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Veröffentlicht am 31.08.2021

Der vermeintliche Pechvogel

Das zweite Leben des Adolf Eichmann
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Schon wieder hat Adolf Eichmann Pech. Ausgerechnet an dem Tag, an dem der als Ricardo Klement untergetauchte Nazi seine Frau Vera nach mehreren Jahren in Argentinien in Empfang nehmen möchte, sind keine ...

Schon wieder hat Adolf Eichmann Pech. Ausgerechnet an dem Tag, an dem der als Ricardo Klement untergetauchte Nazi seine Frau Vera nach mehreren Jahren in Argentinien in Empfang nehmen möchte, sind keine Blumen zu bekommen. Die Deutsche ist ihrem Mann zusammen mit den Söhnen ins ausländische Versteck gefolgt. Doch wie lebt der ehemalige „Architekt des Holocaust“ nach seiner Flucht im Exil, der Mann ohne Reue, der für den Tod von Millionen Juden mitverantwortlich ist?

„Das zweite Leben des Adolf Eichmann“ ist ein Roman von Ariel Magnus.

Meine Meinung:
Der Roman besteht aus fünf Kapiteln. Erzählt wird mit mehreren Zeitsprüngen in chronologischer Reihenfolge aus der Sicht von Ricardo Klement alias Eichmann, allerdings sind zwischendurch immer wieder Rückblicke und Erinnerungen eingefügt. Die Handlung spielt ausschließlich in Argentinien und umfasst den Zeitraum 1952 bis 1960. Dieser Aufbau ist gut durchdacht.

Der Schreibstil ist für mich ein Manko des Romans. Sperrige, verschachtelte Satzkonstruktionen sind gepaart mit einem Beamtendeutsch. Die Dialoge sind eher kurz gehalten. Umso ausführlicher werden die gedanklichen Irrwege Eichmanns ausgeführt. Dadurch wird die Denkweise des Völkermörders zwar gut deutlich. Ein sprachliches Highlight stellt der Roman so aber nicht dar.

Inhaltlich wirft der Roman ein interessantes und wichtiges Licht auf das Leben und Denken nationalsozialistischer Massenmörder, insbesondere, aber nicht nur in Bezug auf Eichmann. Somit leistet das Buch einen Beitrag gegen das Vergessen der NS-Verbrechen und gegen Diskriminierung. Dennoch hat mich die Umsetzung nicht ganz überzeugt.

Gereizt hat mich an dem Buch, mehr über den berüchtigten Nazi zu erfahren. Tatsächlich kommt man beim Lesen der abstoßenden Innenwelt Eichmanns sehr nahe. Viel Raum nehmen seine menschenverachtenden und erschütternden Gedanken, Erinnerungen und Aussagen ein, die auch in der mehrfachen Wiederholung nichts von ihrem Grauen verlieren. Obwohl einiges schon vorher bekannt war, macht das den Roman zu einer schwer verdaulichen Lektüre. Schwer zu ertragen ist auch, wie unbehelligt die geflohenen Nazis im Exil leben und weiterhin ihre Kontakte pflegen konnten, ohne eine Auslieferung fürchten zu müssen.

Auf rund 210 Seiten ist jedoch verhältnismäßig wenig Handlung vorhanden. Einige Passagen sind recht kurzweilig gehalten, andere dagegen ziemlich zäh.

Der Erzähler gibt Eichmann immer wieder der Lächerlichkeit preis. Nicht nur seine Überzeugungen und Taten sind Gegenstands des Spotts. Auch sein Aussehen, angebliche sexuelle Vorlieben und ähnliche Dinge werden mit unverhohlenem Hohn thematisiert. In diesem Punkt ist der Autor etwas über das Ziel hinausgeschossen. Dies liegt wohl im abgrundtiefen Hass begründet, den die Familie Magnus gegenüber Eichmann empfindet. Im Nachwort „After Office“ erklärt der Autor die Beweggründe für das Buch. Demnach hat ihn sein Vater dazu inspiriert, über Adolf Eichmann zu recherchieren. Das Motiv, nämlich den bekannten Nazi „zur Fiktion zu verurteilen“, habe ich allerdings auch nach den Erläuterungen nicht ganz nachvollziehen können. Zu lesen ist auch, wie Magnus’ Großmutter im KZ auf Josef Mengele getroffen ist. Was im Roman auf wahren Begebenheiten beruht und was dichterische Freiheit ist, darüber lässt uns der Autor im Unklaren. Insgesamt gibt es für mich nach der Lektüre der persönlichen Worte von Ariel Magnus mehr offene Fragen als vorher.

Im zweiten Nachwort „Nach Jerusalem“ ist in knapper Form zu erfahren, wie es für Eichmann, seine Familie und die Nazikameraden weiterging. Interessant ist auch das ausführliche Quellenverzeichnis.

Das etwas künstlerisch anmutende Cover mit der reduzierten Farbgebung, in dem zwei Fotos Eichmanns miteinander kombiniert werden, gefällt mir sehr. Der deutsche Titel ist meiner Ansicht nach ein wenig irreführend, der spanische Originaltitel („El desafortunado“) die bessere Wahl.

Mein Fazit:
Mit „Das zweite Leben des Adolf Eichmann“ reiht sich Ariel Magnus in die Reihe derjenigen ein, die das wichtige Gedenken an die Opfer der NS-Verbrechen bewahren. Das Buch legt das abstoßende Gedankengut eines hochrangigen Nazis offen und klärt über das skandalöse Versteckspiel der Kriegsverbrecher im Ausland auf. Die Umsetzung des Romans konnte mich aber nicht in Gänze überzeugen.

Veröffentlicht am 28.07.2021

Ein Tag und eine Nacht

Weiße Nacht
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Zwei Jahre lang hat die ehemalige Schauspielerin Ayami Kim (28) als Assistentin in einem Hörtheater in Seoul gearbeitet. Nun ist dort die letzte Vorstellung durchgeführt worden und Ayami ist erneut arbeitslos. ...

Zwei Jahre lang hat die ehemalige Schauspielerin Ayami Kim (28) als Assistentin in einem Hörtheater in Seoul gearbeitet. Nun ist dort die letzte Vorstellung durchgeführt worden und Ayami ist erneut arbeitslos. Welchen Weg soll sie nun einschlagen?

„Weiße Nacht“ ist ein Roman von Bae Suah, der bereits 2013 in Korea und nun als erstes ihrer Bücher auf Deutsch erschienen ist.

Meine Meinung:
Der Roman besteht aus vier Kapiteln, wovon das letzte jedoch sehr kurz ist. Erzählt wird zunächst aus der Perspektive von Ayami, später auch aus einer weiteren Sichtweise. Die Handlung spielt ausschließlich in Seoul. Vordergründig umfasst sie einen Tag und eine Nacht. Allerdings gibt es immer wieder Sprünge nach vorne und zurück, sodass die Geschichte zeitlich schwer zu erfassen ist.

Der Schreibstil ist eindringlich, atmosphärisch dicht und sehr metaphorisch. Es gibt eine Menge ungewöhnlicher Vergleiche, die zwar kreativ, aber zum Teil auch sehr unsinnig und widersprüchlich wirken. Lange beschreibende Passagen wechseln sich mit ausführlichen Dialogen ab, die manchmal recht hölzern klingen.

Im Fokus der Geschichte steht Ayami, die ein wenig unnahbar und undurchsichtig bleibt. Bis zum Schluss konnte ich sie nicht richtig fassen. Zudem tauchen immer wieder bestimmte weitere Personen auf, deren Verbindungen und Bezüge sich erst nach und nach erschließen. So ergibt sich ein komplexes Geflecht an Charakteren. Alle Figuren machen auf mich jedoch einen seltsamen Eindruck.

Auch die Geschichte selbst ist recht merkwürdig. Das erste Kapitel ist wirr und nahezu unverständlich. Scheinbar zusammenhanglos reihen sich Passagen aneinander, wechselt die Szenerie immer wieder ohne Übergang. Ein aufmerksames Lesen lohnt sich. Trotzdem habe ich die Lektüre auf den ersten 70 von nur rund 160 Seiten als äußerst frustrierend empfunden. Dann allerdings werden Stück für Stück die unterschiedlichen Puzzleteile zusammengesetzt und es offenbart sich die geschickte Konstruktion des Romans. Am Ende ist vieles klarer, wobei es mir dennoch nicht gelungen ist, beim ersten Lesen alle losen Fäden miteinander zu verknüpfen.

Inhaltlich ist der Roman philosophisch angehaucht. Es geht um Träume, Geister, Halluzinationen, Liebe, Einsamkeit und einiges mehr. Ein häufig auftauchendes Motiv ist auch die Hitze.

Vor allem aber dreht sich der Roman um die verschwimmenden Grenzen zwischen Realität und Fiktion. Selbst Ayami kann nicht mehr differenzieren, was sie tatsächlich erlebt und was sie sich womöglich einbildet. Zudem beinhaltet das Buch eine Menge surrealer und fast schon fantastischer Elemente. Ein weiteres Stilmittel, um diese Effekte zu bewirken, sind die vielen Wiederholungen von Formulierungen. Diese Anleihen aus „Die blinde Eule“ von Sadeq Hedayat werden nicht verschleiert, sondern sogar betont. Darüber hinaus ist unverkennbar, dass die Autorin sich bei Kafka bedient hat, dessen Werke sie ins Koreanische übersetzt hat.

Obwohl mir die Vielschichtigkeit und Tiefgründigkeit des Romans imponiert, ließ er mich auch ein wenig ratlos und enttäuscht zurück. Alles in allem ist mir die Geschichte nämlich zu abgedreht und zu sehr drüber.

Der deutsche Titel ist nicht die beste Wahl. Das Cover finde ich jedoch absolut passend.

Mein Fazit:
„Weiße Nacht“ von Bae Suah ist ein merkwürdiger, vielschichtiger und ungewöhnlicher Roman, der auch Fans surrealer Literatur einiges zumutet. Raffiniert konstruiert, aber für meinen Geschmack etwas zu wirr und bizarr.

Veröffentlicht am 22.07.2021

Gedankenstrudel

Auszeit
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Im Herbst in einer kleinen Hütte in Bayern: Henriette, Anfang 30, nimmt sich zusammen mit einer Freundin, Paula, eine Auszeit in den Bergen. Die Doktorandin hat gerade eine Abtreibung hinter sich, die ...

Im Herbst in einer kleinen Hütte in Bayern: Henriette, Anfang 30, nimmt sich zusammen mit einer Freundin, Paula, eine Auszeit in den Bergen. Die Doktorandin hat gerade eine Abtreibung hinter sich, die sie in depressive Stimmung versetzt hat. Nun will sie zur Ruhe kommen und mit ihrer Dissertation vorankommen, an der sie schon sehr lange sitzt. Doch es verläuft nicht alles wie geplant...

„Auszeit“ ist der Debütroman von Hannah Lühmann.

Meine Meinung:
Der Roman besteht aus kurzen Kapiteln mit noch kürzeren Abschnitten. Erzählt wird im Präsens in der Ich-Perspektive aus der Sicht von Henriette. Immer wieder eingestreut sind Rückblicke. Dieser Aufbau funktioniert gut.

Eine Stärke des Romans ist seine Sprache. Der Schreibstil ist atmosphärisch dicht, intensiv und voll von gelungenen Bildern. Der Autorin schafft es, mit wenigen Worten viel zu transportieren.

Als Protagonistin steht Henriette im Fokus der Geschichte. Leider konnte ich keinen Zugang zu ihr finden, zumal sie wenig über sich als Person preisgibt, gleichzeitig aber sehr selbstbezogen ist. Ihre Freundin Paula nimmt ebenfalls eine wichtige Rolle ein und beansprucht für meinen Geschmack sogar ein wenig zu viel Raum auf den bloß rund 170 Seiten. Und dann gibt es da noch Tobias, einen verheirateten Mann und Vater eines Babys, der mich in mehrfacher Hinsicht abgestoßen hat. Alle drei Charaktere sind mir unsympathisch und blieben mir bis zum Schluss fremd. Ihr Verhalten ist nicht immer nachvollziehbar.

Inhaltlich hat mich die Geschichte ein wenig enttäuscht. Gereizt an der Lektüre hat mich das Thema Abtreibung. Dies tritt in weiten Teilen des Romans aber in den Hintergrund. Vor allem wird nicht deutlich genug herausgearbeitet, wieso die Protagonistin überhaupt abgetrieben hat. Stattdessen lesen wir einen großen Strudel an sonstigen Gedanken. Darin philosophiert die Protagonistin über eine Vielzahl an Dingen, wobei durchaus einige kluge Sätze dabei sind, die zum Nachdenken anregen. Allerdings haben mich etliche Passagen nicht überzeugt. Unter anderen haben mich die langen und irrelevanten Ausführungen zum Thema ihrer geplanten Dissertation, die Werwölfe, gestört.

Insgesamt ist der Roman besonders zu Beginn recht handlungsarm und gleitet in einem sehr gemächlichem Erzähltempo dahin. Erst als es etwa ab der Hälfte des Buches darum geht, wie es überhaupt zu der Schwangerschaft kam und was daraufhin passiert ist, konnte mich die Geschichte wirklich fesseln. Das Ende wiederum hat mich zwar überrascht, aber auch verwirrt und ratlos zurückgelassen. Es ist für mich nicht ganz stimmig.

Das Cover finde ich sowohl geschmackvoll als auch aufgrund des Baummotivs thematisch passend. Der prägnante Titel ist ebenfalls treffend.

Mein Fazit:
„Auszeit“ von Hannah Lühmann ist ein Roman, der mich sprachlich beeindruckt, aber inhaltlich meine Erwartungen nicht ganz erfüllt hat.

Veröffentlicht am 12.07.2021

Drei Männerschicksale

Die Stille des Meeres
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In Syrien war Farouk Alahad ein anerkannter Arzt. Doch der herannahende Krieg hat den 44-Jährigen aus der Heimat vertrieben. Auf der Flucht verliert er alles, auch seine Familie. Nun ist er in Irland gestrandet. ...

In Syrien war Farouk Alahad ein anerkannter Arzt. Doch der herannahende Krieg hat den 44-Jährigen aus der Heimat vertrieben. Auf der Flucht verliert er alles, auch seine Familie. Nun ist er in Irland gestrandet. Auch der 23-jährige Lawrence Shanley, genannt Lampy, hat Kummer: Seine Freundin hat ihn plötzlich verlassen und ist zum Studieren nach Dublin gezogen. Nach einem Leben voller Sünden ist auch John verzweifelt und hofft auf die Gnade Gottes. Etwas verbindet die drei Männer...

„Die Stille des Meeres“ ist ein Roman von Donal Ryan.

Meine Meinung:
Der Roman besteht aus vier Teilen. Die ersten drei Teile widmen sich jeweils einem anderen Protagonisten und sind nach diesen benannt, der vierte („Seeinseln“) führt diese Charaktere schließlich zusammen. Die Perspektive wechselt entsprechend. Dieser Aufbau erzeugt bis zum finalen Abschnitt den Eindruck, man lese einen Erzählband und keinen Roman, was mir leider nicht so gut gefallen hat.

Der Schreibstil ist anschaulich, aber wenig variantenreich im Ausdruck und von mit „und“ verbundenen Schachtelsätzen geprägt. Die verschiedenen Teile sind sprachlich auf die jeweiligen Protagonisten abgestimmt.

Drei männliche Protagonisten stehen im Vordergrund. Während Farouk schnell mein Mitgefühl hatte und seine Tragödie auf mein Interesse gestoßen ist, waren mir Lampy und John durchweg unsympathisch. Allerdings werden alle Hauptcharaktere mit psychologischer Tiefe und durchweg realitätsnah dargestellt. Frauen spielen leider nur Nebenrollen.

Aus inhaltlicher Sicht ist die Geschichte erstaunlich tiefgründig und facettenreich. Es gibt ein Potpourri an interessanten Themen wie Flucht, Betrug, Verlust, Trauer, Orientierungslosigkeit und einige mehr, die ich nicht vorwegnehmen möchte. Der Roman zeigt eine Bandbreite menschlicher Schicksale und ihre Verstrickungen auf. Er stellt dar, wie das Leben des einen mit dem vieler anderer zusammenhängt und wie sich eigene Entscheidungen auf andere auswirken können, die man selbst mitunter gar nicht kennt.

Der Roman beginnt sehr stark mit Farouks Geschichte, die mich gleichermaßen fesseln als auch emotional bewegen kann. Dann fällt der Roman in meinen Augen qualitativ ab. Der gesamte Mittelteil hat mich stellenweise gelangweilt, stellenweise abgestoßen. Erst zum Schluss wird das Lesen wieder zum Genuss. Dann nimmt das Geschehen merklich an Fahrt auf und es werden komplexe Verbindungen und Bezüge hergestellt, die mit überraschenden Wendungen einhergehen. Dieser Abschnitt hätte für meinen Geschmack gerne ausführlicher sein dürfen.

Der deutsche Titel weicht ein wenig vom irischen Original („From a Low and Quiet Sea“) ab. Allerdings erschließen sich mir beide Formulierungen nicht so ganz in Bezug auf den Inhalt des Romans, weil das Meer nur im ersten Teil eine größere Bedeutung hat. Dementsprechend finde ich das verlagstypische Cover zwar hübsch, aber nur hinsichtlich des Titels passend.

Mein Fazit:
Mit „Die Stille des Meeres“ legt Donal Ryan einen Roman vor, der seine Stärken zu Beginn und zum Ende voll ausspielt und mich überraschen konnte. Aufgrund des langatmigen Mittelteils hat mich die Geschichte insgesamt aber enttäuscht, so dass ich sie nur bedingt weiterempfehlen kann.

Veröffentlicht am 05.07.2021

In der Schlangengrube

Die Skrupellosen
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In ihrem Job als Psychotherapeutin fühlt sich die unscheinbare Beatrice wohl. Mit ihrem 30-jährigen Mann Daniel Durrant, einem Immobilienmakler, lebt sie in einer kleinen Wohnung in London. Doch nun brauchen ...

In ihrem Job als Psychotherapeutin fühlt sich die unscheinbare Beatrice wohl. Mit ihrem 30-jährigen Mann Daniel Durrant, einem Immobilienmakler, lebt sie in einer kleinen Wohnung in London. Doch nun brauchen Bea und Dan eine Auszeit. Sie entschließen sich, eine Reise durch Europa zu machen, und statten Alex Adamson, Beas Bruder, in Frankreich gleich zu Beginn einen Besuch ab. Obwohl das Hotel des labilen 37-Jährigen ziemlich heruntergekommen ist, kommt Dan allmählich dahinter, dass Beas Vater, ein großer Bauunternehmer, reicher ist als angenommen. Und dann stirbt Alex plötzlich auf mysteriöse Weise. Was ist passiert? In welche Schlangengrube sind Bea und Dan geraten? Und welche Geheimnisse hat die Familie Adamson noch zu verbergen?

„Die Skrupellosen“ ist ein Roman von Sadie Jones.

Meine Meinung:
Der Roman umfasst vier Teile, die wiederum aus 31 Kapiteln bestehen. Erzählt wird in chronologischer Reihenfolge aus der Sicht von Bea und Dan. Die Handlung spielt einerseits in England und andererseits in Frankreich. Der Aufbau funktioniert gut.

Der Schreibstil ist sehr dialoglastig und geprägt von vielen Metaphern, die ich allerdings nicht alle als gelungen empfunden habe. Das Erzähltempo beginnt sehr langsam.

Sympathieträger sucht man in dieser Geschichte vergebens, zumindest was die Protagonisten angeht. Weder mit Bea noch mit Dan wurde ich warm. Ihre Verhaltensweisen sind mir fremd und in Teilen wenig nachvollziehbar. Allerdings sind sie in psychologischer Hinsicht sorgfältig ausgestaltet, was man von den klischeehaften Nebenfiguren nicht behaupten kann.

Inhaltlich bietet der Roman eine interessante Themenmischung. Am offensichtlichsten ist der Aspekt des Geldes: sein Einfluss, seine Verführungskraft und seine negativen Seiten. Im Zentrum steht die Frage, was Geld mit den Menschen macht und ob es über die Moral siegen sollte. In diesem Punkt setzt die Geschichte gesellschaftskritische Denkanstöße. In den Vordergrund sind außerdem das System einer dysfunktionalen Familie, deren Geheimnisse und die Problematik jahrelangen Verschweigens gerückt. Darüber hinaus tun sich weitere Themen auf, die ich an dieser Stelle nicht vorwegnehmen möchte. Alles in allem ist die Geschichte erstaunlich facettenreich und durchaus tiefgründig.

Den Anfang des mehr als 450 Seiten umfassenden Romans habe ich als recht zäh empfunden. Auch zwischendurch gibt es immer wieder einige Längen. Über etliche Seiten dümpelt die Geschichte vor sich hin, obwohl der Tod Alex’ durchaus viel Potenzial für Dramatik und Nervenkitzel bieten könnte. Erst in der zweiten Hälfte konnte mich der Roman fesseln.

Der vierte Teil, in dem die Genregrenzen gänzlich verschwimmen, will nicht so recht zum restlichen Charakter des Buches passen. Die Autorin versteht es zwar, in diesem Abschnitt Spannung aufzubauen und mit einer Wendung zu überraschen. Leider wirken die letzten Kapitel aber nicht ganz schlüssig. Zudem werden nicht mehr alle losen Fäden aufgenommen.

Der Titel weicht stark von der englischsprachigen Originalformulierung („The Snakes“) ab, die ich wegen seiner Doppeldeutigkeit lieber mag. Das deutsche Cover finde ich jedoch aussagekräftiger als die englische Erstausgabe.

Mein Fazit:
Trotz vieler guter Ansätze hat mich Sadie Jones mit „Die Skrupellosen“ nicht überzeugt. Der Roman ist in Teilen durchaus unterhaltsam und lesenswert, in anderen Teilen aber zu langatmig und zu wenig nachvollziehbar.