Ich war doch schon sehr überrascht, so schnell wieder ein Buch von Sebastian Fitzek in den Händen halten zu können, nachdem erst im Oktober "Das Paket" erschienen ist und sofort von mir verschlungen wurde. Der Klappentext verrät über "AchtNacht" ja nicht besonders viel, ebenso war mir der Film "The Purge", zu dem das Buch einige Parallelen aufweisen soll, völlig unbekannt, so dass ich mich unvoreingenommen auf Ben Rühman und das aus dem Ruder gelaufene psychologische Massenexperiment einlassen konnte.
Obwohl sich die Geschichte von Anfang an sehr gut lesen lässt, habe ich einige Zeit gebraucht, um in ihr gefangen zu sein und mich voll und ganz auf die AchtNacht einlassen zu können. Ich habe mich lange gefragt, was Ben Rühmanns "Nutzlosigkeit" im Job und im Privaten, seine Familie und die Tragödie, die er miterleben musste (und teilweise noch muss) mit dem psychologischen Experiment zu tun haben und inwieweit diese Schilderungen den Verlauf der Geschichte beeinflussen wird.
Der Wechsel der verschiedenen Erzählpersonen- und perspektiven haben bei mir den Eindruck einer sehr langen Einführung nur verstärkt, weswegen ich etwa 100 bis 150 Seiten das Gefühl hatte, der Autor schaffe keinen optimalen Spannungsbogen. Erst sehr viel später wurde mir klar, dass sowohl die verschiedenen Perspektiven, als auch die lange Einführung nötig waren, um die Entstehung und den Verlauf der AchtNacht als ganzes zu erkennen und vor allem auch zu verstehen. Viele Zusammenhänge und Parallelen habe ich da noch nicht gesehen. Denn wie bei allen Büchern des Autors sträubt Fitzek sich nicht, falsche Fährten zu legen, spannende und unerwartete Wendungen einzubauen und den Leser mit einem vielschichtigen Plot zu verwirren.
Am meisten überrascht hat mich jedoch, dass ich mir an mancher Stelle wirklich vorstellen konnte, sowas auch im realen Leben zu erfahren. In Zeiten von Terror und Hass, von Diskussionen und Uneinigkeit in Kombination mit der Idee eines Irren, dem Know-How eines Technikfreaks und dem Internet als passendes Werkzeug habe ich mich doch gefragt, wie leicht sich so etwas umsetzen ließe – und wie viele Gestörte im Endeffekt mitziehen und durch die Straßen laufen würden. Mich überrascht in diesem Zusammenhang jedes Mal aufs neue, wie Fitzek realitätsnahe Probleme und "Störungen" in einer Gesellschaft/einem Land/eines Kontinents/der Welt so mühelos in seinen Büchern verarbeitet. Und den Leser letztlich dazu bringt, genau das unterbewusst zu hinterfragen. Wie er die Themen Snowden und Predictive Policing in "Das Joshua-Profil" aufgegriffen hat, fand ich schon toll, aber diesmal hat mich Fitzek wirklich beeindruckt.
Das Ende hat mich, im Gegensatz zu "Das Paket", nicht enttäuscht, jedoch war es für mich auch nicht besonders außergewöhnlich. Auf mich wirkte es auf der einen Seite zu "einfach" und zu "schlicht", auf der anderen Seiten hat es einen beunruhigenden Eindruck hinterlassen, weil man die Geschichte zwangsläufig im Kopf weiterspinnt und so auf ein unlösbares Problem trifft. An dieser Stelle möchte ich natürlich nicht zu viel verraten.
Auch wenn es viele anders sehen, war für mich der Schreibstil wieder super. Ich mag das Kopfkino, das mir in jedem Buch des Autors bereitet wird. Weil er so viel erzählt wie nötig, aber auch Spielraum für Fantasie und eigene Gedanken lässt. Sei es bei der Beschreibung der Charaktere, der Umgebung oder der Gefühle des Einzelnen. Die unterschwellige Spannung fand ich toll, auch wenn sie sich bei mir erst nach circa 150 Seiten eingestellt hat.
Fazit
"AchtNacht" ist für mich ein toller Action-Thriller, der mich überzeugen konnte; bei dem ich aber auch weiß, dass Sebastian Fitzek das eigentlich besser kann. Die kontroverse Diskussion und die viele Kritik kann ich nicht ganz nachvollziehen, denn ich kann das Buch aufgrund einer grandiosen Gesellschaftskritik, eines sympathischen Hauptprotagonisten und eines doch sehr erschreckenden Plots (mit vielen verschiedenen Verstrickungen) empfehlen.