Von Göttern, Wikingern und blutigen Schlachten
NordnachtVielen lieben Dank an den blanvalet-Verlag und das Penguin Random House-Bloggerportal für das Rezensionsexemplar!
Meine Rezension spiegelt selbstverständlich trotzdem meine ehrliche Meinung wider.
Aufmachung:
Die ...
Vielen lieben Dank an den blanvalet-Verlag und das Penguin Random House-Bloggerportal für das Rezensionsexemplar!
Meine Rezension spiegelt selbstverständlich trotzdem meine ehrliche Meinung wider.
Aufmachung:
Die Cover der Reihe gefallen mir super. Im Prinzip sind sie alle identisch, bloß die Farbe des Feuers im Hintergrund und der Rabe sind verschieden. Dadurch erkennt man sofort, dass sie zusammengehören, und es ist ebenfalls sofort ersichtlich, dass es sich bei der Saga um eine High Fantasy-Reihe handelt. Das Schwert und der Rabe stellen dabei den Bezug zu den Blutgeschworenen her.
Was mir die Titel sagen sollen („Nordnacht“ – „Frostnacht“ – „Blutnacht“), weiß ich allerdings noch nicht so richtig. Sie sehen zwar toll nebeneinander aus, und die Nächte in der Saga, die im Norden spielt sind sicherlich auch frostig und blutig, aber ansonsten ist da nur wenig Verbindung zum Inhalt. Den Originaltitel des Auftaktes „The Shadow of the Gods“ finde ich viel passender.
Meine Meinung:
Wow!
Die Verlagsseite zum Buch spricht von einer „große[n] Wikinger-Fantasy-Saga“ und beschreibt „Die Saga der Blutgeschworenen“ mit „The Witcher meets Vikings“ – ich kann euch sagen: Meine Erwartungen wurden übertroffen!
Wenn man so etwas nämlich hört, erwartet man eine blutige, brutale, kalte Geschichte, die von Krieg und Schlachten erzählt und genau das bekommt man hier auch geliefert.
Vorab sollte ich deshalb vielleicht sagen, dass ich „Nordnacht“ keinem High Fantasy-Einsteiger und auch keinem Leser empfehle, der vielleicht eher zarter besaitet ist oder nicht so gerne über brutale, teils sehr grafische Kämpfe liest. Wer damit jedoch klarkommt, erhält hier einen Auftakt in eine grandiose High Fantasy-Saga, die vor allem eins ist: unfassbar gut durchdacht.
Wie intensiv sich der Autor mit seiner Welt jedoch tatsächlich befasst haben muss, wird einem erst im Nachhinein klar, denn gerade zu Anfang ist „Nordnacht“ noch sehr kompliziert.
Das fängt an mit den Orts- und Figurennamen, die an das Norwegische angelehnt und für mich als Mitteleuropäerin daher eher ungewöhnlich sind. Das und weil sie zum Teil einander sehr ähnlich sind oder aus Lauten bestehen, die ich nicht kenne, hat es mir nicht unbedingt leicht gemacht, die Figuren und Orte zu Beginn auseinander zu halten, geschweige denn, mir sie zu merken. Selbst jetzt nach 600 Seiten kann ich mitnichten alle wichtigen Figuren aufzählen. Da wäre vielleicht ein Figuren- und Ortsverzeichnis im Buch hilfreich gewesen, wobei mir die abgedruckte Karte ganz am Anfang schon vieles erleichtert hat.
Nichtsdestotrotz musste ich mich gerade beim Lesen der ersten Hälfte des Buches stärker als sonst konzentrieren. Das kreide ich dem Buch allerdings nicht wirklich negativ an, das ist eben etwas, womit man bei High Fantasy rechnen muss und was mich auch nicht sehr stört. Ich finde es allerdings durchaus erwähnenswert!
Auch und vor allem der Plot ist nicht weniger kompliziert. Die Geschichte wird aus drei verschiedenen Perspektiven erzählt, bei denen man sich lange nicht sicher ist, ob und inwiefern sie eigentlich zusammenhängen. Man stellt Theorien auf, rätselt, was wohl als nächstes kommen könnte, und ob in einer Perspektive vielleicht Personen oder Orte auftauchen, die man in einer anderen bereits kennengelernt hat.
Dabei bedient sich der Autor einer eigenen Welt, eines unbekannten, hochkomplexen Magiesystems und eines neu geschöpften Pantheons – allesamt angeleht an Norwegen oder die nordische Mythologie. Weil alles eben so neu und unbekannt ist, braucht man als Leser relativ lange, bis man den Überblick und auch nur ansatzweise das Gefühl hat, die Grundstrukturen verstanden zu haben, aber diese Zeit gibt einem der Autor auch.
Vor allem in der ersten Hälfte verbringt er viel mit Worldbuilding, mit Erläuterungen und Einführungen, die einem die Orientierung in der Welt der Blutgeschworenen vereinfachen. Auch wenn das Erzähltempo zu dem Zeitpunkt noch nicht besonders schnell ist, herrscht dennoch eine enorm hohe Plotdichte. Eine Schlacht jagt die nächste, es passiert sehr viel hintereinander und man wird oft von Plottwists überrascht, mit denen man so nicht gerechnet hätte und die einen zwischendurch schon sehr mitnehmen können.
Hin und wieder, gerade im Mittelteil, gibt es einige wenige Längen in der Geschichte, die sich zu diesem Zeitpunkt durchaus etwas zäh anfühlen mögen, die sich aber rückblickend betrachtet nur sehr wenig auf die gesamte Geschichte auswirken. Auch hier also: Dieser Eindruck ist für mich durchaus erwähnenswert, macht sich aber nicht sehr viel in meiner Endbewertung bemerkbar.
Das liegt vor allem an der unfassbar spannenden zweiten Hälfte: Auch wenn ich zwischendurch vielleicht mal den Eindruck hatte, dass gerade ein paar Schlachten zu viel aufeinander folgen, konnte ich mich die letzten dreihundert Seiten nur schwer von der Geschichte lösen. Die Zeit, die der Autor anfangs für das Worldbuilding verwendet, zahlt sich hier also definitiv aus, wenn so langsam alles zusammenläuft, man Verbindungen herstellt und einem immer mehr Lichter aufgehen, während man gleichzeitig keine Chance hat, auch nur das kleinste Detail zu vorherzusagen. Das ist der Punkt, ab dem sich erahnen lässt, wie komplex und wie grandios durchdacht die Saga sein wird – der Cliffhanger am Ende bestätigt dies nur noch einmal.
Wie bereits angeschnitten, wird „Nordnacht“ aus drei Perspektiven erzählt: aus der Sicht von Orka, von Elvar und von Varg.
„‚Furcht an sich ist nichts Schlechtes‘, fuhr Orka fort. ‚Wie kannst du tapfer sein, wenn du keine Furcht empfindest?‘“ (S. 182)
Alle drei könnten unterschiedlicher nicht sein, aber man kann sich trotzdem wunderbar in jeden einzelnen von ihnen hineinversetzen. Sie werden allesamt angetrieben von verschiedenen Beweggründen, haben jeder etwas anderes erlebt und wurden auf unterschiedlichste Art und Weise von ihrer Vergangenheit und ihren Mitmenschen geprägt.
Die größte Entwicklung der Drei durchgemacht hat meiner Meinung nach allerdings Varg. Er beginnt als fliehender Sklave, der zwar durchaus weiß, dass er im Faustkampf nicht gerade unfähig ist, der aber sein wahres Potenzial noch nicht kennt. Er wird zu Beginn einzig vom Schwur seiner Schwester gegenüber angetrieben und lernt dann auf seinem Weg die Blutgeschworenen als Freunde kennen.
Vergleicht man den Varg, den man am Ende vor sich hat, mit demjenigen, den man am Anfang kennenlernt, dann scheinen Welten dazwischenzuliegen, ohne dass diese Entwicklung unglaubwürdig oder unnatürlich erscheinen würde.
Orka und Elvar dagegen haben sich zwar auch genug verändert, jedoch sind sie anders als Varg im Wesentlichen gleichgeblieben, ohne dem Buch jetzt vorwerfen zu wollen, seine Protagonisten würden sich nicht weiterentwickeln.
Die Nebenfiguren hingegen bleiben größtenteils blass, aber auch hier kann ich dem Buch nicht viel mehr als insgesamt einen halben Stern abziehen, weil „Die Saga der Blutgeschworenen“ eben nicht hauptsächlich von seinen Figuren getragen wird sondern von der Welt an sich. Der Fokus liegt auf den Schlachten und auf den Wegen der drei Protagonisten – hätte der Autor auch die Nebenfiguren noch stärker beleuchtet, wäre „Nordnacht“ am Ende vermutlich entweder viel zu langatmig und zu sehr ohne roten Faden, oder so überladen mit Informationen, dass man der Handlung nicht mehr groß folgen kann.
Wenn ich also sonst immer sehr darauf achte, dass die Figuren gut ausgearbeitet und mehrdimensional sind, ist es hier sehr gut, dass sich der Autor auf die drei Protagonisten beschränkt hat.
Fazit:
„Nordnacht“ ist ein unglaublich starker Auftakt, der mit einigen wenigen Längen im Mittelteil und eher flachen Nebenfiguren zwar winzige Schwächen hat, der aber trotzdem im Gesamten einfach nur beeindruckt.
Vor allem die Komplexität der Welt, ihres Pantheons und ihres Magiesystems kann überzeugen – zusammen mit den drei Protagonisten schafft der Autor gerade in der zweiten Hälfte eine Plotdichte, die so hoch ist, dass man es beim Lesen kaum schafft, Luft zu holen.
Angesichts dieser Komplexität und auch der Brutalität der Schlachten würde ich „Die Saga der Blutgeschworenen“ jedoch weder High Fantasy-Einsteigern empfehlen noch Personen, die mit vielen blutigen Szenen nicht so gut klarkommen. Für mich war es ein wahres Wikinger-Fest und ich kann die Fortsetzung kaum erwarten!
4,5/5 Lesehasen.