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Veröffentlicht am 07.09.2021

gruselig und faszinierend zugleich

Der Horror der frühen Medizin
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In einem Gespräch mit einem ehemaligen Kollegen kamen wir auf das Thema Mittelaltermärkte, und ob ich wirklich gerne im Mittelalter wohnen möchte. Ich habe das stets verneint, und er äußerte einen Satz, ...

In einem Gespräch mit einem ehemaligen Kollegen kamen wir auf das Thema Mittelaltermärkte, und ob ich wirklich gerne im Mittelalter wohnen möchte. Ich habe das stets verneint, und er äußerte einen Satz, der mich heute noch immer wieder zum Schmunzeln bringt: „Mittelalter ist toll, wenn man abends nach Hause kann.“ Ein sauberes Bad und eine ausreichende medizinische Versorgung sind für mich nicht zu verachten. Besonders um manch medizinische Versorgung war ich bisher sehr froh.

So nimmt uns die Autorin Lindsey Fitzharris mit auf eine historische Reise, die in mir manch Grauen und Gänsehaut ausgelöst hat. Die frühe Medizin war geprägt von teils grausamen Versuchen am Patienten, die furchtbar anmuten. Die Medizin war noch nicht so weit, so dass Operationen, Amputationen oder andere schmerzhafte Behandlungen ohne Narkose durchgeführt wurden, die oft Entzündungen mit sich zogen und teils tödlich endeten. Erst nach und nach entwickelten sich Narkosemittel und vor allem ein Bewusstsein für einen sauberen Operationssaal. Ein wichtiger Wegbereiter der Antisepsis war Joseph Lister. Dem Chirurg fiel bei seinen Studien und Beobachtungen auf, dass je sauberer ein Chirurg arbeitet, desto weniger Nachfolgeerkrankungen die Patienten aufwiesen. Doch seine Arbeit war geprägt von anderen Ärzten und Quacksalbern, die sich lieber auf althergebrachtes verließen und Lister übel nachredeten. Lister blieb jedoch hartnäckig und konnte Beweise erbringen, bis sich langsam nach und nach auch die Gegner überzeugen ließen.

Lindsey Fitzharris ist es mit „Der Horror der frühen Medizin“ gelungen, einen Blick in die Entwicklung der frühen Medizin zu werfen. Leichenraub war nicht unüblich, ebenso wenig eine Amputation bei vollem Bewusstsein. Dank vieler mutiger Forscher konnte sich die Medizin weiterentwickeln zu dem, was sie heute ist. Viele Versuche scheiterten, viele Versuche mussten unter anderen Bedingungen weitergeführt werden, oder funktionierten erst durch den wissenschaftlichen Austausch diverser Kollegen. Aber auch der Faktor Hartnäckigkeit und Neugier ist nicht zu verachten. Listers Vater sprach seinem Sohn sehr viel Mut zu, und unterstütze ihn, wo er konnte.

Für mich besonders faszinierend waren die Operationen, die tatsächlich sogar zuhause durchgeführt wurden – heute eigentlich unvorstellbar. Der Glaube einiger Ärzte, dass Lister ein Scharlatan war, erschreckt mich ebenso wie die Tatsache, dass viele Neider Listers selbst auf dem Holzweg waren. Umso mehr bin ich heute froh, dass es Menschen wie Lister oder Louis Pasteur gab, die mit ihrer unermüdlichen Arbeit uns heute noch oft genug im Alltag begegnen. Ich bin regelrecht dankbar zu wissen, was die heutige Medizin leisten kann, auch wenn sie wie früher nicht jeden Patienten retten kann.

Auch wenn dieses Buch viele gruselige und grausame Szenen beschrieben hat, hat es mich doch sehr fasziniert und beeindruckt. Die Erzählung bleibt spannend, ohne unnötige Effekthascherei zu betreiben. Die damalige Realität war leider so.

Der Sprecher Friedhelm Ptok hat das Buch wirklich überzeugend gesprochen, mit der nötigen Ruhe, und hat somit eine tolle Stimmung erzeugt. Diese war leider manchmal so gut, dass ich die beschriebenen Szenen zu deutlich vor Augen hatte und pausieren musste, weil mir die Szenen zu plastisch erschienen.

Nichts für schwache Nerven und doch eine Hommage an die Entwicklung der Medizin. Volle Punktzahl.

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Veröffentlicht am 02.09.2021

Ein beflügelndes Buch

Der Mauersegler
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Wenn ein enges Familienmitglied oder enger Freund todkrank ist, fühlt man sich machtlos und gelähmt. Man wünscht sich Zauberkräfte, mit denen man seinem geliebten Menschen helfen kann, in dem man diese ...

Wenn ein enges Familienmitglied oder enger Freund todkrank ist, fühlt man sich machtlos und gelähmt. Man wünscht sich Zauberkräfte, mit denen man seinem geliebten Menschen helfen kann, in dem man diese Krankheit vom Patienten abwendet. Leider sind einem selbst oft die Hände gebunden, weil einem das Wissen fehlt, was man machen wirklich effektiv machen kann. Es bleibt die Hoffnung auf die Ärzte, die mit ihren neuesten Erkenntnissen Hoffnung auf Besserung und vielleicht auch auf Heilung machen können. Was aber, wenn selbst dem erfahrensten Arzt mit einer neuen hoffnungsvollen Studie die Hände gebunden sind?

Prometheus ist so ein Arzt. Sein bester Freund Jakob hat Krebs, und setzt alle Hoffnung in Prometheus. Denn dieser konnte schon vielen Patienten helfen, und keiner möchte schliesslich, dass Jakob stirbt. Die Erwartungen an Prometheus sind hoch, und er begibt sich auf ganz dünnes Eis, um den besten Freund zu retten.

“Die Mauersegler” ist ein Buch, das mich wieder tief bewegt hat. Jasmin Schreiber hat ein unbeschreibliches Talent, Emotionen genau da zu platzieren, wo sie hingehören. Wut, Trauer, Humor, Gefühlte in allen Facetten und Tiefen.

Ein Arzt, der mit der Erwartungshaltung umgehen muss, der letzte Strohhalm eines Patienten zu sein, der eine schlimme Krankheit nicht überleben wird. Beide wichtigen Protagonisten gleichen wie ein Mauersegler: mal werden sie durch die Strömung hoch in der Luft getragen, mal befinden sie sich im freien Fall.

Wie geht man mit dem Verlust eines Menschen um, dem man zwar theoretisch helfen kann, weil man das Werkzeug hat und weiss wie man es anwenden kann? Und doch scheitert man, weil es mehr braucht als das Wissen, wie man fliegt: Strömung, Wind, viel hat Einfluss auf den Flug des Mauerseglers, und auch wenn er weiss, wie man fliegt, kann es passieren, dass er stürzt.

So muss Prometheus mit dem Wissen zurecht kommen, seinem Freund nicht helfen zu können, egal wie er versucht, dem Tod ein Schnippchen zu schlagen. Seine Trauer bewältigt er auf seine Weise, und er bekommt Hilfte auf ganz unerwartete Weise.

Jasmin Schreibers Bücher zu lesen bedeutet, sich vielleicht auch ein bisschen sich selbst zu stellen. Man will nicht über unangenehme Themen wie Tod und Sterben reden. Wenn doch, heißt es der nackte Realität ins Auge zu schauen. Und doch verschlinge ich jedes Buch von dieser zauberhaften Autorin, weil sie es schafft, unangenehme Themen mit einem Augenzwinkern aufzubereiten. Denn Jasmin Schreiber kann nach einer traurigen Situation mit Tränen in den Augen einem direkt ein herzhaftes Lachen entlocken.

“Die Mauersegler” ist ein Buch der Gefühle, das einen Achterbahnen der Gefühle durchfliegen lässt, ohne das Ziel aus den Augen zu verlieren: das Leben.

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Veröffentlicht am 09.08.2021

tolles Hörbuch

Glück hat einen langsamen Takt
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Was ist Glück? Die Frage wird jeder anders beantworten. Für den einen ist Glück der Kaffee am morgen, ein Lottogewinn, oder der neue Job war Glück zu ergattern.

Aber heißt Glück auch, dass der Ehemann ...

Was ist Glück? Die Frage wird jeder anders beantworten. Für den einen ist Glück der Kaffee am morgen, ein Lottogewinn, oder der neue Job war Glück zu ergattern.

Aber heißt Glück auch, dass der Ehemann weg ist, der seit Jahr und Tag im Garten zu Weihnachten einen Weihnachtsbaum pflanzt? Was für den Mann Glück ist, 30 Bäume im Garten zu haben, ist für die Frau der Horror.

Mechthild Borrmann erzählt in verschiedenen Geschichten, was Glück bedeuten kann. Es sind Geschichten, die nicht von einem fast kitschigen Glück erzählen, sondern von einem Glück, das manchmal böswillig ist, wenn man dem anderen loswird. Glück hat für jeden Menschen einen anderen Takt, langsamer als manches Liebesglück, und zeigt sich in den unterschiedlichsten Situationen.

Das Buch hat mich zum Nachdenken gebracht. Liegt das Glück immer so offensichtlich auf der Straße, oder ist Glück wirklich Definitionssache? Glück kann befreiend wirken, skurril anmaßen, und Glück liegt auch oft versteckt im Detail. Glück ist Ansichtssache und liegt im Auge des Betrachters.

„Glück hat einen langsamen Takt“ ist ein Buch, das man bewusst genießen sollte. Gerade die einzelnen Geschichten bieten Zeit zum Nachdenken, innehalten, und lassen den Leser langsam eintauchen in eine Welt, in der Glück seinen ganz eigenen Zauber entwickelt.

Ich durfte dieses Buch als Hörbuch genießen, und muss gestehen, dass dies einen besonderen Reiz hatte. Die Geschichten wurden von unterschiedlichen Sprechern eingesprochen, und so waren die einzelnen Geschichten sehr abwechslungsreich. Die Sprecher wechselten sich ab, und man konnte jede Geschichte für sich gedanklich abschließen.

Das Hörbuch lädt zum mehrfachen Hören ein, und hat mir wirklich gut gefallen, denn Glück ist keine Standardware. Ich würde dieses Hörbuch alles andere als langsam einstufen, aber vielleicht als bewusste Anregung, über Glück nachzudenken.

Was ist Glück für dich?

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Veröffentlicht am 26.07.2021

Hat mich im Sturm erobert

Unter dem Sturm
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Im November 1994 brennt im südschwedischen Marbäck ein Haus nieder. In der Ruine wird die Leiche einer jungen Frau gefunden, vor der Ruine ihr schwerverletzter Freund. Schnell ist für die Ermittlungsgruppe ...

Im November 1994 brennt im südschwedischen Marbäck ein Haus nieder. In der Ruine wird die Leiche einer jungen Frau gefunden, vor der Ruine ihr schwerverletzter Freund. Schnell ist für die Ermittlungsgruppe klar: Edvard, der Freund der Toten, muss der Verdächtige sein. Edvard wird verurteilt, ihm steht eine lange Haftstrafe bevor, und für Edvards Neffen Isak bricht die Welt zusammen. Seine Eltern meiden das Thema, und für Isak fällt mit Edvard eine seiner wichtigsten Bezugspersonen weg. Seine Jugend ist geprägt von Zweifeln, weiteren Verlusten und Gedanken darüber, ob ihn das gleiche Schicksal ereignen wird wie sein Onkel und dessen Vaters zuvor: das eines Gewalttäters.

Gleichzeitig wird dieser Fall für den Ermittler Vidar zum Fall seines Lebens. Vidar zweifelt an der Schuld Edvards und mag nicht so recht an Edvards Schuld glauben. So wirbelt Vidar auch Jahre später nach Abschluss des Falles Staub auf, was bei Kollegen und Vorgesetzten nicht auf Verständnis stößt. Denn die Rolle eines ominösen vierten Fahrzeugs ist nach wie vor noch nicht geklärt. Vidars Suche nach dem wahren Täter ist für ihn zur Lebensaufgabe geworden. Er riskiert seine Ehe und seinen Job, und trotzdem lässt ihn das Schicksal Edvards und Isaks nicht mehr los.

Die Ermittlungsarbeit stellt zwar eine elementare Säule des Buches dar, doch liegt der Fall nicht nur auf der Polizeiarbeit. Vielmehr liegt der Fokus auf den Protagonisten, deren Zusammenspiel sich zu einem Gesamtbild zusammenfügt, dass dieses Buch für mich zu einem Highlight für dieses Jahr macht. Die Eltern, die mit der Situation des Onkels und dem Schock des eigenen Sohnes nicht umgehen können, wollen ihren Sohn vor dem Stigmata, dass ein eigenes Familienmitglied zum Mörder wurde, beschützen.

Die Figur des Isaks ist eine tragische. Mehrere Verluste beuteln diesen jungen Mann, werfen ihn aus der Bahn. Er nimmt eine Rolle an, die so gar nicht zu ihm passen will, denn dieser gefühlvolle Mensch verwandelt seine Verzweiflung endet in Aggressivität, Rebellion und Gewalt und wird selbst zum Verbrecher. Es ist hart, diesen jungen Mann so zu sehen, dem hätte anders geholfen werden können, nicht nur vom Polizeiermittler, der versucht, sich Isaks anzunehmen. Aber auch Vidar konnte mich überzeugen. Sein Grundinstinkt ist richtig, was die Ermittlungen anbelangt, wenn auch ihn auch dieser Instinkt erst in die falsche Richtung treibt und er sich in einer falschen Fährte verliert, bemüht er sich, Isaks Leben wieder in positivere Bahnen zu lenken, und etwas gut zu machen.

Es ist eine Geschichte, die von der richtigen Mischung lebt. Die Ermittlungsarbeiten werden von den Geschichten der Menschen, aber auch von der Landschaft ergänzt, und alles greift – für mein persönliches Empfinden – ineinander. Die nötige Spannung, die nicht von actionreichen Schlagabtausch lebt, sondern von der Erzählweise des Autors. Die Wendungen, die das Buch nimmt, konnte eventuell vorausgesehen werden, ich habe mich aber sehr gerne aufs Glatteis führen lassen. Es waren diese kleine Erinnerungen um diesen Fall, die zum Schluss ein stimmiges Gesamtbild ergeben haben, und so konnte mich „Unter dem Sturm“ von Christoffer Carlsson mich im Sturm erobern, und wird mich jedenfalls sehr lange noch begleiten. Innerhalb weniger Stunden verschlungen, hat es mir sehr gut gefallen.

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Veröffentlicht am 14.07.2021

Auftakt einer neuen Reihe!

Grenzfall - Der Tod in ihren Augen
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In den Bergen wird ein verlassener Rucksack gefunden, die Suche nach der vermissten Besitzerin gestaltet sich schwierig. Das Gelände in den Bergen ist unwegsam, die Vermisste wurde brutal ermordet, ihre ...

In den Bergen wird ein verlassener Rucksack gefunden, die Suche nach der vermissten Besitzerin gestaltet sich schwierig. Das Gelände in den Bergen ist unwegsam, die Vermisste wurde brutal ermordet, ihre Leichenteile über die deutsch-östereichische Grenze hinweg verteilt. Alexa Jahn muss sich bei den Ermittlern nicht nur den Herausforderungen des unwegsamen Geländes stellen, sondern auch einem neuen Team auf deutscher, aber auch auf österreichischer Seite. Einige Kollegen müssen sich erst an eine weibliche Vorgesetzte gewöhnen und hegen Zweifel, ob diese der neuen Rolle gewachsen ist.

Mit “Der Tod in ihren Augen” ist Schneider ein toller Auftakt zu einer neuen Krimireihe gelungen. Die ein oder andere Überraschung hielt die Geschichte bereit, die Protagonisten waren überzeugend sympathisch. Für meinen Teil konnte ich mir zwar die Lösung recht schnell denken, war aber dennoch gespannt, wie es zur Auflösung kommt. Das Buch lässt sich gut lesen, besonders durch die kurzen Kapitel. Der Fokus liegt auf der Ermittlungsarbeit, ohne den anstrengenden Amtsschimmel raushängen zu lassen. Für mich blieb es durchweg interessant und spannend weiterzulesen.

Vielleicht hätte es den kleinen Showdown des Verdächtigen am Ende des Buches nicht gebraucht, und doch gibt die Geschichte ein rundes Gesamtbild ab. Die Entwicklung der Ermittlungsarbeit sowie das Kennenlernen des Teams sind interessant, und wirkt nicht langweilig. Für mich war es ebenso spannend, ob ich mit meinem Verdacht, wer den Mord ausgeführt hatte, richtig lag. Ebenso fügt sich die Geschichte bildhaft in die Landschaft ein, war dementsprechend sehr ansprechend, und für mich nicht der typische Bergekrimi, denn es wirkte doch stellenweise etwas düster. Wirklich ein toller lesenswerter Krimi! Ich freu mich jedenfalls auf Teil zwei und bedanke mich herzlich bei Recensio Online und Anna Schneider für das Buch mit Widmung!

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