Ansprechender und abwechslungsreicher Historienschmöker- interessantes Debüt mit kleinen Schwächen für Fans von Iny Lorentz
Die Heilerin von LondonSusannah lebt seit dem tragischen Tod ihrer Mutter vor Jahren, die im Kindbett starb zusammen mit ihrem Vater, einem Apotheker in London. Beide führen die Apotheke, denn auch Susannah hat Tricks und Kniffe ...
Susannah lebt seit dem tragischen Tod ihrer Mutter vor Jahren, die im Kindbett starb zusammen mit ihrem Vater, einem Apotheker in London. Beide führen die Apotheke, denn auch Susannah hat Tricks und Kniffe in der Zubereitung von Arzneien, Salben und Kosmetika längst von ihrem Vater gelernt- und das obwohl es im England des Jahres 1665 Frauen eigentlich untersagt ist, einer Männerarbeit nachzugehen.
Eines Tages ändert sich ihr zufriedenes Leben, denn Susannahs Vater verheiratet sich neu und Arabella, seine frischgebackene Ehefrau, stellt sich zudem als „böse Stiefmutter“ heraus, die von nun an ihrer Stieftochter das Leben schwer macht. Plötzlich soll Susannah die ungezogenen Kinder aus erster Ehe von Arabella umsorgen, statt in der Apotheke ihrem Vater zur Hand zu gehen. Zudem nötigt Arabella sie dazu, sich entweder zu verheiraten oder eine Anstellung in einem anderen Haushalt zu finden, denn Arabella will in ihrem neuen Heim allein herrschen.
Als der Cousin des befreundeten Arztes William, Henry, Susannah einen Heiratsantrag macht, weigert sich die junge Frau zunächst- zu groß ist ihre Angst davor schwanger zu werden und vielleicht auch so elendig zu sterben wie ihre Mutter einst. Doch als der Kaufmann Henry, Susannah einen Monat später erneut um ihre Hand bittet, willigt sie ein- selbst wenn es für sie lediglich eine Vernunftehe ist, damit sie Arabellas Fängen entwischen kann.
Die Hochzeitsnacht wird jedoch zu einem Fiasko und auch danach benimmt sich ihr frischgebackener Ehemann recht seltsam. Statt sie zu lieben und zu ehren, treibt er sich Tag und Nacht in Wirtshäusern und Bordellen herum und als er schließlich an der Pest stirbt, die in der Stadt wütet, lässt er Susannah auch noch schwanger und mittellos zurück- denn all ihre Mitgift hat er verprasst.
Susannahs Rettungsanker wird William, der sie ins Haus seiner Tante holt, wo sie der alten aber resoluten Dame als Gesellschafterin zur Hand gehen soll. Doch bevor sie glücklich werden kann, muss sie zunächst die vielen Schulden ihres verstorbenen Ehemannes abtragen. William wächst ihr derweil immer mehr ans Herz. Als sie ihn aber eines Tages bei einem Gespräch mit seiner Tante belauscht, ist sie entsetzt, welches Geheimnis er angeblich verbirgt. Kann es dennoch eine Zukunft für sie beide geben oder ist es bereits zu spät, denn die Pest rückt bedrohlich näher und dann bricht auch noch ein schreckliches Feuer aus, das ihre Existenz und ihr Leben bedroht…
„Die Heilerin von London“ ist der Debütroman einer britischen Autorin, in dessen Fokus eine junge Frau steht, die sich in der Männerwelt behaupten muss, bevor sie glücklich werden kann. Die Geschichte um Susannah spielt kurz vor dem großen Brand von London im Jahre 1666- eine Zeit in der die Bewohner der Stadt bereits von der Pest heimgesucht wurden, der viele Menschen zum Opfer fielen.
Obwohl der Roman durchaus abwechslungsreich ist und es zudem auch viele Male sehr spannend darin zugeht, was der fließenden und locker- leichten Handschrift der Autorin zu verdanken ist, die an die des Autorenduos Iny Lorentz erinnert, fand ich, dass Charlotte Betts es sich was die Charakterisierung der Romanfiguren angeht, leider etwas zu leicht gemacht hat.
Ich habe etwas mehr Vielschichtigkeit erwartet- stattdessen bekommt man es mit Romanfiguren zu tun, die zu sehr in ihrer vorgegebenen Rolle gefangen sind und aus dieser auch nicht ausbrechen- weder im positiven noch im negativen Sinne. Da wäre zum einen die „böse Stiefmutter“- schön, jung, gierig und böse, die zu keiner freundlichen oder menschlichen Gefühlsregung fähig ist, der Ehemann Susannahs- ein verschwendungssüchtiger Geck der keinerlei Interessantes oder Wissenswertes vermitteln kann und der sehr blass und eindimensional beschrieben wurde und nicht zu vergessen, der feige Vater, der sich nicht ein einziges Mal gegen seine neue Frau auflehnen kann, obwohl er seine Tochter doch angeblich so liebt.
Lediglich die Hauptfigur und in gewissem Maße auch die Tante und William können aus ihren schemenhaften Beschreibungen hier und da ausbrechen und zeigen ein wenig mehr charakterliche Facetten. Dabei sind sowohl das Setting als auch der Plot gut gewählt und der Roman lässt sich, sieht man einmal von dem erwähnten Kritikpunkt ab, sehr gut lesen. Es ist sicherlich kein schlechter historischer Roman und ich bin mir sicher, dass die Autorin sich in weiteren Romanen hinsichtlich der Charakterisierung ihrer Akteure noch ein wenig steigern kann.
Gelungen fand ich dagegen das historische Kolorit und die bildhaften Beschreibungen die der geschichtsträchtigen englischen Stadt Konturen verleihen. Auch das Leben und der Arbeitsalltag der Bürgerlichen wurden sehr gut von der Autorin eingefangen- selbst die Beschreibungen von Susannahs Tätigkeiten in der Apotheke fand ich sehr interessant geschildert. Ein weiteres wichtiges Thema dieser Zeitepoche wird ebenfalls angesprochen- die Sklaverei, denn die Familie von Susannahs Ehemann lebt noch auf Barbados und so lässt sich Henry kurzerhand und leichtfertig drei Sklaven von dort nach England schicken. Gerade die Textpassagen die sich mit der grausamen Behandlung der Schwarzen beschäftigen, haben mich berührt und sehr traurig gemacht. Hier geht die Autorin aber sehr tiefgründig zu Werke und zeigt nicht nur die Missstände der Sklaverei auf, sondern nimmt auch das beschränkte Denken der Menschen dieser damaligen Zeitepoche aufs Korn und entlarvt haltlose Vorurteile anderen Kulturen gegenüber.
Kurz gefasst: Ansprechender und abwechslungsreicher Historienschmöker- interessantes Debüt mit kleinen Schwächen für Fans von Iny Lorentz.