehr Fallanalysen aus ihrer Feder macht. Die Autorin weiß nämlich selbst die eingefleischte Krimileserschaft dermaßen geschickt an der Nase herumzuführen, dass ich wirklich den Hut ziehen muss..

Das Geklüngel im Dorf wird von der Schreibenden hier schön dargestellt und so bekommt man einen sehr authentischen Eindruck vom Leben in so einem kleine Ort, in dem jeder jeden kennt und Geheimnisse nie lange unentdeckt bleiben. Aber ausgerechnet dann, wenn ein Mord geschieht, rennt die ermittelnde Kriminalkommissarin gegen eine regelrechte Betonwand des Schweigens. Keiner hat etwas gehört, gesehen oder will etwas zu den Vorgängen sagen.

Während der Ermittlungen schießt sich der Lesende allzu schnell und gerne auf einen sehr präsenten Verdächtigen ein und glaubt, etwa ab gut der Hälfte des Romans die Lösung einschließlich der Beweggründe zur Tat gefunden zu haben. Es liegt alles so komfortabel auf der Hand, dass es einfach so und nicht anders gewesen sein muss. Aber Elisabeth Nesselrode wartet bis zum Epilog, um mit einem großen Knall den wahren Täter bloßzustellen...ein Twist in der Handlung, der so unvorbereitet und unerwartet ist, dass man überrascht und ungläubig das Buch beendet.

Bis es aber so weit ist, lernt man unglaublich viele unterschiedliche Charaktere kennen, die manchmal ein bisschen Unruhe und Unübersichtlichkeit in die Handlung bringen - aber vielleicht ist gerade das gewollt. Dorfarzt Peter König ist ein Schmierlappen, den ich überhaupt nicht verknusen kann - er selbst hält sich für den Halbgott in Weiß und tut alles dafür, dass er seine Vormachtstellung im Dorf nicht verliert. Ermittlerin Ulrike König hat noch ziemlich an ihrer verkorksten Vergangenheit zu knabbern, mit dem ein oder anderen Punkt noch nicht abgeschlossen und täte gut daran, sich eventuell eine gute Freundin zuzulegen, der sie einmal ihr Herz ausschütten kann.

Der Rest der Agierenden fügt sich harmonisch in das dörfliche Bild ein - Grantler, Besserwisser, Tratschtanten und Moralapostel geben sich hier ein munteres Stelldichein.

Auch wenn der Fall manchmal etwas unruhig wirkt, bietet er Spannung, Abwechslung und ein intensives Leseerlebnis - ich glaube, an Ulrike Kork als Ermittlern könnte ich mich gewöhnen


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Veröffentlicht am 21.07.2021

Oft genügt eine Portion Meer...und was schwierig war, wird plötzlich leicht

Mittwochs am Meer
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Maurice hat es als Insolvenzverwalter nicht leicht, denn sein Tun und Handeln entscheidet über die Zukunft der Menschen, die in den Betrieben angestellt sind. Sein neuer Auftrag führt ihn jeden Mittwoch ...

Maurice hat es als Insolvenzverwalter nicht leicht, denn sein Tun und Handeln entscheidet über die Zukunft der Menschen, die in den Betrieben angestellt sind. Sein neuer Auftrag führt ihn jeden Mittwoch in ein kleines Städtchen am Meer. Die Bewohner betrachten ihn argwöhnisch und zeigen sich reserviert,...bis auf Dominique, die ihn an der Rezeption eines kleinen Hotels empfängt. Sie schickt Maurice einen Liebesbrief und dieser ist der Beginn einer wunderschönen Zeit....


"Mittwochs am Meer" ist mit ganz leisen Worten erzählt und doch besitzt dieser Roman eine unglaubliche Kraft und Ausdrucksstärke, die den Leser sofort einnimmt. Alexander Oetker braucht keine reisserischen Szenen,um hier von der Kraft der Liebe zu erzählen, die mit ungeahnter Wucht in das Leben von Maurice eintritt.

Der Insolvenzverwalter ist eher zurückhaltend und in sich gekehrt, hat nach einer großen Enttäuschung irgendwie vergessen, wie es ist, wenn man mit offenem Blick und einem liebenden Herz durchs Leben geht.

Dominique ist hungrig nach Leben, hungrig nach Liebe und Anerkennung und sie ist vor allen Dingen eines - geheimnisvoll. Sie weiß es geschickt anzustellen, dass sie Maurice erobert und sie trotzdem immer eine rätselhafte Aura umgibt.

Wenn sich beide Mittwochs treffen, spürt man förmlich, wie Maurice auflebt, sich verändert und auch Dominique sich immer weiter öffnet. Ihr Liebesspiel ist sinnlich, erotisch und niemals vulgär. Oetker gelingt es, die prickelnden Momente, die tiefe Verbundenheit und den Seelenfrieden des Pärchens für den Leser glaubhaft und authentisch darzustellen, sodass man das Gefühl hat, die beiden auf Schritt und Tritt zu begleiten.

Die Geschichte kommt ohne große Aufreger aus, wird aber nie langweilig. Es gibt so vielen Themen, die zwischen Maurice und Dominique besprochen werden, die einen Einfluss auf ihr weiteres Handeln haben und die große Überraschung kommt zum Schluss. Ein Roman, der mit dem Wellenspiel des Lebens den Leser ans Meer entführt und ihn ein Teil der großen Gefühle werden lässt.

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Veröffentlicht am 20.07.2021

"Es fährt ein Zug nach nirgendwo" (C.Anders)

Dreieinhalb Stunden
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Am 13.August 1961 ist eigentlich alles wie immer im Interzonenzug von München nach Ost-Berlin. Aber als plötzlich das Gerücht im Zug die Runde macht, dass man die deutsch-deutsche Grenze für immer mit ...

Am 13.August 1961 ist eigentlich alles wie immer im Interzonenzug von München nach Ost-Berlin. Aber als plötzlich das Gerücht im Zug die Runde macht, dass man die deutsch-deutsche Grenze für immer mit einer Mauer dicht macht, fängt das Gedankenkarussell bei den Reisenden an. Gehen oder bleiben? Freiheit und ein selbstbestimmtes Leben oder Kommunismus und vorgefertigte Denkweise? Es trifft die Familie mit Kindern ebenso wie das ältere Ehepaar, eine Gruppe Musiker und eine Leistungssportlerin. Und allen haben nur 3 1/2 Stunden, um sich zu entscheiden…

Zum 60. Jahrestag des Mauerbaus erscheint dieser eindrucksvolle Roman, der den Leser unmittelbar selbst mit der Frage beschäftigt – Wie hätte ich mich damals entschieden? Die Menschen im Mikrokosmos Zug werden plötzlich zu Getriebenen, die sich mit ihren Ängsten, Sehnsüchten, Sorgen und Nöten auseinandersetzen müssen, um eine Entscheidung zu treffen, die ihr ganzes Leben auf den Kopf stellen wird.

Das Rattern der Räder auf den Gleisen versinnbildlicht dabei das Rattern der Gedanken, die für den Leser genauso eindringlich hörbar sind wie für die Protagonisten im Zug. War denn wirklich alles schlecht in den letzten Jahren? Wie gestaltet sich das Leben im Westen?

Die innere Zerrissenheit wird hier mit unglaublich viel Fingerspitzengefühl verdeutlicht – gerade bei der vierköpfigen Familie wird klar, was die Entscheidung für ihrer aller Zukunft bedeutet.

Irgendwie holt jeden Einzelnen die Vergangenheit ein – Ungesagtes, was schon lange auf der Seele drückt, wird endlich ausgesprochen, Geheimnisse, die tief vergaben waren, drücken mit aller Macht ans Tageslicht und ein eiserner Wille wird geboren, der für überraschende Momente sorgt.

Die Figuren sind alle sehr authentisch dargestellt und es fällt dem Leser leicht, sich in ihre jeweilige Situation zu begeben. So wird aus dem Roman nicht bloß eine sehr emotionale Geschichte, sondern die dreieinhalb Stunden für die Entscheidung, die das Leben eines jeden Einzelnen beeinflusst, werden aus vielen Einzelperspektiven Realität – das Herz klopft, die Hände werden feucht und es ist eine unterschwellige Angst zu spüren, wenn sich die Gedanken ihren Weg suchen und sich nach Aussen bahnen. Es geht um Existenzen, um die Zukunft eines jeden Einzelnen und immer wieder um die Frage, gehen oder bleiben? Man sitzt mit im Zug, fährt auf den Schicksalsgleisen einer ungewissen Zukunft entgegen und sieht die Landschaft, ebenso wie die Erinnerungen der Mitreisenden, an sich vorbeiziehen. Ein Stück deutsch-deutscher Geschichte, das hier lebendig wird und das sich wirklich so zugetragen haben könnte.

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