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Veröffentlicht am 29.07.2021

"Sei kein Gefangener deiner Vergangenheit. Werde zum Architekten deiner Zukunft." (Robin Sharma)

Im Schatten der Holunderblüte
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Hochzeitsfotografin Libby McKenzie hat eine lange persönliche Durststrecke überstanden und in New Jersey endlich beruflich Fuß gefasst. Bei einem Hochzeitsfotoshooting auf Gut Woodmont, das Libby schon ...

Hochzeitsfotografin Libby McKenzie hat eine lange persönliche Durststrecke überstanden und in New Jersey endlich beruflich Fuß gefasst. Bei einem Hochzeitsfotoshooting auf Gut Woodmont, das Libby schon seit ihrer Kindheit kennt, wird ihr von der Gutsbesitzerin Elaine Grant das Angebot gemacht, die durch den Verwalter Colton Reese durchgeführte Restaurierung der Gärten mit ihrer Kamera zu begleiten und abzulichten. Der Auftrag kommt Libby gerade recht, denn sie hat noch sehr an den Erinnerungen aus ihrer Vergangenheit zu knabbern. Vor allem das alte Gewächshaus von Elaines Großmutter Olivia hat es Libby angetan, das seit mehr als 30 Jahren nicht zugänglich war. Gemeinsam mit Colton taucht Libby in die Vergangenheit des Anwesens ein und setzt nach und nach ein Puzzle von gut gehüteten Geheimnissen zusammen, die auch Einfluss auf Libbys Leben haben…
Mary Ellen Taylor hat mit „Im Schatten der Holunderblüte“ einen unterhaltsamen Roman über unterschiedliche Zeitebenen vorgelegt, der den Leser von der ersten Seite an in den Bann zieht. Der flüssige, farbenfrohe und gefühlvolle Erzählstil lässt den Leser sofort an Libbys Seite gleiten, um ihre eigene Geschichte und ihre Erlebnisse hautnah mitverfolgen zu können. Libby, deren Vater vor kurzem verstarb, wurde als Kind adoptiert und zieht nach ihrer Scheidung in ihr Elternhaus zurück, doch ihre schicksalsträchtige Vergangenheit kann sie nicht einfach so abstreifen wie einen Handschuh. Der Auftrag auf Gut Woodmont verspricht Abwechslung und Ablenkung von tiefschürfenden Gedanken. Die Autorin malt mit ihren Worten einen verwunschenen, geheimnisträchtigen Ort, der vor dem inneren Auge des Lesers lebendig wird. Diese Lebendigkeit überträgt sich auch auf Libby, die nicht nur durch die Bekanntschaft mit Colton aufblüht, sondern sich mit Elan auf Entdeckung der Geheimnisse dieses Ortes macht. Über wechselnde Zeitschienen erlebt der Leser mal die Gegenwart um Libby, mal die Vergangenheit um Olivia und Sadie in den 40er Jahren des letzten Jahrhunderts während des zweiten Weltkrieges. Je mehr Puzzleteile des Geheimnisses ans Licht kommen, umso mehr erkennt der Leser, wie das Leben der Frauen miteinander verknüpft ist. Die Geschichte ist zu keinem Zeitpunkt vorhersehbar, so dass die Spannung durchgängig gegeben ist und der Leser das Buch kaum aus der Hand legen kann, während er immer wieder durch eine Achterbahn der Gefühle gejagt wird.
Die Charaktere sind liebevoll in Szene gesetzt und bestechen mit glaubwürdigen menschlichen Eigenschaften, so dass der Leser sich schnell in ihrer Mitte wohlfühlt und mit ihnen fiebert. Libby ist eine Frau, die schon so einiges in ihrem Leben erlebt, doch nie aufgegeben hat. Sie ist ein eher vorsichtiger Mensch, der lieber nach vorn als zurück blickt, doch muss sie erst ihre Vergangenheit aufarbeiten, um der Zukunft entgegen zu sehen. Trotz vieler Niederschläge hat sie sich ihre Neugier und ihre Begeisterung bewahrt. Colton ist ein einfühlsamer, sympathischer Zeitgenosse mit Visionen. Aber auch Elaine, Olivia, Sadie und weitere Protagonisten spielen wichtige Rollen bei der Offenlegung des alten Familiengeheimnisses.
„Im Schatten der Holunderblüte“ ist ein unterhaltsamer Roman, der den Leser abwechselnd in die Gegenwart und die Vergangenheit entführt. Spannung gepaart mit vielen Emotionen, ein altes Familiengeheimnis vor wunderschöner Kulisse sowie die Suche nach sich selbst bieten ein kurzweiliges Lesevergnügen, dass eine verdiente Leseempfehlung verdient!

Veröffentlicht am 18.07.2021

"Ich liebe das Meer wie meine Seele, denn das Meer ist meine Seele." (Heinrich Heine)

Ein Zimmer über dem Meer
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Ein Flugzeugabsturz raubt der 25-jährigen Kim ihren Verlobten Jack und lässt sie in ein tiefes Loch fallen. Sie hat keinen Lebensmut mehr und reist nach Cornwall in die Nähe des Unglücksortes, um dort ...

Ein Flugzeugabsturz raubt der 25-jährigen Kim ihren Verlobten Jack und lässt sie in ein tiefes Loch fallen. Sie hat keinen Lebensmut mehr und reist nach Cornwall in die Nähe des Unglücksortes, um dort an den Klippen Jack nahe zu sein. Das Schicksal lässt sie den Weg der 86-jährigen Janet kreuzen, die sich um Kim kümmert und in ihr Cottage mitnimmt, wo sie die junge Frau bittet, einige Zeit bei ihr zu bleiben. Janet händigt Kim ein sehr altes Tagebuch aus ihrem Familienbesitz aus, aus dem Kim die Geschichte der taubstummen Leandra Simmons erfährt, die ebenfalls vom Schicksal gebeutelt wurde und doch ihr Glück fand. Wird Kim aus der alten Geschichte neuen Mut schöpfen?
Corina Bomann hat mit „Ein Zimmer über dem Meer“ einen unterhaltsamen Roman vorgelegt, der über unterschiedliche Zeitebenen das berührende Schicksal zweier Frauen in den Vordergrund stellt. Mit flüssig-leichtem, bildhaftem und gefühlvollem Erzählstil wird der Leser an die Seite von Kim gestellt, wo er nicht ihre Gefühls- und Gedankenwelt sowie ihren großen Verlust kennenlernt, sondern auch auf Reisen geht, um die schicksalsträchtigen Erfahrungen zu verarbeiten, damit sie gestärkt wieder am Leben teilhaben kann. Bomann hat nicht nur ein Händchen dafür, die Landschaft Cornwalls so farbenfroh zu beschreiben, dass man diese während der Lektüre vor dem inneren Auge vorbeiziehen sieht. Auch die zwischenmenschlichen Beziehungen sind sehr empathisch und gefühlvoll umgesetzt, so dass sich für den Leser alles gut nachvollziehen lässt und sich in die Protagonistinnen hineinversetzen kann. Dabei offenbart sich so manches Gefühlsbarometer. Die Handlung erstreckt sich über zwei Zeitebenen, wobei der eine die Gegenwart rund um Kim wiederspiegelt, während der andere 200 Jahre in der Vergangenheit das Schicksal der taubstummen Leandra offenbart. Während Kim durch die alte Janet gerettet und umsorgt wird, ist es bei Leandra ein Leuchtturmwärter, der ihr zum Schicksal wird. Beide Frauen, obwohl durch Jahrhunderte getrennt, haben den Lebensmut verloren und erleben durch Begegnungen eine Wende, die sie verändert. Auch wenn die Handlung manchmal offensichtlich ist, schafft es Bomann, mit geschickt eingestreuten Wendungen der Geschichte Spannung zu verleihen.
Ihren Charakteren hat Bomann mit glaubhaften Ecken und Kanten Leben eingehaucht, wodurch sie den Leser an sich ziehen, ihn nahe an sich heranlassen und er so mit ihnen einiges durchmacht. Kim ist nicht nur verzweifelt und fühlt sich allein, sondern hat ihren Lebensmut verloren. Sie braucht jemanden, an dessen Schulter sie sich ausweinen kann und der ihr Mut zuspricht. Die alte Janet ist da genau die Richtige, denn mit ihrer Lebensweisheit und Warmherzigkeit gibt sie Kim Halt und stärkt sie durch ihre Unterstützung. Leandra ist eine Frau, die den Widerständen trotzt und gerade aufgrund ihrer Einschränkungen nicht den Mut verliert. Aber auch Jake und Christian spielen wichtige Rollen in dieser anrührenden Geschichte.
„Ein Zimmer über dem Meer“ ist ein bittersüßer Roman über Schicksalsschläge, die Kraft der Liebe und den Mut, dem Leben entgegenzusehen. Verdiente Leseempfehlung für eine fesselnde Geschichte!

Veröffentlicht am 17.07.2021

Die begabte Nannerl Mozart

Fräulein Mozart und der Klang der Liebe (Ikonen ihrer Zeit 4)
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1766 Salzburg. Die 15-jährige Maria Anna Walburga Ignatia Mozart, genannt Nannerl, spielt neben ihrem jüngeren Bruder Wolfgang Amadeus in der Familie Mozart nur die „zweite Geige“, da sie ein Mädchen ist. ...

1766 Salzburg. Die 15-jährige Maria Anna Walburga Ignatia Mozart, genannt Nannerl, spielt neben ihrem jüngeren Bruder Wolfgang Amadeus in der Familie Mozart nur die „zweite Geige“, da sie ein Mädchen ist. Obwohl am Piano ausgesprochen begabt, wird Bruder Wolfgang vom Vater Leopold in allen Belangen gefördert und als Musikgenie an den durchlauchten Höfen Europas vorgestellt, denn in der Kunstszene war zur damaligen Zeit kein Platz für Frauen. Nannerl unterstützt Bruder Wolfgang in jeglicher Weise und ist ihm immer eine gute Ratgeberin. Männer machen der hübschen Nannerl den Hof, doch dann verliebt sie sich auf einem Ball ausgerechnet in Franz Armand d’Ipppold, den Direktor eines Jungeninternats. Als Lehrer ist es Franz nicht erlaubt, eine Ehe einzugehen und besonders wohlhabend ist er auch nicht, so dass er für Nannerl tabu ist. Doch die junge Frau gibt weder ihre Liebe auf, noch lässt sie sich die Musik verleiden, widmet sich weiterhin ihren Kompositionen und ihrem Klavierspiel…
Beate Maly hat mit „Fräulein Mozart und der Klang der Liebe“ eine unterhaltsame historische Romanbiografie vorgelegt, die sich der älteren Schwester von Wolfgang Amadeus Mozart widmet, die dem Allrounder vor allem musikalisch in Nichts nachstand, aber aufgrund ihres Geschlechts zur damaligen Zeit keine Chance hatte. Der flüssige, bildhafte und mitreißende, teils dialektgefärbte Erzählstil nimmt den Leser mit hinein ins 18. Jahrhundert, wo er bei der Familie Mozart in Salzburg einzieht und dort vor allem Nannerls Spuren folgt. Während ihr widerspenstiger, egozentrischer und verwöhnter Bruder Wolferl sich dem Diktat des Vaters beugen muss, der ihn fördert, puscht und mit ihm an die Höfe Europas reist, bleibt Nannerl nur die Position seiner Ratgeberin und starken Schulter, an der er sich zuweilen beklagen und ausweinen kann. Gerade die Rolle der Frau zur damaligen Zeit hat die Autorin besonders hervorgehoben. Sowohl die Kunst- als auch die Musikszene blieb allein Männern vorbehalten, auch wenn Frauen vielleicht sogar talentierter waren. Als Leser fragt man sich oftmals, wieviel Anteil Nannerl wohl an den musikalischen Schöpfungen ihres Bruders hatte. Obwohl Mozart an den adligen Höfen sehr gefragt war, ist es doch verwunderlich, wie viel Schulden sich nach und nach anhäuften und die Familie in die Bredouille brachten. Die Beschreibungen des damaligen Lebensstils, der unterschiedlichen Gesellschaftsschichten sowie der Konzertreisen und Maskenbälle sind der Autorin sehr gut gelungen, so dass der Leser während der Lektüre alles wie einen Film vor dem inneren Auge hatte.
Die Charaktere sind interessant in Szene gesetzt, sie wirken glaubwürdig ihrer Zeit angepasst und vermitteln dem Leser Authentizität. Nannerl ist eine selbstsichere, willensstarke und mutige Frau, die sich durch nichts beirren lässt. Sie nimmt sich immer zurück, ist für ihren jüngeren Bruder Anker und sicherer Hafen zugleich. Sie kennt keinen Neid und sieht oftmals über Verfehlungen ihr am Herzen liegenden Menschen hinweg. Sie ruht in sich selbst, was sie Zufriedenheit ausstrahlen lässt, auch wenn das Leben ihr oft genug Steine in den Weg legt. Bruder Wolfgang ist eher ein verzogener, kindischer, exzentrischer Kerl, der allerdings seine Schwester innig liebt und ebenbürtig behandelt. Seine genialen Kompositionen hat er mit Sicherheit auch seiner Schwester zu verdanken, die ihm musikalisch bestimmt ebenbürtig war.
„Fräulein Mozart und der Klang der Liebe“ ist ein unterhaltsamer, kurzweiliger historischer Roman, der Mozarts Schwester Nannerl wieder lebendig werden lässt. Der fiktive Teil überwiegt in der Geschichte zwar, doch löst er ein wunderbares Kopfkino aus und veranlasst den Leser nach der Lektüre zu weiteren Recherchen. Verdiente Leseempfehlung!

Veröffentlicht am 11.07.2021

„Im Abschied liegt die Geburt der Erinnerung.“ (Salvador Dalí)

Der Traum von Freiheit
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Hamburg. Während das Kaffeekontor unter der bereits 12-jährigen Leitung von Mina Deharde gute Geschäfte macht und diese sich ebenso erfolgreich als erste Frau an der Hamburger Kaffeebörse beweist, greift ...

Hamburg. Während das Kaffeekontor unter der bereits 12-jährigen Leitung von Mina Deharde gute Geschäfte macht und diese sich ebenso erfolgreich als erste Frau an der Hamburger Kaffeebörse beweist, greift die Machtübernahme des Naziregimes über ganz Deutschland immer mehr um sich. Minas Ehemann Frederik hat sich sehr verändert und führt ein Leben in Berlin, ihr Verhältnis zueinander hat sich in eine freundschaftliche Richtung entwickelt. Doch die politische Lage bekommt auch bald Mina zu spüren, die sich nicht nur um ihre Schwester sorgen muss, sondern auch um Edo, mit dem sie inzwischen glücklich verbandelt ist. Der Ausbruch des Krieges sowie die Zerstörung des Hauses durch einen Bombenangriff bringen Mina an die Grenzen ihrer Belastbarkeit. Doch auch andere Menschen bedürfen ihrer Hilfe, so dass die Gefahr für Mina und ihre Lieben immer größer wird…
Fenja Lüders hat mit „Der Traum von Freiheit“ den finalen Band ihrer historischen Speicherstadt-Trilogie rund um das Kaffeekontor vorgelegt, das erneut mit vielen geschichtlichen Details, Spannung und emotionalen Momenten den Leser gut zu unterhalten weiß. Der flüssige, bildhafte und gefühlvolle Erzählstil lädt den Leser nochmals ein, die Jahre 1925 bis 1948 in der Hamburger Speicherstadt zu verbringen, um dort die Geschicke von bereits liebgewonnenen Protagonisten wie Mina Deharde und ihren engsten Vertrauten hautnah mitzuerleben. Die Streifzüge durch Hamburg und die Speicherstadt sind wieder ausgesprochen farbenfroh und verursachen ein schönes Kopfkino beim Leser, während er der Handlung folgt. Der Autorin gelingt es wieder einmal, die gesellschaftlichen und politischen Gegebenheiten der damaligen Zeit sowie die Empfindungen innerhalb der Bevölkerung wunderbar mit ihrer Geschichte zu verknüpfen. Mina hat als Geschäftsfrau immer noch mit vielen Vorurteilen zu kämpfen, doch ist sie inzwischen eine geschickte Unternehmerin, die sich so schnell nicht einschüchtern lässt. Bedauerlicherweise packt die Autorin schon fast zu viel Dramatik in diesen letzten Band, so dass der Leser sich deshalb manchmal regelrecht erschlagen fühlt. Ebenso kontraproduktiv wirken sich die großen Zeitsprünge aus, denn die Handlung verliert dadurch einiges an Kraft, weil einige Dinge sich irgendwann in Luft auflösen, ohne wirklich aufgeklärt worden zu sein. Trotzdem ist die Geschichte wieder voller Spannungsmomente und überraschenden Wendungen, die den Leser in Atem halten.
Die Charaktere sind lebendig und realistisch in Szene gesetzt worden, wirken glaubwürdig und der Zeit entsprungen, so dass der Leser sich schnell wieder in ihrer Mitte wähnt und mitfiebern kann. Mina ist inzwischen eine starke, mutige, fleißige und manchmal eigenwillige Frau, die nicht nur ein gutes Händchen für die geschäftlichen Belange hat, sondern auch ihre Familie mit sanfter Hand zu führen und ihren Kopf durchzusetzen weiß. Ehemann Frederick hat sich vom Scheusal zu einem doch recht empfindsamen Kerl gemausert, dessen Wandlung man erst beim zweiten Blick glauben kann. Irma ist eine tapfere Frau, die Mina immer eine sehr enge Freundin ist. Aber auch die Schicksale von Anton, Agnes, Oma Hiltrud sowie Heiko und weiteren Protagonisten spielen in dieser Geschichte eine große Rolle.
Mit „Der Traum von Freiheit“ schließen die Pforten des Kaffeekontors in der Speicherstadt, der Leser muss sich von liebgewonnenen Protagonisten und einer sehr unterhaltsamen sowie dramatischen Familiensaga verabschieden. Geheimnisse, Liebe, historischer Hintergrund sowie Spannung und eine wahre Achterbahn der Gefühle bei dieser Saga gewiss. Verdiente Leseempfehlung!

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Veröffentlicht am 07.07.2021

"Wer im Alter noch herzhaft lacht, macht sich bei seinen Erben unbeliebt." (Alexander Onassis)

Erben wollen sie alle
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Die 75-jährige geschiedene Bianca hat ihren Lebensmittelpunkt in einer Finca im mallorquinischen Sóller und erst vor kurzem in dem Rentner Wolfgang, genannt Wolfi, eine neue Liebe gefunden, mit dem sie ...

Die 75-jährige geschiedene Bianca hat ihren Lebensmittelpunkt in einer Finca im mallorquinischen Sóller und erst vor kurzem in dem Rentner Wolfgang, genannt Wolfi, eine neue Liebe gefunden, mit dem sie gern ihre Zeit verbringt und für die Zukunft noch so große Pläne hat. Wäre da nur nicht die liebe Verwandtschaft, die sich schon um ihr Erbe betrogen sieht, wenn Muttern das Geld mit einem Fremden verjubelt. Kurzerhand fallen sie zu Biancas Geburtstag alle auf Mallorca ein, um Fürsorge vorzutäuschen und ein Auge auf Mutter und die Moneten zu haben. Doch Bianca ist welterfahren genug zu wissen, was Sache ist und stellt ihre Bagage auf die Probe, denn nur wer sich wirklich um sie sorgt, soll was vom Vermögen abkriegen. Um das herauszufinden, lässt sich die rüstige lustige Witwe so einiges einfallen…
Tessa Hennig hat mit „Erben wollen sie alle“ einen unterhaltsamen und recht tiefgründigen Roman vorgelegt, der eine humorige Steilvorlage des normalen Lebens ist und dabei so einige alltägliche Lebensprobleme in sich vereint. Flüssig, farbenfroh und mit einigem Witz nimmt die Autorin den Leser mit auf die malerische spanische Insel, um dort Bianca sowie ihr Umfeld kennenzulernen. Durch wechselnde Perspektiven bekommt der Leser nicht nur Einsicht in die Gedankenwelt der einzelnen Protagonisten, sondern weiß auch um die Gefühle, die den einzelnen umtreiben. Die Autorin hält ihrer Leserschaft mit ihrer Geschichte einen Spiegel vor, denn wie es nun einmal so ist: wo es was zu holen gibt, sind alle schnell zur Stelle, das Hauen und Stechen geht los, um nur bloß nicht zu kurz zu kommen. Dem Leser schwillt oftmals der Kamm, denn das Anspruchsdenken der Kinder geht einem schon gehörig gegen den Strich. Obwohl bisher nichts fürs Erbe geleistet, haben Sohn Stefan und Tochter Anja schon genaue Vorstellungen davon, was ihnen angeblich gehört und was sie vielleicht sogar damit anstellen wollen. Dabei ist Bianca schließlich noch quicklebendig und hat eigene Pläne mit ihrem Eigentum. Neben bildhaften Landschaftsbeschreibungen, die dem Leser einiges an Urlaubsfeeling vermitteln, bringt die Autorin neben den Erbstreitigkeiten zusätzlich Themen wie Altersarmut, Einsamkeit, Alzheimer und Altenpflege in ihrer Handlung unter, die für Biancas Altersgruppe eine große Rolle spielen.
Die Charaktere sind glaubwürdig und lebensnah gezeichnet, so dass der Leser das Gefühl hat, sie schon länger zu kennen und mit Interesse der Geschichte folgt. Bianca ist mit 75 noch sehr agil und unternehmungslustig. Sie besitzt Humor, Freundlichkeit, Cleverness sowie Altersweisheit, was ihr dabei hilft, manche Situation gelassener zu nehmen als sie eigentlich ist. Enkelin Luisa hat ein einnehmendes Wesen und ein manchmal loses Mundwerk, aber sie liebt ihre Oma sehr. Sohn Stefan und Tochter Anja haben mit ihren eigenen Familien selbst so viel um die Ohren, dass sie die Besuche bei ihrer Mutter immer wieder nach hinten schieben. Auch Wolfi, Teresa und Felix spielen in dieser Geschichte tragende Rollen und machen die Handlung insgesamt schön rund.
„Erben wollen sie alle“ ist ein humoriger, aber auch nachdenklich stimmender Roman, der nicht nur mit einer Familiengeschichte und bunten Charakteren unterhält, sondern Themen anspricht, die mitten aus dem Leben gegriffen sind und uns alle angehen. Verdiente Leseempfehlung!