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Venatrix

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Veröffentlicht am 13.08.2021

Eine gelungene Fortsetzung

Donaumelodien - Totentaufe
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Sebastian Zach entführt seine Leser in diesem zweiten Kriminalfall für Hieronymus Holstein in das Wien von 1876. Mehrere Ärzte werden zunächst gefoltert und dann grausam ermordet. Da eine Spur an deren ...

Sebastian Zach entführt seine Leser in diesem zweiten Kriminalfall für Hieronymus Holstein in das Wien von 1876. Mehrere Ärzte werden zunächst gefoltert und dann grausam ermordet. Da eine Spur an deren früheren Arbeitsplatz, den „Guglhupf“, wie die Wiener ihre von Joseph II. errichtete Irrenanstalt, liebevoll nennen, führt, soll Hieronymus im Auftrag des Polizeipräsidenten Erkundigungen einziehen.

Recht bald müssen Hieronymus und sein Freund, der nach einem Kutschenunfall beeinträchtigte Franz, einsehen, dass sich der Auftrag nicht so einfach gestaltet, wie angenommen. Auf der Suche nach dem Täter müssen sie nicht nur in menschliche Abgründe, sondern auch in jene der Stadt, nämlich in die Kanalisation absteigen, denn dort finden die Ärmsten der Armen Zuflucht und Schutz. Schutz vor den Gläubigern, Verbrechern und der Polizei, denn die wagt sich nicht in das unterirdische Labyrinth.

Nebenher suchen Hieronymus und Franz noch Leo, den verschwundenen Ehemann ihrer Vermieterin Anezka Svoboda, der eine lukrative Anstellung bei einem reichen Mann angetreten haben soll.

Meine Meinung:

Hieronymus Holstein, der als Geisterfotograf seinen Lebensunterhalt verdient, ist ein freundliches Schlitzohr. Gemeinsam mit dem „Buckligen Franz“ unterstützt er die Wiener Polizei bei delikaten Recherchen. Nicht ganz uneigennützig wie wir lesen. Zum einen erhält Anezka auf diese Weise eine „Fratschlerinnen-Konzession“, d.h. Sie darf auf dem Wiener Naschmarkt Waren feilbieten und zum anderen spannt Hieronymus den Polizeiapparat für seine höchst privaten Ermittlungen nach Caroline ein.

Gut gelungen ist wieder die Schilderung des „Milieus“, also die Lebensbedingungen der nicht-adeligen Bevölkerung. Einen tieferen Einblick erhält der geneigte Leser in die Welt der „Ziegel-Behm“, jenen böhmischen Zuwanderern, die in den Ziegelfabriken am Wienerberg die Ziegel für die Ringstraßenpalais der High Society herstellten. Alois Miesbach, der Gründer der Ziegelwerke, fühlte sich anders als der aktuelle Eigentümer Heinrich von Drasche-Wartinberg, für seine Arbeiter verantwortlich und verwendete einen Teil des Gewinns für soziale Zwecke. Er ließ Kinderbetreuungseinrichtungen und ein Krankenhaus errichten. Nach seinem Tod 1857 wurden die Ziegelfabriken „gewinnoptimiert“ und an die Wiener Börse gebracht und führten zu dem beschriebenen Elend der Ziegelarbeiter. Der Lohn wurde, wie im Buch erwähnt, teilweise in Metallmarken ausbezahlt, die nur innerhalb des Ziegelimperiums Gültigkeit hatten. Dadurch gerieten die Arbeiter immer mehr in Armut und Abhängigkeit, denn für dieses Scheingeld erhielten sie nur überteuerte, aber dafür minderwertige Ware.

Einen zweiten interessanten Einblick gewährt uns der Autor, wenn über die Behandlungsmethoden von Geisteskranken schreibt. Viele wurden einfach als „Versuchskaninchen“ für andere medizinische Zwecke behandelt. Auch missliebige Verwandte - vorzugsweise intelligente Erbinnen, die sich der Autoritäten der Brüder widersetzt haben - werden unter dem Vorwand, Geisteskranke zu sein, in die Irrenanstalt abgeschoben. Es gibt ein kurzes Wiedersehen mit Prof. Carl von Rokitansky, der als Pathologe schon im ersten Band (s)einen Auftritt hat.

Der Schreibstil ist dem 19. Jahrhundert angepasst. So spricht der Polizeipräsident mit Hieronymus immer in der dritten Person. Veraltete Ausdrücke sowie Bezeichnungen im Wiener Dialekt werden als Fußnote erklärt.

Erwähnen möchte ich noch den abgedruckten Plan von Wien, der bereits die Donauregulierung (1870-1875) beinhaltet.

Fazit:

„Totentaufe“ ist die gelungene Fortsetzung von „Praterglück“. Ich habe mich gut unterhalten gefühlt. Gerne gebe ich hier 4 Sterne.

Veröffentlicht am 13.08.2021

Auf zu neuen Ufern

Niemandsmeer
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Dieser historische Roman basiert auf Tatsachen. Er handelt von der Schiffsreise straffällig gewordener Frauen aus England, die nach Tasmanien deportiert werden. Rund 200 Frauen, die wegen geringer Vergehen ...

Dieser historische Roman basiert auf Tatsachen. Er handelt von der Schiffsreise straffällig gewordener Frauen aus England, die nach Tasmanien deportiert werden. Rund 200 Frauen, die wegen geringer Vergehen wie Diebstahl verurteilt worden sind, werden aus ihrer vertrauten Umgebung gerissen und von ihren Familien getrennt, vorgeblich um ihnen eine zweite Chance zu geben, aber eigentlich, um die Besiedlung von Tasmanien voranzutreiben. Einige wenige dürfen ihre Kinder mitnehmen.

Wir beschäftigen uns hauptsächlich mit einer kleinen Gruppe von Frauen, die von Kezia Heyer auserwählt sind, während der langen Überfahrt, an einem Quilt zu nähen. Wir lernen die einzelnen Frauen und ihre Vergangenheit kennen. Die meisten haben aus Not heraus Verbrechen begangen und haben ihre Schicksalspäckchen zu tragen. Doch eine von ihnen ist eine Mörderin, die sich unter falschem Namen an Bord geschlichen hat, um der Hinrichtung zu entgehen.

Als dann eine Frau ermordet wird, muss die Täterin ausgeforscht werden, was gar nicht so einfach ist. Gemeinsam mit dem Kapitän, dem Schiffsarzt und dem Seelsorger, beginnt Kezia die Frauen zu befragen. Dabei stößt sie auf vorgefasste Meinungen und Vorverurteilungen.

Meine Meinung:

Das Buch lässt sich leicht und flüssig lesen. Die Charaktere sind gut dargestellt. Hin und wieder handeln sie, wie im echten Leben, widersprüchlich. Es ist sehr interessant zu lesen, wie aus der zusammengewürfelten Schar doch so etwas wie eine Gemeinschaft entsteht.

Zwei kleine Kritikpunkte muss ich anbringen: Erstens erschließt sich mir der deutsche Titel nicht ganz. Der englische Originaltitel „Dangerous Women“ ist viel griffiger. Zweitens können die Leser stellenweise den Eindruck haben, dass es sich hier um eine „Vergnügungsreise“ handelt. Wenig ist vom beschwerlichen Alltag der Seeleute, den Unwettern und der rauen See zu lesen.

Fazit:

Ein interessanter historischer Roman, dem ich gerne 4 Sterne gebe.

Veröffentlicht am 07.08.2021

Ein gelungener hist. Roman

Das Auktionshaus (Die Auktionshausserie 1)
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Amelia Martin entführt ihre Leser in das London von 1910. Sarah lebt mit ihrer Familie in ärmlichen Verhältnissen in Soho. Der Vater Alkoholiker, der seinen Lohn versäuft, die Mutter arbeitet als Näherin ...

Amelia Martin entführt ihre Leser in das London von 1910. Sarah lebt mit ihrer Familie in ärmlichen Verhältnissen in Soho. Der Vater Alkoholiker, der seinen Lohn versäuft, die Mutter arbeitet als Näherin im Modeatelier von Mrs. Weaver, um die Kinder durchzubringen. Sarah, die älteste, noch dazu ein Bastard, träumt davon, die Armut hinter sich zu lassen. Auch sie arbeitet bei Mrs. Weaver. Die Chance ergibt sich, als Lady Sudbury eines Tages in das Modeatelier kommt.

„...Die kostbare Brosche lag auf dem Tisch direkt vor ihr. Sarah zögerte nicht und griff das Schmuckstück und auch die Handtasche, die Lady Sudbury gehörten...“

Lady Sudbury nimmt Sarah unter ihre Fittiche und stellt sie als Gesellschafterin an. Damit hat Sarah das große Los gezogen, allerdings sitzt sie zwischen zwei Stühlen. Die anderen Bediensten begegne ihr mit Neid und Missgunst.

„...Denk ja nicht, dass du was Besseres bist als wir. Du bist nur ein einfaches Dienstmädchen, sonst nichts!...“

Erst als sie durch Lady Sudbury eine Anstellung im Londoner Auktionshaus erhält, bekommt sie Anerkennung und Wertschätzung. Doch auch hier neidet man ihr den Erfolg, den sie sich durch harte Arbeit erwirtschaftet. Sie selbst vergisst ihre Herkunft aus Soho niemals.

Meine Meinung:

Dieser historische Roman ist ein interessanter Einblick in die Welt der Auktionshäuser. Wir Leser erfahren viel über die Arbeit in einer solchen Institution, die vornehmlich im Hintergrund abläuft. Das Katalogisieren, Beschreiben von Objekten, die versteigert werden sollen, ist mir bislang nicht so bekannt gewesen. Das ist das Schöne am Lesen: Man lernt immer etwas dazu!

Die aktuelle politische Lage vor und während des Ersten Weltkriegs wird ebenso beleuchtet wie die Klassenunterschiede der Gesellschaft. Das Dilemma der Frauen, die während des Krieges als die Männer an der Front sind, deren Arbeit übernehmen, um dann wieder an den Herd zurückgedrängt werden, wird ebenso thematisiert, wie das Leiden der Kriegsinvaliden, zu denen auch ein Bruder Sarahs gehört. Ohne Sozialversicherung und Krankenfürsorge, wie wir es heute kennen, bleibt für viele nur das Betteln um Almosen und der Schnaps.

Geschickt wird auch eine zarte Liebesgeschichte eingeflochten. Da ist zum einen Charles aus Soho, der Sarah schon immer liebt, aber auf keine Erfüllung hoffen kann, und zum anderen der Fotograf Maynard, der aus Familienräson eine reiche Erbin heiraten muss.

Sarahs Geschichte wird flüssig erzählt. Der zweite Band, der Anfang 2022 erscheinen wird, wird in Wien spielen. Darauf freue ich mich besonders. Denn Wien hat mit dem 1707 von Kaiser Joseph I. Gegründeten Auktionshaus „Dorotheum“ eine lange Tradition.

Fazit:

Ein gelungener historischer Roman, dem ich gerne 4 Sterne gebe.

Veröffentlicht am 01.08.2021

Eine gelungene Fortsetzung

Der Schatz von Bellapais
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Ich habe diesen Krimi just am 20. Juli, dem Jahrestag der Annexion Nordzyperns durch die türkische Armee gelesen. War nicht Absicht! Denn der 20. Juli ist bei mir bis jetzt Stauffenbergschen Versuch, Hitler ...

Ich habe diesen Krimi just am 20. Juli, dem Jahrestag der Annexion Nordzyperns durch die türkische Armee gelesen. War nicht Absicht! Denn der 20. Juli ist bei mir bis jetzt Stauffenbergschen Versuch, Hitler zu stürzen, besetzt. Allerdings haben die martialischen Sprüche von Recep Erdogan im Fernsehen und dieser Krimi mir wieder die Teilung der Insel Zypern vor Augen geführt. Es scheint, dass die Politik sich wieder um eine Lösung bemüht, aber mit Erdogan als „Verhandlungspartner“ ist vermutlich kein Blumentopf zu gewinnen.

Doch zurück zum Buch:

Sofia Perikles, ihres Zeichens Police Officer und Carl Evans, ihr britischer Verlobter stehen kurz vor ihrer Traumhochzeit auf der Sonneninsel Zypern als die Nachricht, in der größten Kupfermine des Landes ist eine Leiche aufgetaucht, hereinplatzt. Sofia, die ohnehin wenig Mitspracherecht bei den Hochzeitsvorbereitungen hat, die ihre übergriffige Schwiegermutter in spe an sich gerissen hat, geht gemeinsam mit ihrem Vorgesetzten, dem Griesgram Kostas auf Verbrecherjagd. Es bleibt nur eine knappe Woche Zeit, denn dann soll die Märchenhochzeit steigen.

Als sich herausstellt, dass der Tote der Enkel eines türkischen Nationalhelden ist, der 1974 an der Invasion der Türken auf die Insel teilgenommen hat, muss Kostas wieder seinen ärgsten Feind jenseits der Grenze um Hilfe ersuchen. Je tiefer die Ermittler in den Mordfall eintauchen, desto näher kommen sie den Schatten der Vergangenheit.

Die Ermittlungen führen die beiden aus dem Troodos-Gebirge an die Sandstrände von Limassol und in die düstere Vergangenheit Zyperns.

Meine Meinung:

Gegenüber dem ersten Band („Tod am Aphroditefelsen“) ist eine Veränderung sichtbar. Sofia hat dem verbitterten Chief Officer Kostas durch die Aufklärung von drei Morden einen gehörigen Respekt abgenötigt, auch wenn er das niemals zugeben würde.

„Das ist meine vierte Leiche, seitdem du da bist. Erst drei in einer Woche - und nun dieses aufgequollene Modell. Vorher hatte ich zwei Jahre am Stück nicht einmal einen toten Hund. Mann Sofia, du bist die Garantie, dass mein Leben so kurz vor der Rente in Sachen Unterhaltung noch mal richtig Gas gibt.“ (S.30)

Nicht alle Machosprüche gehören der Vergangenheit an, aber Kostas verteidigt Sofia den Chauvis gegenüber. „Sie ist mehr Mann, als du es jemals sein wirst.“ (S. 27/zum Sicherheitsmann der Kupfermine).

Das auffällige Tattoo des Ermordeten führt zu einer Geschichte der Plünderungen der Kirchen und Klöster während der Invasion der Türken 1974 profitieren will. Eine Wunde in der Seele der griechischen Zyprioten, die heute nicht verheilt ist. Und ein deutscher Kunsthändler will davon profitieren.

Für den geschichtlich interessierten Leser wird die Invasion der Türken und der Teilung der Insel breiten Raum gegeben. Der eigentliche Krimi tritt dadurch stellenweise in den Hintergrund, was mir persönlich wenig ausmacht.

Dieser zweite Krimi rund um Sofia Perikles endet mit einem Showdown, den ich so ähnlich erwartet habe und der die Möglichkeit einer Fortsetzung von Sofia als Police Officer auf der Sonneninsel möglich macht.

Fazit:

Eine gelungene Fortsetzung, der ich gerne 4 Sterne gebe.

Veröffentlicht am 01.08.2021

Der Wienerwald - ein Wanderparadies

Eintauchen in den Wienerwald
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Wer glaubt, dass der Wienerwald eine Ansammlung von Bäumen innerhalb der Stadt Wien ist, wird eines Besseren belehrt. Es handelt sich hier um eine mehr als 105.000 Hektar große Region, dessen höchste Erhebung ...

Wer glaubt, dass der Wienerwald eine Ansammlung von Bäumen innerhalb der Stadt Wien ist, wird eines Besseren belehrt. Es handelt sich hier um eine mehr als 105.000 Hektar große Region, dessen höchste Erhebung der Schöpfl (893m) ca. 55km westlich von Wien ist. Rund 77% des Gebietes sind bewaldet.

Das Gebiet des Wienerwaldes, einst kaiserliches Jagdgebiet, bietet schon seit längerer Zeit die Möglichkeit, der lauten Großstadt Wien zu entfliehen und die Stille des Waldes zu genießen.

In diesem Buch lassen die Autoren Johannes Sachslehner und Robert Bouchal ihre Leser, nach einer allgemeinen Einführung, in fünf Kapiteln in die beeindruckende Natur eintauchen:

Wald und Baum
Felsen und Steine
Wasser, Brunnen und Bründl
Burgen und Festen
Gipfelblicke

Die Wanderziele sind teilweise mit dem Blickwinkel des „Lost Places“ ausgesucht, sind doch die Autoren Spezialisten für Fotografien solcher verlassener Plätze. So können wir auch in diesem Buch einen Blick auf solche Orte, wie verfallene Burgen oder den ehemaligen Eiskeller am Cobenzl erhaschen.

Stimmungsvolle Fotos sowie zahlreiche Informationen zu den Wanderungen vervollständigen dieses interessante Buch.

Fazit:

Wie immer haben die Autoren viel Zeit in die Recherche gesteckt. Die Wanderungen lassen sich anhand der Beschreibungen gut bewältigen. Ein Mangel ist allerdings das Fehlen eines Ausschnitts der entsprechenden Wanderkarte. Das kostet einen Stern, daher 4 Sterne.