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Veröffentlicht am 03.08.2021

Kein blutiger Thriller, aber subtile Spannung bis zum Schluss

Eine perfekte Ehe
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Worum geht’s?
Als Amanda ermordet wird, wird ihr Ehemann Zach als vermutlicher Täter ins Gefängnis gesperrt. Er wendet sich an seine ehemalige Studienfreundin Lizzie, die ihn vertreten soll. Zunächst scheint ...

Worum geht’s?
Als Amanda ermordet wird, wird ihr Ehemann Zach als vermutlicher Täter ins Gefängnis gesperrt. Er wendet sich an seine ehemalige Studienfreundin Lizzie, die ihn vertreten soll. Zunächst scheint alles klar zu sein, doch als Lizzie etwas tiefer gräbt, kommt die Wahrheit hinter Zachs uns Amandas Ehe ans Licht. Und nicht nur das ihrer Ehe.

Meine Meinung:
Das Buch ist anders, als ich es erwartet hätte. Normalerweise kann ein Thriller für mich nicht blutig und grausam genug sein, um das nötige Gänsehaut-Feeling zu bekommen. Aber hier fängt es sehr ruhig an. Dennoch ist von Anfang an eine unterschwellige Spannung spürbar, die sich im Laufe des Buches immer mehr aufbaut. Was am Anfang noch still und ruhig und normal wirkt, entwickelt sich bald zu einem Wirrwarr an Fäden, das am Ende von der Autorin gekonnt zu einem großen Ganzen entwirrt wird.

Die Autorin erzählt aus der Sicht von Amanda und Lizzie; zudem bekommen wir, was mir sehr gut gefallen hat, immer wieder Gerichtsprotokolle und Protokolle einer Sicherheitsfirma zu lesen. Amanda erleben wir in der Woche vor dem Tag der Party, an dem sie ermordet wurde. Sie wirkt zunächst unscheinbar, ja fast devot. Eine Frau, die alles für ihren Mann tut. Das perfekte Beiwerk ist. Doch dann lernen wir sie besser kennen und es kommen Dinge ans Licht, die erschrecken und für mich absolut unvorhersehbar waren. Auf der anderen Seite erleben wir Lizzie, die Rechtsanwältin und ehemalige Kommilitonin von Zach. Sie ist zielstrebig, fokussiert und fixiert und außerdem die Frau, die Zach damals als perfekte Frau an seiner Seite gesehen hätte. Er war für sie jedoch immer nur ein Freund. Auch sie hat ein Geheimnis und einen Ehemann, mit dem das Leben nicht ganz so einfach ist, wie man es sich wünschen würde. So wirklich sympathisch war mir ehrlich gesagt keiner der Protagonisten, dennoch waren die Charaktere gelungen und hatten alle für sich interessante Eigenheiten.

Auch der Aufbau der Story gefiel mir gut. Ich war die ganze Zeit am Miträtseln, wer wohl der Täter ist. Wurde mehrmals auf falsche Spuren geführt und das Ende hätte ich so nie erwartet. Ebenso die Ehepaare, mit denen wir es zu tun hatten. Am Anfang wirkte alles so perfekt und erschien wie eine heile Welt. Bis das Buch ab dem 2. Drittel so richtig an Fahrt aufnahm und uns gezeigt hat, was hinter dieser Fassade wirklich versteckt war. Das und die vielen überraschenden Wendungen haben mir besonders gut gefallen. Und auch die Auflösung war für mich stimmig und ich wurde von dem Buch wirklich gut unterhalten.

Fazit:
Obwohl der Thriller ruhig anfängt, ist doch von Anfang an eine Spannung da, die sich ab dem 2. Drittel immer mehr steigert. Was anfangs eine heile Welt ist, entwickelt sich zu einem Sodom und Gomorrha. Die Autorin legt gekonnt falsche Fährten. Es ist verwirrend, spannend und wird zum Ende hin nochmal richtig rasant und das eigentliche Ende hätte ich so nicht kommen sehen.

4 Sterne von mir für diesen subtilen aber dennoch raffinierten Thriller!

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Veröffentlicht am 01.08.2021

Ein spannender und gelungener Einstieg in eine neue Thrillerserie

Leichenblume
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Worum geht’s?
Eine seit Jahren verschwundene Mörderin nimmt per Brief Kontakt zu der Journalistin Heloise Kaldan auf. Die Briefe scheinen verworren und behaupten, dass eine Verbindung zwischen Heloise ...

Worum geht’s?
Eine seit Jahren verschwundene Mörderin nimmt per Brief Kontakt zu der Journalistin Heloise Kaldan auf. Die Briefe scheinen verworren und behaupten, dass eine Verbindung zwischen Heloise und der Mörderin besteht. Daher beginnt Heloise auf eigene Faust zu ermitteln und greift unabsichtlich in ein Wespennest, das niemand vermutet hätte.

Meine Meinung:
Dieses Buch ist ein wirklich gelungener Einstieg in eine neue Thrillerserie. Es ist der erste Fall für die Journalistin Heloise Kaldan und Hauptkommissar Erik Schäfer. Das Buch beginnt geheimnisvoll. Die Autorin wirft und gezielt einzelne Brocken hin, die nach und nach das gesamte Bild ergeben. Es beginnt mit einem alten Mord und endet in einem Sumpf des Verbrechens, den man am Anfang nicht hat kommen sehen! Die Schriftsprache ist genial. Mitreißend. Das Buch ist ein absoluter Page-Turner, nur am Ende hätte ich mir für eine Thriller doch etwas mehr Spannung gewünscht, hier war alles fast zu schnell und zu einfach vorbei.

Heloise ist ein spannender Charakter. Investigativjournalistin, schwierige Vergangenheit. Eigentlich typisch für die Protagonisten in Thrillern und dennoch auch wieder anders. Wir lernen sie hier noch nicht ganz so gut kennen, erfahren lediglich ein bisschen über sie. Aber ich mag sie ganz gerne. Sie wohnt fast neben ihrer besten Freundin Greta, die sie kennt, seit sie beide klein sind und die zugleich die Person ist, die am meisten über Heloise weiß. Dann gibt es noch den Hauptkommissar Erik Schäfer, ein etwas übergewichtiger Mann, der sich ungesund ernährt und zu viel raucht, aber auch er gefällt mir als Charakter ganz gut. Zusammen mit seiner Kollegin Lisa Augustin, die auf Frauen steht und wohl eine wirkliche Weiberheldin ist, aber auch sie mochte ich auf Anhieb. Sie war es auch, die die entsprechende Verknüpfung zwischen Heloise und der Mörderin fand.

Der Fall selbst ist sehr gut aufgebaut. Es beginnt relativ langsam mit vielen unterschiedlichen Spuren und Rückblicken. Aber nach und nach zieht das Tempo an. Immer mehr Türen werden für uns LeserInnen geöffnet, bis wir schließlich das große Ganze erkennen und uns wiederfinden nicht nur in einem alten Mordfall, sondern sogar noch weiter zurück. Der Fall hat Spuren nicht nur in Heloises Vergangenheit hinterlassen, die ihr Leben geprägt haben, sondern auch in dem Leben von Anna. Wir ermitteln gemeinsam mit Heloise in Paris, in Kopenhagen und es geht hinein bis in die angesehensten Familien und nimmt fast schon mafiöse Züge an. Zeugen, die verschwinden. Reporter, die bedroht werden. Nur das Ende, da hätte ich mir einen etwas größeren Knall gewünscht. Es war das perfekte Ende, jedoch leider ein sehr leises Ende.

Fazit:
Mit ihrem Buch hat die Autorin den perfekten Auftakt zu der Thriller-Serie um Heloise Kaldan, der Investigativjournalistin, und Erik Schäfer, den Hauptkommissar gesetzt. Wir haben die einzelnen Charaktere kennengelernt, die teilweise typisch für dieses Genre waren, aber dennoch ihre liebenswerten Eigenheiten hatten, die sie sympathisch gemacht haben. Der Fall war mitreißend, die einzelnen Ermittlungsstränge sind logisch und perfekt zusammengelaufen und es war undurchsichtig und spannend bis zum Schluss. Nur ganz am Ende hätte mich mir doch etwas mehr Furore gewünscht!

Daher sehr gute 4 Punkte für diesen genialen Einstieg und ich freue mich schon sehr auf den zweiten Teil!

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Veröffentlicht am 30.07.2021

Ein Alptraum der Vergangenheit, der dich bis in die Gegenwart verfolgt

Sag mir, wer ich bin
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Worum geht’s?
Sally ist 16, als sie in Paris in einem Krankenhaus aufwacht. Brutal zusammengeschlagen mit nur bruchstückhaften Erinnerungen. Auch Jahre später noch wird sie von dem damaligen Erlebnis verfolgt. ...

Worum geht’s?
Sally ist 16, als sie in Paris in einem Krankenhaus aufwacht. Brutal zusammengeschlagen mit nur bruchstückhaften Erinnerungen. Auch Jahre später noch wird sie von dem damaligen Erlebnis verfolgt. Sie traut niemandem über den Weg. Als sie auf eine Party geht, glaubt sie den Mann zu erkennen, der ihr damals alles angetan hat und der nun gekommen ist, um sie zu töten.

Meine Meinung:
Das Buch ist nicht nur ein Roman, sondern es beschreibt auch auf so anschauliche und erschreckende Weise wie sich die Psyche eines Menschen, sein Verhalten, entwickeln kann, der eine fast Vergewaltigung durchgemacht hat und beinahe an den Folgen der Gewalteinwirkung gestorben ist. Und am Ende haben wir es noch fast mit einem Psychothriller zu tun. Die Autorin hat m.E. wirklich sehr gut recherchiert, bis auf wenige Ungereimtheiten ist es komplett glaubhaft, authentisch und unheimlich schockierend!

In dem Roman geht es hauptsächlich um Sally, die nicht nur in ihrer Jugendzeit, sondern auch bereits in der Kindheit Erlebnisse hatte, die sie geprägt haben. Die sie zu einem Opfertypen gemacht haben, wie sie selbst sagt. Das Kennenlernen der Protagonistin mit dem Aufwachen im Krankenhaus, als sie selbst nicht weiß, wer sie ist, ist grandios dargestellt, man ist richtig in Sally hineinversetzt. Dann ihre weitere Entwicklung, wie sie ihren Mann kennenlernt und später den Mann, von dem sie glaubt, dass er ihr das alles angetan hat. Wie sie versucht, zu funktionieren. Normal zu sein. Bis ihr am Ende alles über dem Kopf zusammenbricht. Am sympathischsten ist mir ihr Mann, Carson. Er ist so empathisch, gibt sich Mühe, ist rücksichtsvoll, zurückhalten, versucht immer zur rechten Zeit das Richtige zu tun. Hat eine Engelsgeduld. Und er tut mir auch am meisten leid. Und nicht nur er, auch Philippe; seine Entwicklung finde ich besonders erschreckend. Was das Verhalten von Menschen aus anderen Menschen machen kann. Wobei für mich hier auch die größten Widersprüche in der Geschichte liegen. Die plötzliche Offenheit und Ruhe, das kann ich mir hier nicht ganz erklären, aber lest selbst.

Auch das Ende hat mich mitgerissen. Ein bisschen war ich, obwohl es vom Inhalt her schon anders ist, an den Film „Der Feind in meinem Bett“ erinnert. Anfangs habe ich mit Sally mitgefiebert, wollte ihr helfen, wollte, dass es ihr gut geht. Dass sie normal leben kann. Und am Ende war ich einfach gefesselt von der Wendung, die die Geschichte nimmt. Plötzlich ist alles rasant und erschreckend, ein wahrer Psychothriller. Jedes mögliche gute oder auch schreckliche Ende war denkbar! Ein wirklich gut recherchiertes Buch, das mich auf erschreckende Weise begeistert hat. Das hinter die Kulissen blickt und zeigt, wie Ereignisse Menschen verändern können.

Fazit:
Mich hat das Buch absolut begeistert. Von der Entwicklung von Sally über ihre Kindheit, ihre Jugend in Paris bis hin zu einer erwachsenen Frau hat die Autorin absolut glaubhaft und realistisch gezeigt, wie stark grauenhafte Ereignisse das Leben und Sein eines Menschen beeinflussen können. Es war erschreckend und dennoch packend. Ich konnte nicht aufhören zu Lesen. Und obwohl es ein Roman ist, hat es fast wie ein Psychothriller geendet und ich habe auf den letzten Seiten wirklich den Atem angehalten. Bis auf wenige Ungereimtheiten in Bezug auf Sallys Verhalten zu Philippe ein Buch, das mich gebannt hat und mitgerissen hat und einfach absolut genial ist!

4 Sterne von mir für diesen spannenden Einblick in die menschliche Psyche!

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Veröffentlicht am 28.07.2021

Liebevoll und amüsant – die Missverständnisse zwischen Mann und Frau

Die Zeit der Kirschen
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Worum geht’s?
Aurélie ist Inhaberin des Restaurant Le Temps des Cerises und bekommt am Valentinstag einen Stern verliehen. Das vereitelt ihrem Freund André das Vorhaben, sie mit einem Heiratsantrag zu ...

Worum geht’s?
Aurélie ist Inhaberin des Restaurant Le Temps des Cerises und bekommt am Valentinstag einen Stern verliehen. Das vereitelt ihrem Freund André das Vorhaben, sie mit einem Heiratsantrag zu überraschen. Kurz darauf stellt sich heraus, dass der Stern eigentlich an Jean-Marie Marronier verliehen werden sollte. Er ruft sie an und macht sich über Aurélie lustig, die in seinen Augen nur eine einfache Bistro-Köchin ist. Doch dann lernen sich die beiden kennen und André, der von bei Frauen beliebte Lektor und Autor muss um Aurélies Liebe kämpfen.

Meine Meinung:
Was vom Thema her kitschig hätte sein können, war einfach nur liebevoll und bezaubernd. Der Autor nutzt gekonnt den derzeit angesagten Erzählstil aus der Sicht der unterschiedlichen Protagonisten, um auf amüsante Weise die Missverständnisse zwischen Mann und Frau, hier André und Aurélie, darzustellen. Zwischendurch lässt er die Personen auch aus der Sicht eines Erzählers sprechen, was das Ganze noch bildhafter und lebendiger wirken lässt und mehr als einmal habe ich über die Kommentare des Erzählers geschmunzelt.

Aurélie ist ein total liebenswerter Mensch. Mit ihrem kleinen Lokal, das ihr so viel bedeutet, ihrer Liebe zu André, ihrer Freundin Bernadette. Ich glaube, jede Frau wäre gerne wie sie oder hätte sie zur Freundin. Ihr scheint einfach alles zu gelingen, sie ist hübsch, empathisch, einfach ein herzensguter Mensch. Und André hat in ihr seine große Liebe gefunden. André, der unter dem Pseudonym Miller Liebesromane schreibt und dem die Frauen zu Füßen liegen. Und der das durchaus zu genießen weiß. Bis Jean-Marie auftaucht, der Sternekoch mit seiner eindrucksvollen Manoir. Und auch ein Auge auf Aurélie wirft. Und hieraus entspinnt der Autor so viele witzige, verwirrende und verfängliche Situationen und Gespräche, die einfach nur schön zu Lesen sind. Dadurch, dass wir sowohl die Sicht von Aurélie als auch von André sehen, erleben wir auch mit, wie die beiden jeweils die Aussagen der anderen sehen und man kann oftmals nur den Kopf schütteln, wie schwer es sich die beiden machen, wobei alles doch so einfach ist und beide sich einfach nur lieben. Und durch die aus Eifersucht entstandenen Missverständnisse kommt es zwischen den beiden zu einem großen und unnötigen Streit.

Und das alles vor der schönen Kulisse von Paris und dem Umland. Der Autor nimmt jedes noch so kleine Detail mit in die Erzählung auf. Die anderen Charaktere wirken so authentisch, wie man sich immer Paris vorstellt. Nicolas Barreau schafft es, dass man das ganze Flair fühlt, die Geräusche, die Gerüche. Bei Lesen hatten die Protagonisten in meinem Kopf einen französischen Dialekt und auch die Geschichte selbst war lustig, romantisch und emotional bis zum Schluss. Eine wirklich gelungene Fortsetzung von „Das Lächeln der Frauen“, bei dem nur anfangs etwas viel aus dem ersten Buch mit eingeflossen ist.

Fazit:
Der Autor wirft seine LeserInnen mit dem zweiten Band um Aurélie und André direkt hinein in das lebendige, schicke Paris mit seinen Gerüchen, Gefühlen, dem ganzen Flair und nimmt uns mit auf eine Reise der Emotionen. Am Anfang ist etwas sehr ausführlich nochmal auf den ersten Band Bezug genommen, aber dann sind wir direkt drin in der Fortsetzung und bis zum Ende fiebern wir mit, bei jedem Missverständnis, jedem Streit und jeder Versöhnung.

4 Sterne für dieses wunderschöne und romantische Buch!

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Veröffentlicht am 15.07.2021

Pragmatisch, philosophisch und intensiv – ein etwas anderer Roman

Auszeit
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Worum geht’s?
Henriette nimmt sich gemeinsam mit ihrer Freundin Paula eine Auszeit auf einer einsamen Hütte im Wald. Henriette trauert und ist an einem Punkt im Leben, an dem sie nicht weiß, wo sie herkommt ...

Worum geht’s?
Henriette nimmt sich gemeinsam mit ihrer Freundin Paula eine Auszeit auf einer einsamen Hütte im Wald. Henriette trauert und ist an einem Punkt im Leben, an dem sie nicht weiß, wo sie herkommt und wohin sie möchte. Mit diesem Ausflug versucht Paula, ihr wieder eine Zukunft aufzuzeigen.

Meine Meinung:
„Auszeit“ von Hannah Lühmann ist das Debüt der Autorin und ein etwas anderer Roman. Er ist sehr ruhig, eine Aneinanderreihung von aktuellen Geschehnissen und Gedankenfetzen, die sich aber sinnvoll ergänzen. Mit ihrem Roman möchte die Autorin die Träume und Ängste der Generation, ihrer Generation der 1980er Jahre darstellen. Und das gelingt ihr auch sehr gut. Die einzelnen Abschnitte, die oft wie Gedankensprünge wirken, sind zwar an sich wenig aufregend, dafür bringen sie die LeserInnen jedoch dazu, sich unterbewusst mit dem Thema zu beschäftigen. Die Gedanken schweifen automatisch ab, vergleichen, verbinden und ergänzen. Und die Autorin schafft es auf eine ganz außergewöhnliche und beeindruckende Art, die Ängste und die Verzweiflung ihrer Protagonisten zu den LeserInnen zu transportieren. Die innere Zerrissenheit, das Gefühl, ohne Halt und Ziel zu sein.

Dies schafft sie hauptsächlich, indem sie uns Henriette vorstellt, die irgendwie in ihrem Studentenleben hängengeblieben ist und immer noch an ihrer Dissertation über Werwölfe schreibt. Henriette scheint irgendwann einfach aufgegeben zu haben und nur noch vor sich hinzuvegetieren. Sie wirkt antriebslos und haltlos. Man kann ihren Wunsch, eine Regelmäßigkeit in ihrem Leben zu finden, ein Ziel, richtiggehend spüren. Aber dennoch kann sie sich nicht überwinden, etwas aktiv zu ändern. Anders als ihre Freundin Paula, der scheinbar alles zu gelingen scheint. Es ist schön, eine Freundin wie Paula zu haben, die für einen da ist, weiß, was man braucht und sich selbstlos kümmert. Die etwas verschroben scheint mit ihrem Yoga und Reiki, aber ein herzensguter Mensch.

Besonders gut gefällt mir, wie Hannah Lühmann auch die Stimmungsschwankungen rüberbringt. Die Hochphasen, die Henriette hat und ihre Tiefs, die fast schon Depressionen sind. Man kann ihre Stimmungen richtiggehend fühlen. Ich denke, jeder kommt mal einen Punkt, an dem er oder sie sich fragt, was man anders machen könnte oder anders hätte machen müssen. Ob man da ist, wo man im Leben sein möchte. Bei Henriette scheint das ganze Leben eine solche Frage zu sein. Sie hat mir fast ein bisschen leidgetan. Und ich bin froh über die Briefe zwischen Paula und Henriette, die am Ende des Buches sind. Warum? Das müsst ihr schon selbst herausfinden!

Fazit:
Mit ihrem Romandebüt „Auszeit“ hat Hannah Lühmann ein außergewöhnliches und intensives Buch geschrieben. Ein Buch, in dem nicht viel passiert und das dennoch unheimlich intensiv ist. Henriette, deren Stimmungen man fühlen und mitfühlen kann. Ihre Verzweiflung, ihre Haltlosigkeit, ihr Wunsch, ein Ziel im Leben zu finden. Henriette, die die Generation der Autorin wiederspiegelt. Einer Generation, die alles hat, aber dennoch nicht glücklich ist. Ich bin froh, dass das nicht auf alle Menschen der 1980er zutrifft, aber es war ein interessantes Jahrzehnt. Und das Buch hat mich zum Nachdenken gebracht. Und wird mich gedanklich noch eine Weile weiterbeschäftigen.

4 Punkte für ein wirklich gelungenes, philosophisches Debüt!

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