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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 09.02.2018

Bewegende Story

Die Achse meiner Welt
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Was würdest Du tun, wenn Du Dein Leben verändern könntest?

Der letzte Abend, bevor das „richtige“ Leben los geht – Rachel und ihre Clique wollen dies im Restaurant feiern. Doch ein Unfall zerstört das ...

Was würdest Du tun, wenn Du Dein Leben verändern könntest?

Der letzte Abend, bevor das „richtige“ Leben los geht – Rachel und ihre Clique wollen dies im Restaurant feiern. Doch ein Unfall zerstört das Beisammensein – und auch die Zukunft von Rachel und ihren Freunden. Denn ihr bester Freund, Jimmy, den sie wie einen Bruder geliebt hat – mehr als alles andere – opfert sein Leben für Rachel. Dieses Erlebnis zeichnet sie tief, und um einen Schlussstrich ziehen zu können bricht sie mit allen, bis auf ihre beste Freundin, und zieht weg. Doch als ihre beste Freundin heiratet, soll sich Rachel ihren Dämonen stellen, denn alle werden da sein – und plötzlich hat sie die Chance, ihr ganzes Leben zu verändern...

Dani Atkins verwendet eine wundervolle warmherzige Sprache. Er lässt alle Charaktere sehr lebendig wirken, und nicht nur oberflächlich. Das Buch lässt sich flüssig lesen.

Die Charaktere haben mir gut gefallen, durch die unterschiedlichen Eigenschaften bilden sie eine ziemlich bunt gewürfelte Clique.

Das Buch hat einen bleibenden Eindruck bei mir hinterlassen – warum, kann ich so gar nicht sagen. Ich kenne viele Bücher mit dieser Thematik aber keines hat mich so angesprochen. Was würde ich in meinem Leben verändern wollen?

Insgesamt eine klare Leseempfehlung.

Veröffentlicht am 03.10.2017

(E)QualityLand

QualityLand
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Nachdem mal immer mal wieder mit kleinen Häppchen zur Story versorgt wurde, habe ich mich riesig gefreut, das Buch endlich in den Händen zu halten!

Und es wäre nicht von Marc-Uwe Kling, wenn es ein Einheitsbrei ...

Nachdem mal immer mal wieder mit kleinen Häppchen zur Story versorgt wurde, habe ich mich riesig gefreut, das Buch endlich in den Händen zu halten!

Und es wäre nicht von Marc-Uwe Kling, wenn es ein Einheitsbrei wäre: Das Buch gibt es mit dunklem Einband (für Apokalyptiker) und mit hellem Einband (für Optimisten). Der Autor hat sich etwas besonderes ausgedacht: Da es in seinem Roman um „Personalisierung und ihre Absurditäten“ geht, bekommt man, abhängig vom Einband, verschiedene Empfehlungen und Werbung zwischen den Kapiteln. Am Ende der Geschichte wurde ein Link eingefügt, mit dem man zur Werbung der anderen Ausgabe kommt.

Peter Arbeitslosers Leben verläuft momentan alles andere als gut. Die Partnerin, die von der Dating-App für gut befunden wurde, macht Schluss. Sein Job ist ihm schon lange zuwider. Und was, verdammt noch mal, soll er mit Sexspielzeug anfangen, das TheShop ihm zugeschickt hat, weil die App dachte dass er so etwas bräuchte? Qualityland garantiert doch, dass Maschinen keine Fehler machen?
In Qualityland ist alles einfach und bequem.
Männer erhalten als Nachnamen den Beruf des Vaters, Frauen den der Mutter. TheShop schickt einem den Einkauf ins Haus, weil analysiert wurde, was man braucht, ohne dass man es selbst weiß. QualityPartner findet den perfekten Partner. Autos fahren schon längst alleine. Und das alles durch Algorithmen, die anhand der gekauften Produkte entscheidet, wie es nun weitergeht.
Peter beginnt, gegen das System zu rebellieren, indem er Maschinen, die er verschrotten soll, in seinem Keller versteckt.

Der Schreibstil ist super, typisch Kling, mit prägnanten Sätzen werden ernste Themen auf witzige Art und Weise angesprochen.

Mal wieder übt Marc-Uwe Kling Gesellschaftskritik, beschreibt satirisch, was passieren kann wenn die Digitalisierung überhand nimmt und man keine Kontrolle mehr darüber hat, was man im www hinterlässt (aus Bequemlichkeit?), auch wenn einem das selbst vielleicht nicht so bewusst ist (Algorithmen im Zusammenhang mit „Das könnte Dich auch interessieren...“ kommen vielleicht dem ein oder anderen bekannt vor.). Ist es wirklich sinnvoll, wenn einem das Denken abgenommen wird? Der Roman zu dazu anregen, über das eigene Verhalten mit Daten und Digitalisierung nachzudenken, ein wichtiges Thema.

Veröffentlicht am 15.04.2017

Muss Poesie sich reimen?

Die hellen Tage
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Eine Geschichte über drei Freunde, die das Leben zusammen geniessen und durch Höhen und Tiefen gehen.

Seri wächst gut behütet in dem kleinen Ort Kirschblüt bei Heidelberg auf. Zusammen mit ihrer Freundin ...

Eine Geschichte über drei Freunde, die das Leben zusammen geniessen und durch Höhen und Tiefen gehen.

Seri wächst gut behütet in dem kleinen Ort Kirschblüt bei Heidelberg auf. Zusammen mit ihrer Freundin Aja erlebt sie schöne Tage. Später vervollständigt Karl den Kreis, und die Freundschaft der Drei hält lange über die Schulzeit hinaus.

Da ist Aja - Tochter einer ehemaligen ungarischen Zirkustänzerin und einem Zirkusartisten. In einer von Hand errichteten Hütte verbringt sie zusammen mit ihrer Mutter ihre Kindheit und Jugend. Im Sommer kommt regelmäßig ihr Vater für einige Wochen, um die Zeit mit seiner Tochter zu verbringen. Das ist für Aja der Höhepunkt des Sommers . Im Laufe des Älterwerdens löst dies regelmäßig einen Konflikt in ihr aus – warum kann ihr Vater nicht das ganze Jahr bleiben? Die Protagonistin Seri findet sich regelmäßig bei ihrer Freundin ein, denn deren Familie ist auch ihre. Durch den frühen Tod ihres Vaters lebt sie alleine mit ihrer Mutter, doch gerade in der Zeit des Erwachsenwerdens gibt es zwischen den beiden immer häufiger Konflikte. Auch Karl hat keine Standard-Familie: Sein kleiner Bruder wurde entführt, und seine Eltern haben das nie verkraftet. Karl fristet ein Schattendasein und ist für seine Eltern unsichtbar.

Die Handlung beginnt in den sechziger Jahren, eine Kindheit abseits von Internet und anderen digitalen und technischen Geräten. Durch die wirklich poetische Schreibweise der Autorin kann auf Dialoge verzichtet werden. Oft liest man, dass das Buch ermüdend ist und keine Handlung hat – in gewissem Sinne stimmt das auch, doch rein objektiv gesehen ist das Buch fast schon ein Meisterwerk. Es geht um Erinnerungen, um eine Freundschaft die auf die Probe gestellt wird, um Zusammenhalt. Geschrieben in einer brillanten und bildhaften Sprache, kann man alle Stimmungen der Charaktere nachvollziehen.

Es wird wahrscheinlich ein Favorit, aber kein Herzensbuch.

Veröffentlicht am 11.04.2017

Erinnerung ist die Wahrheit

Mit jedem Jahr
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Harvey ist gerade erst sechs Jahre alt, da verliert sie ihre Eltern bei einem Autounfall. Ihr einziger Verwandter ist ihr Onkel Jason. Der war aber bei Harveys Eltern immer ein Tabuthema, sodass sie quasi ...

Harvey ist gerade erst sechs Jahre alt, da verliert sie ihre Eltern bei einem Autounfall. Ihr einziger Verwandter ist ihr Onkel Jason. Der war aber bei Harveys Eltern immer ein Tabuthema, sodass sie quasi nichts über ihn weiß. Denn: Er saß im Gefängnis, trinkt, und ist aggressiv (wenn nicht sogar cholerisch). Aus diesen Gründen wollte Harveys Mutter keinen Kontakt zu ihm haben. Nun entschließt er sich, sein Leben endgültig in den Griff zu bekommen und sich seiner Nicht anzunehmen.

Auch wenn sich diese kurze Inhaltsangabe nicht spektakulär anhört – das Buch ist es. Im Vordergrund steht für mich die Botschaft „Wo ein Wille ist, ist auch ein Weg“. Jasons Leben ist, wie er auch selber merkt, alles andere als ein gutes Umfeld für ein sechsjähriges Mädchen. Für sie möchte er aber nun alles ändern: einen geregelten Tagesablauf, Dinge planen und entspannt angehen, und vor allem Verantwortung übernehmen um den Leuten zu zeigen, dass „jemand wie der da“ es schaffen kann und durchaus ein gutes Vorbild sein kann.

In den ersten Kapiteln wird die heile Welt beschrieben – Harvey lebt gut behütet bei ihren Eltern, bevor der Unfall alles auf den Kopf stellt. Es wird abwechselnd in der Gegenwart (Harvey studiert inzwischen) und der Vergangenheit erzählt, was der Geschichte einen schönen Effekt gibt: einer der schönsten und wahrsten Sätze in diesem Buch lautet: "Das ist die Wahrheit, Harvey, nicht das, was auf einem Stück Papier steht oder im Blut, was sowieso keiner sehen kann – sondern die Erinnerung, wie es sich angefühlt hat, zusammen zu sein.“ Harvey erinnert sich in den Rückblenden an schöne Momente mit Jason, an nicht so schöne, aber es ist nicht zu leugnen: aus ihnen ist eine Familie geworden – trotz der Tatsache, dass es ihnen durch Jasons Vergangenheit schwer gemacht wurde. Aber auch Jason, der sich der Verantwortung bewusst ist, vieles aber erst im Laufe der Zeit lernt, hat eine wichtige Erkenntnis: "[…] dass es lauter kleine Dinge waren – der Pizzaabend, Schlagzeug spielen, Zeichentrickfilme angucken –, die das Leben lebenswert machten.“

Die Story ist nicht außergewöhnlich: keine romantische Liebesgeschichte, kein raffinierter Thriller, es gibt keine unerwarteten Wendungen oder Kniffe. Aber genau das alltägliche Leben, was in diesem Buch beschrieben wird, macht es besonders. Auch die Entwicklung der Charaktere, die beide unweigerlich durchmachen, ist authentisch und realistisch. Jason zeigt, dass es schwer ist, sein Leben komplett umzukrempeln, aber möglich, wenn man es wirklich möchte. Und Harvey zeigt, wie leicht man einen Menschen lieben kann, der nicht den Konventionen entspricht, der eine schwere Vergangenheit hatte und auch Fehler macht. Die beiden sind unterschiedlich und passen dennoch gut zusammen. Für mich sind logische Charaktere in einem Buch mit das wichtigste, und diese beiden könnten aus dem wahren Leben gegriffen sein.

Mit seinem leichten Schreibstil fängt Simon van Booy die alltäglichen Momente gekonnt ein, macht sie zu etwas besonderem. Es gibt keine Schachtelsätze, keine Stolpersteine, die Geschichte erweckt den Anschein, als ob die Gedanken sofort zu Papier gebracht wurden.

Dieses Buch bekommt von mir eine klare Leseempfehlung.

Veröffentlicht am 06.04.2017

Bellboy oder: Wie man die zehn Gebote bricht

Bellboy oder: Ich schulde Paul einen Sommer
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Ein Roman über Freundschaft und Zusammenhalt:
Nach Kurzgeschichten-Sammlungen und kurzen Satire-Texten ist dies der erste Roman von Jess Jochimsen.

Der Protagonist Lukas hat mit seinem Leben in der Provinz ...

Ein Roman über Freundschaft und Zusammenhalt:
Nach Kurzgeschichten-Sammlungen und kurzen Satire-Texten ist dies der erste Roman von Jess Jochimsen.

Der Protagonist Lukas hat mit seinem Leben in der Provinz abgeschlossen und ist sang- und klanglos nach München verschwunden. Hier beginnt er ein Studium, das er ebenso schnell wieder abbricht. Zu Beginn des Romans arbeitet er als Glöckner und Aushilfs-Kantor in einer evangelischen Kirche, dessen schwuler Pfarrer kifft und anstatt eines Gottesdienstes lieber ein Rockkonzert abhält. Nebenbei beglückt Lukas die Mütter seiner Nachhilfe-Schüler und ist eigentlich recht zufrieden mit seinem Leben. In diese, nennen wir es mal Idylle, platzt Paul herein – Lukas' Cousin aus der alten Heimat. Er kann sich nicht mehr erinnern, was genau er von Lukas wollte, nur dass es wichtig war. So beginnt der Sommer mit Paul. Bald findet Lukas heraus, dass Paul an einer Form von Demenz leidet, was das Zusammenleben der beiden nicht unbedingt einfacher macht.

Als Liebhaber von Großstädten rechnet Lukas hier mit dem Landleben ab. Durch Rückblenden in seine Kindheit und Jugend bekommt der Leser einen Eindruck in das, was Lukas zum Weggehen bewegt hat. Dennoch kommt das an manchen Stellen etwas hart rüber, werden doch alle, die auf dem Land leben, als „Provinztrottel“ beschrieben, die sich geistig auf einem ganz anderen Niveau als ein Städter befinden.

Obwohl nicht die Protagonisten, sind Charaktere von Paul und Stevie, dem schwulen Pfarrer, sehr liebevoll gezeichnet – fast schon interessanter als Lukas.

Geistig ist es nicht anspruchsvoll, dennoch mit Humor und auch Tiefgang geschrieben und es lässt sich so sehr flüssig lesen. Durch die berührende Geschichte um Paul regt das Buch den Leser jedoch nicht nur zum lachen, sondern auch zum Nachdenken an. Jess Jochimsen nutzt hier nicht den Kitsch, um das Thema Demenz anzusprechen, sondern den Witz, weshalb das Buch anderen themenidentischen Medien weit voraus ist.